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# taz.de -- Regisseurin Sherry Horman über Quoten: „Ich bin einfach kein Klu…
> Es fehlt dem Fernsehen an starken Frauen, sagt die Regisseurin Sherry
> Hormann. Und zeigt, wie es besser ginge.
Bild: Ja, ja, so war das früher in der DDR: Tanzen durften sie, sprechen dafü…
taz: Frau Hormann, warum haben Sie eigentlich nicht den [1][Aufruf von
ProQuote Regie], der mehr Regisseurinnen in öffentlich-rechtlichen und
öffentlich geförderten Filmen fordert, unterzeichnet?
Sherry Hormann: Ich war in ProQuote Regie – und bin wieder ausgetreten.
Warum? Es hat sich doch an den Fakten in den vergangenen zwei Jahren wenig
geändert.
Das Denken ändert sich nicht über Nacht. Wir müssen jede Chance nutzen,
starke Frauen zu erzählen. Der Blick auf Frauen in guten Geschichten ändert
vielleicht mehr als eine Quote.
Warum sind Sie ausgetreten?
Ich fand den Ansatz ursprünglich gut: Wir reden so viel über Quoten in der
Gesellschaft, schauen wir uns doch mal an, wie die Frauen in der
Filmbranche verteilt sind. Ich finde den Ansatz auch weiterhin wichtig,
aber wenn es zu Zwängen und Nebenschauplätzen kommt, geht es an der Sache
vorbei.
Welche Nebenschauplätze haben sie gestört?
Das waren Verallgemeinerungen, die ich schade finde. Wenn wir uns in
Statistiken und Normen zu sehr aufhalten und die Sprache zu laut wird, das
ist nicht zielführend. Dann wird man nicht mehr ernst genommen, im
Gegenteil, man schadet der Sache. Jede macht es halt dem eigenen Wesen
gemäß. Ich bin einfach kein Klub-Typ. Interessengemeinschaften sind
wichtig, Erfahrungsaustausch ist wichtig, nur glaube ich nicht an die Kraft
der Quote.
Welche Verallgemeinerungen meinen Sie?
Ich möchte nicht nur ob meines Geschlechts wahrgenommen werden. Ich möchte
als Kreativmensch wahrgenommen werden. Ich möchte, dass lediglich darüber
gesprochen und entschieden wird, ob der oder die richtig für den Job ist.
Wie häufig werde ich gefragt, ob ich nicht dies oder jenes machen könnte.
Dann frage ich: Warum gerade ich? Und dann geht es nur darum, dass auf dem
Panel oder in der Jury neben all den Männern noch eine Frau gebraucht wird.
Damit werden Frauen degradiert. Und ich möchte mich nicht in Zwänge
hineinbegeben, in denen ich mich aufs Frausein reduziere.
Mit einem Film wie „Lotte Jäger“ einen Stoff für die Primetime im
öffentlich-rechtlichen Fernsehen inszenieren zu dürfen, sind Sie die krasse
Ausnahme: Acht von neun Filmen werden von Männern gemacht. Woran liegt das?
Wir haben sehr viel weniger Regisseurinnen als Regisseure. Warum? Das kann
ich nicht beantworten, ich glaube aber auch nicht, dass eine Statistik die
Antwort ist. Soweit ich weiß, bewerben sich nach Abschluss eines
Filmstudiums wesentlich weniger Frauen auf dem sogenannten Arbeitsmarkt als
Männer. Aber es gibt ja mittlerweile eine ganze Menge Frauen, die Krimis
drehen. Als ich an der Filmhochschule war, war das noch eine reine
Männerdomäne, weil: „Du kannst doch gar nicht sowas Schweres tragen.“
„Lotte Jäger“ ist ja ein großer Männercast, da war sehr viel Testosteron
vertreten.
Da steht man als Frau und fragt schlicht die Männer, wie sie sich denn so
ein Saufgelage vorstellten. Es geht um einen Austausch: Was bieten die
einem an? Ich muss doch nicht auf jedem Gebiet genauso potent sein wie alle
anderen. Das gilt aber nicht nur für die Mann-Frau-Thematik, sondern für
alles: Der Film spielt zu großen Teilen in der DDR, ich bin aber kein
Mensch, der im Osten sozialisiert wurde. Im Gegenteil: Ich wurde immer an
der Grenze festgehalten, weil ich einen amerikanischen Pass habe. Aber
manchmal ist ja genau das interessant, dass jemand einen distanzierteren
Blick hat.
Und wer hatte die Idee, dass die Männer nach der volkseigenen Jagd auf dem
Jagdhaus Hubertusstock Gläser essen?
Rolf Basedow [der Drehbuchautor; d. Red.]. Das ist eine klassische
Rolf-Basedow-Idee.
Trotz all dieser saufenden, Gläser fressenden Alphamänner ist Ihr Film auch
ein Emanzipationsfilm: eine Chefin im Jetzt, die in einem Mordfall
ermittelt, der in einer Zeit und einem Umfeld – höchste Politkaste in der
DDR, Ende der 80er – stattfand, in der Frauen nur schmückendes Beiwerk
waren.
Mich hat die Hauptfigur gereizt: Sie ist eine sehr starke Frau, die die
Kohle ranschafft, während ihr Mann „nur“ musiziert, und die sich bei den
Ermittlungen auf eine ganz unaufgeregte Art in diese Männerwelt fräst. Es
gefiel mir, wie Rolf Basedow und Ralf Zöllner diese Figur geschrieben hat.
Das ist eine sehr interessante, moderne Frauenfigur, eben weil sie nicht so
auftritt: „Hey, ich bin eine patente Frau, ich kann alles.“ Sie stolpert
manchmal über ihre Unreflektiertheit, macht den Leuten, die sie befragt,
keine Angst, sie verweilt auch einfach mal und interessiert sich mehr fürs
Opfer als für die möglichen Täter, sie zeigt, dass es sich lohnt, etwas
aufzudecken – das gibt es tatsächlich selten in dem Genre Krimi, das so
stark im Fernsehen vertreten ist.
Lotte Jäger kommt an ihr Ziel, manchmal direkt, manchmal forsch, aber nie
breitbeinig. Entspricht das auch Ihnen?
Wer weiß denn, wer man ist? Und damit sind wir auch wieder bei Ihren
Anfangsfragen: Das ist es, worum es doch eigentlich geht: Wir haben hier
eine moderne Frauenfigur, von einem Mann geschrieben, von einer Frau in
Szene gesetzt.
12 Sep 2016
## LINKS
[1] http://www.proquote-regie.de/text-pro-quote/
## AUTOREN
Jürn Kruse
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Krimi
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