| # taz.de -- Sparkling Science in Österreich: Prickelnde Wissenschaft ist gefra… | |
| > In einem groß angelegten Projekt arbeiten in Österreich Schulen und | |
| > Forscher gemeinsam an wissenschaftlichen Fragestellungen. | |
| Bild: Die Gewinner des Junior Science Slam: Schüler der Salzburger Schule HBLA… | |
| WIEN taz | Österreichs Forschung befindet sich in einer Verjüngungskur. Mit | |
| dem in Europa einzigartigen Förderprogramm [1][„Sparkling Science“] | |
| (Prickelnde Wissenschaft) werden Schulen und Wissenschaftseinrichtungen zu | |
| konkreten Forschungsprojekten zusammengebracht. Vom Enthusiasmus der | |
| Jungforscher profitieren beide Seite. | |
| Zum Beispiel beim Thema „personalisierte Medizin“. Viele Medikamente wirken | |
| nicht bei allen Patienten. Bei Krebserkrankungen schlagen nur 25 Prozent | |
| der Pharmaka auf Anhieb wie gewünscht an. Mit einem Atemtest, der an der | |
| Universität Innsbruck entwickelt wurde, lassen sich präzisere | |
| Wirkungsprognosen erstellen. „Dabei wird die Atemluft des Patienten | |
| zunächst in einem Aluminiumbeutel gesammelt und dann im | |
| Infrarot-Spektrometer auf ihre Bestandteile untersucht“, erklärt Daniel | |
| Swarovski vom Akademischen Gymnasium Innsbruck. | |
| „Das Ergebnis des Tests sagt aus, ob der Patient den Wirkstoff des | |
| Krebsmittels tatsächlich verstoffwechseln kann.“ Zusammen mit anderen | |
| Schülern führte Swarovski Studien am Ergometer oder im Schlaflabor durch | |
| und analysierte biomathematische Daten. | |
| Auf dem jährlichen Sparkling-Science-Kongress wurden die Ergebnisse des | |
| Projekts „Fem_Pers“ (Personalisierter medizinischer Atemtest für Frauen) | |
| Mitte November in Wien vorgestellt. Der Innsbrucker Forschungsschüler: | |
| „Unser Test braucht nur eine Stunde und kann auch ambulant durchgeführt | |
| werden.“ | |
| Professor Anton Amann von Institut für Atemgasanalytik der Uni Innsbruck | |
| lobt das Engagement der Gymnasiasten und sieht noch andere Effekte der | |
| Kooperation: „Auf diese Weise werden die Karrierewege in | |
| naturwissenschaftliche und medizinische Studien geebnet.“ | |
| ## Auf alle Wissenschaftsgebeite ausgeweitet | |
| Gestartet wurde „Sparkling Science“ 2007 vom Wiener | |
| Wissenschaftsministerium zunächst als Förderprogramm für Themen der | |
| ökologischen Nachhaltigkeit. „Wegen des großen Zuspruchs haben wir es zwei | |
| Jahre später auf alle Wissenschaftsgebiete ausgeweitet“, berichtet Marie | |
| Céline Loibl, die zuständige Programmleiterin im österreichischen | |
| Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. | |
| Mittlerweile wurden 202 Projekte gefördert, in denen rund 15.000 Schüler | |
| mit Forschern aus 35 etablierten Wissenschaftseinrichtungen gemeinsame | |
| Fragestellungen bearbeiteten. Weitere 57.000 Schüler aus der Hälfte aller | |
| gemeinbildenden Schulen in Österreich wurden über Ausstellungen und | |
| Diskussionen erreicht. | |
| Loibl: „Die Nachfrage ist überwältigend.“ In diesem Jahr stehen in der 5. | |
| Programmrunde 9,5 Millionen Euro für 58 neue Sparkling-Science-Projekte zur | |
| Verfügung. Projektträger ist der Österreichische Austauschdienst (der dem | |
| Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD entspricht). | |
| ## Neue Erhebungen | |
| Die Projekte gliedern sich in die Fächergruppen Naturwissenschaften, | |
| Technik, Informatik, Medizin und Gesundheit, Sozialwissenschaften, | |
| Geisteswissenschaften sowie Lehr-Lern-Forschung. Während bei | |
| naturwissenschaftlichen Themen häufig klassische Citizen-Science-Ansätze | |
| zur Datenerhebung dominieren (Vogelzählung), eröffnen sich bei | |
| sozialwissenschaftlichen Feldforschungen (Jugend, Familien) neue | |
| Erhebungszugänge, die der klassischen Soziologie in dieser Weise nicht zur | |
| Verfügung stehen. | |
| „Wie junge Leute mit ihren mobilen Endgeräten umgehen oder ihre | |
| Kommunikation in sozialen Netzwerken – das sind Wissenszugänge, die | |
| Forschern in der Weise nicht zur Verfügung stehen“, erläutert | |
| Programmleiterin Loibl. | |
| Auch die ethnologische Forschung kann aus der familiären Einbettung der | |
| Junior-Wissenschaftler Nutzen ziehen. Im Projekt „Landscape and You-th“ | |
| machte sich das Institut für Interventionsforschung und Kulturelle | |
| Nachhaltigkeit der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt auf die Spuren des | |
| Flachsanbaus in Kärnten als einst zentralem Basismaterial für die regionale | |
| Textilwirtschaft. | |
| ## Uraltes Wissen dokumentiert | |
| „Obwohl seit langer Zeit nicht mehr angebaut, ist die vielseitige | |
| Nutzpflanze Flachs im Lesachtal noch immer gegenwärtig in alten Gebäuden, | |
| Werkzeugen und im Brauchtum der Bewohner“, weiß Professor Gerhard | |
| Strohmeier von der Universität Klagenfurt. | |
| Mit Schülern der Region wurde nicht nur über „Oral History“ das | |
| Flachs-Wissen der alten Bauern dokumentiert, sondern die Jungen übten Anbau | |
| und Verarbeitung der Faserpflanze selbst ein. „History Re-Enactment“ nennt | |
| sich die Methode. Ein anderes Projekt forschte über das „Brotbacken im | |
| intergenerationellen Dialog“. | |
| Am intensivsten wird die Kooperation, wenn die beteiligten Schülerforscher | |
| zugleich Betroffene sind. An der Universität Wien entwickelten Psychologen | |
| ein Hilfsprogramm für Jugendliche, die in ihrem Umfeld, etwa dem | |
| Klassenverband, gemobbt und ausgegrenzt werden. Die Internetversion wurde | |
| mit Schülern gestaltet, die sowohl Jugendsprache als auch soziale | |
| Wertigkeiten mit einbringen konnten. Zum Schluss wurde das | |
| Online-Trainingsprogramm von den Schülern den Wiener Psychologie-Studenten | |
| in der Uni vorgestellt – akademische Lehre einmal umgedreht. | |
| Den Vergleich von „Sparkling Science“ mit der neuen Bewegung von | |
| Bürgerwissenschaft „Citizen Science“ lässt Marie Céline Loibl nur bedingt | |
| gelten. Ihr Ansatz ist die Kombination von „hochwertiger Forschung mit | |
| voruniversitärer Nachwuchsförderung“. Zugleich Forschung auf Augenhöhe, | |
| während Citizen-Scientists überwiegend nur als Datensammler fungieren und | |
| am Forschungsdesign wenig mitzureden haben. | |
| ## Vorbild Österreich | |
| Gleichwohl wird das neue Interesse an Bürgerbeteiligung an der | |
| Wissenschaft, wie etwa im europäischen Forschungsrahmenprogramm „Horizon | |
| 2020“ formuliert, in Wien „nicht nur als Rückenwind, sondern sogar als | |
| Rückensturm“ wahrgenommen. Das Interesse an den österreichischen | |
| Erfahrungen wächst, nicht nur auf europäischen Konferenzen, sondern auch | |
| auf dem großen Wissenschaftlertreffen der AAAS (American Association for | |
| the Advancement of Science) kommenden Februar in den USA. | |
| Da stellt sich die Frage: Wenn „knisternde, prickelnde Wissenschaft“ in der | |
| Alpenrepublik seit Jahren ein solcher Erfolg ist, warum wurde das nicht | |
| längst schon in Deutschland kopiert? | |
| „Sparkling Science kennen eigentlich viele deutsche Wissenschaftsgutachter, | |
| weil wir unsere Forschungsprojekte ausschließlich in Deutschland und der | |
| Schweiz evaluieren lassen“, bemerkt Programmchefin Loibl. | |
| „Meine These ist“, ergänzt sie, „es braucht immer einen Innovator im | |
| System.“ Für die Schülerforschung hat es ihn in Österreich 2007 gegeben, in | |
| Deutschland fehlt er bis heute. | |
| 5 Dec 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.sparklingscience.at/de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Ronzheimer | |
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