# taz.de -- LGBT in Russland: „Amoralisch und krank“ | |
> Eine Lehrerin in St.Petersburg wird gefeuert, weil sie Lesbe ist. Eine | |
> NGO meint: Die Zahl der Übergriffe auf Homosexuelle wächst. | |
Bild: Mit einem Bein im Knast: Teilnehmer der St.Petersburger Gay Pride im Juni… | |
BERLIN taz | In St. Petersburg ist eine lesbische Lehrerin wegen ihrer | |
sexuellen Orientierung gefeuert worden. Oder, wie es offiziell zur | |
Begründung heißt: wegen eines unmoralischen Vergehens. Laut eines Berichtes | |
des russischen Nachrichtenportals Meduza sei Anastassija (Name geändert), | |
die drei Jahre an der Schule Nr. 565 geistig und körperlich behinderte | |
Kinder in Musik unterrichtet hatte, bereits Anfang Dezember vom | |
Schuldirektor und einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung dazu aufgefordert | |
worden, selbst um ihre Entlassung zu bitten. | |
Dem vorausgegangen war ein Brief des selbsternannten | |
Anti-Schwulen-Aktivisten Timur Isajew, den er nicht nur an den | |
Schuldirektor schickte, sondern auch noch über das Internet verbreitete. | |
„Bei Ihnen arbeitet eine Frau, die krank ist und psychatrisch von der Norm | |
einer Lehrerin abweicht“, schreibt Isajew, der sich übrigens damit brüstet, | |
russlandweit bereits die schulische Laufbahn von 29 homosexuellen Lehrern | |
und Lehrerinnen beendet zu haben. | |
„Die Lehrerin outet sich in den sozialen Netzwerken als amoralische Lesbe, | |
die mit einer genauso kranken Frau zusammenlebt. Wir bitten Sie | |
nachdrücklich, die Frau wegen beruflicher Ungeeignetheit zu entlassen“, so | |
Isajew, der in diesem Zusammenhang auch auf das Gesetz gegen sogenannte | |
„Homo-Propaganda“ verweist. | |
Besagtes Gesetz trat im Juni des vergangenen Jahres in Kraft. Es stellt | |
positive Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen | |
oder über Medien wie das Internet unter Strafe. Bei Zuwiderhandlungen | |
drohen hohe Geldstrafen. Das Gesetz schließt auch Ausländer mit ein, die | |
nach Russland reisen, um Kundgebungen von Homosexuellen zu unterstützen. | |
## Versagen beim Schutz der Opfer | |
Eben diese Vorschrift macht die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights | |
Watch (HRW) für eine wachsende Zahl von Übergriffen auf Angehörige der | |
LGBT-Community in Russland verantwortlich. „Das Gesetz legalisiert die | |
Diskriminierung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern und | |
macht sie zu Bürgern zweiter Klasse“, heißt es in dem Bericht „Lizenz zum | |
Verletzen: Gewalt und Übergriffe gegen LGBT-Menschen und Aktivisten in | |
Russland“, den HRW in dieser Woche vorlegte. Darin berichten Vertreter | |
dieser Personengruppe aus 16 russischen Städten von alltäglichen | |
gewaltätigen Angriffen, Entführungen und Erniedrigungen. | |
„Die Gewalt, der LGBT-Menschen in Russland ausgesetzt sind, ist zweifelos | |
durch Homophobie motiviert. Die Behörden ignorieren, dass es sich hierbei | |
um Hate-Crimes handelt und versagen dabei, die Opfer zu schützen“, sagt | |
Tanya Cooper, Russland-Spezialistin bei HRW. „Die russischen Behörden | |
müssen homophobe Gewakt effektiv verfolgen und aufhören, | |
Anti-LGBT-Diskriminierung zu tolerieren.“ | |
Anastassija hat sich übrigens entschlossen, für ihre Wiedereinstellung zu | |
kämpfen. Nach Angaben von Ksenia Kirischenko, eine Anwältin der | |
St.Petersburger LGBT-Aktivistengruppe Wychod (Ausweg) will sie wegen | |
unrechtmäßiger Entlassung und Diskriminierung vor Gericht ziehen. | |
19 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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