Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Patriarchat außer Sicht: Männliche Machtkämpfe
> In Hannover wird Shakespeares Komödie „Maß für Maß“ ausschließlich m…
> Frauen besetzt. Die Verfremdung soll männliche Verhaltensweisen sichtbar
> machen.
Bild: Frauen in typischen Männerrollen: So soll "Maß für Maß" Anreize schaf…
HAMBURG taz | Mit Theaterklassikern verhält es sich wie mit vielen
Bereichen der Gesellschaft: Es gibt in ihnen deutlich weniger Rollen für
Frauen als für Männer. Vor allem jenseits der üblichen Partien der jungen
Geliebten und unschuldigen Teenager bleibt für Schauspielerinnen mittleren
Alters wenig übrig. Die Macht, sie liegt auch bei Shakespeare in fast allen
Werken in den Händen der Männer. Die tragen ihren Kampf dann auf die
unterschiedlichste Weise aus: fair oder unfair, offen oder hinterrücks –
aber stets weitgehend unbehelligt vom weiblichen Geschlecht.
Florian Fiedler, seit fünf Jahren Hausregisseur am Schauspiel Hannover und
dort seit 2011 Leiter des Jungen Schauspiels, will diese Geschichte nicht
fortschreiben. Am Samstag bringt er seine Version von Shakespeares „Maß für
Maß“ zur Premiere. Und inszeniert damit ausgerechnet jene Komödie
Shakespeares, in der es wie in kaum einer anderen um die Versuchungen der
Macht und die Kontrolle weiblicher Sexualität geht. Das geschieht
ausschließlich durch Männer – jedenfalls in der Vorlage.
Shakespeare erzählt die Geschichte des Herzogs Vincentio, der in Wien mit
Nachsicht und viel Verständnis regiert – allerdings blühen deshalb bald
Korruption und Prostitution auf. Doch die Hände schmutzig machen will sich
der Herzog nicht – geliebt will er werden, nicht gefürchtet. Und so begibt
er sich vorgeblich ins Exil und überlässt die Macht für eine begrenzte Zeit
seinem Statthalter Lord Angelo.
Der Hardliner soll die Ordnung wiederherstellen, die alten Gesetze
durchdrücken und der Politik wieder einen moralischen Anspruch verleihen,
kurz: endlich aufräumen mit der verkommenen Gesellschaft. Tatsächlich
verkleidet sich Vincentio aber als Mönch, um Angelo bei seiner Amtsführung
zu beobachten.
Als Erstes fällt Angelo ein Todesurteil: Der reiche Claudio soll durch den
Strick sterben, weil er bereits vor der Eheschließung mit seiner Geliebten
geschlafen hat. Dessen letzte Hoffnung ruht jetzt auf seiner Schwester
Isabella, einer jungen Nonne, die durch ihre Unschuld das Herz des harten
Angelos erweichen soll. Die Novizin bittet um Gnade und tatsächlich: Der
Lord fackelt nicht lange und lässt seine Prinzipien fallen. Für eine Nacht
mit der unschuldig-reinen Schönheit will er ihren Bruder gern laufen
lassen. Doch die junge Frau weist ihn ab, und der Herzog sieht sich
gezwungen, das strauchelnde Staatswesen doch wieder in die eigenen Hände zu
nehmen.
Da sind sie also wieder, die klassischen Frauenrollen: eine heißblütige
Geliebte und eine bedrohte Unschuld, beide jung und schön – und das allein,
unter vielen Männern. Männer jedoch werden bei Fiedler auf der Bühne
überhaupt nicht zu sehen sein. Der Regisseur hat das Stück ausschließlich
mit Frauen besetzt und damit eine Art Frauenquote für das Theater
übererfüllt.
Wenn Frauen männliche Verhaltensweisen im Kampf um die Macht spielten,
würden diese durch die Verfremdung besonders deutlich sichtbar, erklärt
Fiedler seinen Ansatz. Shakespeares Stück sei voller sexistischer
Anspielungen, die gar nicht auffielen, wenn sie ein Mann ausspreche. „Aber
wenn ich die von einer Frau höre, bin ich irritiert“, betont der Regisseur.
Neue Bilder entstünden deshalb durch die weibliche Besetzung. Und neue
Anreize für die Zuschauer, um zu reflektieren, was überhaupt männlich oder
weiblich bedeute – und welche Unterschiede es zwischen den Geschlechtern
tatsächlich gebe.
Denn dass Mann und Frau unterschiedlich sind, will auch Fiedler nicht
leugnen. Einige Gegensätze hat er in der Probenarbeit selbst entdeckt: Die
Atmosphäre, erzählt Fiedler, sei eine andere als in gemischten Ensembles
gewesen. „Die Arbeit war immer sehr ernst und sehr konzentriert“, sagt er:
„Männer nehmen die Konzentration, aber auch die Anspannung eher mal mit
einem Witz raus.“
## ■ Premiere: Sa, 10. 1., 19.30 Uhr, Schauspielhaus Hannover. Weitere
Aufführungen: 18. 1., 30. 1., 31. 1.
9 Jan 2015
## AUTOREN
Alexander Kohlmann
## TAGS
Schauspiel Hannover
Shakespeare
Gender
Hannover
Bundestag
Frauenquote
## ARTIKEL ZUM THEMA
Komponist über literarische Frauenfigur: „Sie will böse sein und darf nicht…
Den Gender-Diskurs bereichern: Der Hamburger Komponist Samuel Penderbayne
interpretiert Shakespeares Lady Macbeth neu.
Intendant bleibt in Hannover: „Das macht derzeit großen Spaß“
Lars-Ole Walburg bleibt bis 2019 Intendant in Hannover – und will etwas von
der im Theater abgeladenen Verantwortung zurückgeben an die Gesellschaft.
Gesetz zur Frauenquote: Männer werden nicht gefördert
Kurz vor der Abstimmung im Bundestag wird das Gleichstellungsgesetz noch
einmal geändert. Die Männerförderung wird so ausgehöhlt.
Quotendiskussion in der Filmbranche: Auf beiden Seiten des Tisches
Frauen führen seltener Regie und erhalten weniger Fördergelder. Franziska
Stünkel, Filmregisseurin in Hannover, kritisiert das.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.