| # taz.de -- Quotendiskussion in der Filmbranche: Auf beiden Seiten des Tisches | |
| > Frauen führen seltener Regie und erhalten weniger Fördergelder. Franziska | |
| > Stünkel, Filmregisseurin in Hannover, kritisiert das. | |
| Bild: Die Regisseurin Franziska Stünkel findet, dass die Quotendiskussion in d… | |
| 242. So viele Regisseurinnen und Regisseure stehen bisher hinter dem Aufruf | |
| des Vereins Pro Quote Regie. Eine von ihnen ist die Regisseurin und | |
| Fotokünstlerin Franziska Stünkel. Sie erwartet ganz pragmatisch, dass sich | |
| der Anteil von Frauen in der Gesellschaft zeitgemäß nun auch in ihrem Beruf | |
| erhöht. | |
| Der Bundesverband Regie (BVR) hat mit seinem ersten | |
| „Regie-Diversitätsbericht“ im November die bereits schwelende Diskussion | |
| über mehr Frauen in Filmprojekten weiter genährt. Bei den über vier Jahre | |
| ausgewerteten TV-Programmen von ARD und ZDF in der Primetime führten | |
| demnach durchschnittlich 11 Prozent Frauen bei fiktionalen Filmen Regie. | |
| Bei den Kinofilmen waren es 22 Prozent. Im High-Budget-Bereich ab fünf | |
| Millionen Euro sinkt ihr Anteil auf rund 10 Prozent. | |
| Das erklärt auch, weswegen die von der Filmförderungsanstalt (FFA) an | |
| Regisseurinnen vergebenen Gelder prozentual geringer sind als der | |
| Frauenanteil bei den geförderten Projekten selbst. Am Nachwuchs kann es | |
| zahlenmäßig nicht liegen: Laut Pro Quote liegt der Frauenanteil unter den | |
| Absolventen von Filmhochschulen bei 42 Prozent. Rein rechnerisch entsteht | |
| eine auffällige Lücke, die neben Doris Dörrie und Caroline Link auch | |
| Stünkel alarmierte. | |
| Im nicht gerade mit der Filmindustrie assoziierten Hannover lebt und | |
| arbeitet die 41-Jährige zwischen ihren Recherchereisen, Filmprojekten und | |
| Ausstellungen. Hier ist es ihr gelungen, sich zu behaupten. Unabhängig vom | |
| Geschlecht, wie sie sagt. Von der Stadt erhielt sie im November den Preis | |
| „Frauen machen Standort“ für ihre unternehmerischen Leistungen als | |
| Regisseurin und Filmproduzentin und als „Mutmacherin“ für Frauen in der | |
| Kreativbranche. Für Stünkel Selbstverständlichkeiten. Umso ernüchternder | |
| war die Auseinandersetzung mit den Zahlen. | |
| ## Sich behaupten, unabhängig vom Geschlecht | |
| „Ich ahnte schon, dass es eine Schieflage gibt. Nun bin ich gerne Teil von | |
| denen, die das hinterfragen“, sagt Stünkel. „Wir arbeiten ja alle intensiv | |
| an unseren Projekten und sind dann im jeweiligen Kosmos gefangen. Doch das | |
| Thema geht uns alle an, mit unseren unterschiedlichen Meinungen und | |
| Erfahrungen. Sich hier auszutauschen und aktiv zu werden, ist ein gutes | |
| Gefühl“, sagt Stünkel. Benachteiligungen im eigenen Berufsleben führt sie | |
| nicht als Grund für ihr Engagement an. | |
| Da Filmprojekte teuer sind, ist es für weibliche wie männliche Regisseure | |
| und Produzenten existenziell, Sendergremien, Stipendienjurys, | |
| Filmförderanstalten und Banken für sich zu gewinnen. Stünkel kennt dies | |
| seit ihren „langen, harten Wegen“ für erste Kurzfilme. „Da bin ich von | |
| Stiftung zu Stiftung gerannt. Die Nordmedia Filmförderung gab es hier | |
| damals noch nicht.“ Und doch vertrauten die Banken der jungen Studentin und | |
| Firmengründerin, sodass sie die hohen Summen für das 35-mm-Filmmaterial und | |
| die Gerätemiete zusammenbekam. | |
| Dennoch seien damals Attribute wie Stärke, Führungskompetenz, Umgang mit | |
| Finanzen eher Männern zugeschrieben worden. „Das hat sich zwar schon | |
| gewandelt. Aber es ist alles noch im Prozess. Auch im Regieberuf.“ | |
| Mit der Zeit lernte sie, ihre Ideen in „handwerklich korrekte Konzepte“ zu | |
| gießen. Bei ihrem ersten Kinofilm, „Vineta“ (2008), war Stünkel | |
| Co-Produzentin, schrieb das Drehbuch und führte Regie. „Ich finde es sehr | |
| schön, mit einer paritätischen Besetzung am Set zu arbeiten. Darauf achte | |
| ich schon bei der Auswahl.“ | |
| ## „Wir selbst sind eine Geschichte“ | |
| An den Regieauftrag für den 18-stündigen Dokumentarfilm „Tag der | |
| Norddeutschen“ für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) kam sie über eine | |
| Produktionsfirma in Hannover. Das wäre einem männlichen Kollegen genauso | |
| ergangen. Heute wendet sie sich wieder fiktionalen Stoffen zu. „Im echten | |
| Leben sehen wir Geschichten, wir selbst sind eine Geschichte. Von daher ist | |
| dokumentarisch und fiktional relativ ähnlich.“ | |
| Gerade schreibt sie an zwei Kinospielfilmen, deren Inhalte nicht | |
| entgegengesetzter liegen könnten: „Nahschuss“ über die letzte Vollstrecku… | |
| eines Todesurteils in der DDR und eine Komödie über und aus Frauensicht. | |
| Wie immer werde die Finanzierung erst mit fertigem Drehbuch angegangen. | |
| Dann zieht auch Stünkel wieder vor eine Kommission, ein Vergabegremium. | |
| Sie will weder Schuld zuweisen noch Vorurteile bedienen, aber sie findet: | |
| „Eine paritätische Besetzung von Entscheidungsgremien vorab ist eine | |
| Ausgangsbasis. Sodass aus dem weiblichen und männlichen Blick heraus über | |
| Projekte entschieden werden kann. Das gibt es zum Teil, zum Teil noch | |
| nicht. Bei manchen Gremien habe ich mich schon nach paritätischem Denken | |
| gesehnt.“ | |
| Die Regisseurin kennt auch die „andere“ Seite des Tisches. Sie ist unter | |
| anderem Jurymitglied beim Cast & Cut Kurzfilm-Stipendium. Da denkt Stünkel | |
| nicht an Quote oder Solidarität. „Es geht darum, die künstlerische | |
| Regiehandschrift zu erkennen, wie die Denkweise ist, die Umsetzungskraft.“ | |
| Anonymisierte Anträge etwa würden ihr bei der Auswahl nicht helfen. „Das | |
| wäre ein Projekt, das frei im Raum schweben würde. Wir müssen den ganzen | |
| Menschen dabei sehen.“ Bisher gingen diese Stipendien auch hälftig an | |
| Frauen und Männer. Ein seltenes Positivbeispiel? | |
| Eine Studie soll Pro Quote zufolge nun untersuchen, welches die Gründe für | |
| die Vergabepraxis von Fördergeldern und Regieaufträgen sind. Die | |
| Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Monika | |
| Grütters, habe die FFA beauftragt herausfinden, wie es von den offenbar | |
| reichlichen Hochschulabgängerinnen zu dem geringen Frauenanteil im | |
| Regiebereich und bei den Fördermittelvergaben kommt. | |
| 25 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Beate Barrein | |
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