# taz.de -- Falsche Freihandels-Versprechungen: TTIP kann zum Jobfresser werden | |
> Jede Menge neue Arbeitsplätze solle das Freihandelsabkommen von EU und | |
> USA bringen, hieß es bislang. US-Forscher sagen etwas anderes. | |
Bild: Kein Wunder, dass die Proteste gegen TTIP – wie hier am 11. Oktober in … | |
BRÜSSEL taz | Das umstrittene Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) | |
könnte zu Wachstumseinbußen führen und Arbeitsplätze vernichten. Allein in | |
Deutschland könnten nach der geplanten Liberalisierung 124.000 Jobs | |
verloren gehen. Zu diesem Ergebnis kommen US-Forscher der Tufts-Universität | |
in Boston. | |
Die [1][Studie] widerspricht diametral den optimistischen Annahmen der | |
EU-Kommission. Auch für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist sie | |
ein Dämpfer. Dieser hatte am Montag die neue EU-Handelskommissarin Cecilia | |
Malmström in Berlin empfangen und erneut für eine Liberalisierung des | |
Handels geworben. Dabei war deutlich geworden, dass er den umstrittenen | |
Investorenschutz für nicht mehr zu verhindern hält. | |
Die Gespräche für TTIP waren 2013 mit dem Versprechen gestartet, der | |
transatlantische Freihandel werde das Wachstum beleben und neue | |
Arbeitsplätze schaffen. Die EU-Kommission legte eine Studie vor, nach der | |
die Wirtschaft nach dem Wegfall aller Handelsschranken um 0,5 Prozent der | |
Wirtschaftsleistung schneller wachsen würde. Eine EU-Durchschnittsfamilie | |
werde 545 Euro zusätzlich verdienen. | |
## Deutsche Arbeitnehmer verlieren 3.400 Euro | |
Dem widersprechen nun die Forscher aus Boston. Familie Mustermann würde | |
durch TTIP nicht etwa Einkommen gewinnen, sondern verlieren, | |
prognostizieren sie: 3.400 Euro könnte ein Arbeiter in Deutschland weniger | |
in der Tasche haben, um 5.500 Euro könnte das Einkommen in Frankreich | |
schrumpfen. | |
Auch die von TTIP besonders begeisterten Länder Nordeuropas sowie | |
Großbritannien würden zu den Verlierern gehören. Ihre Arbeiter würden 4.800 | |
beziehungsweise 4.200 Euro einbüßen. Zudem könnten die Netto-Exporte zehn | |
Jahre nach Einführung von TTIP um bis zu 2 Prozent zurückgehen. | |
Wie ist dieser Widerspruch zu erklären? Während die EU-Kommission noch 2012 | |
einen Aufschwung prognostizierte – was sie mittlerweile revidiert hat –, | |
gehen die US-Amerikaner davon aus, dass der Austeritätskurs in der EU | |
fortgesetzt wird und das Wachstum auf beiden Seiten des Atlantiks schwach | |
bleibt. | |
## Flexibles versus statisches Rechenmodell | |
Außerdem verwenden sie für ihre Studie ein anderes Modell. Ihre | |
Berechnungen beruhen auf dem „Global Policy Model“ der Vereinten Nationen, | |
das speziell für alternative Szenarien in der Wirtschafts- und | |
Handelspolitik entwickelt wurde. Dabei werden sogenannte | |
Spill-over-Effekte, also Wechselwirkungen, berücksichtigt. Die EU neigt | |
hingegen eher zu statischen Modellen. | |
Sollten sich die neuen Simulationen bewahrheiten, würde TTIP zu mehr | |
finanzieller Instabilität und sogar zu einer „wirtschaftlichen | |
Desintegration“ führen, warnen die US-Forscher. Es sei falsch, wenn man | |
versuche, das Wirtschaftswachstum während einer Krise anzukurbeln, indem | |
man den Handel ausweite. Das führe nur zu höherem Druck auf die Einkommen. | |
Pech für Gabriel – schließlich präsentiert er TTIP und Ceta neuerdings gern | |
als Trumpf für die Arbeitnehmer. Der SPD-Chef hat seine Haltung sogar eng | |
mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund abgesprochen. Freuen dürfen sich | |
hingegen die Kritiker des Freihandels. Sie hatten am Montag Klage vor dem | |
höchsten EU-Gericht in Luxemburg eingelegt, um die Zulassung einer | |
Bürgerinitiative gegen TTIP zu erzwingen. Die US-Studie dürfte ihnen nun | |
neuen Zulauf bringen – und neue Argumente. | |
12 Nov 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://ase.tufts.edu/gdae/Pubs/wp/14-03CapaldoTTIP.pdf | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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