| # taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Nicht nur reaktionäre Ossis | |
| > Soll man Pegida-Demonstranten ein Gesprächsangebot machen oder sie | |
| > verdammen? Ein Anruf beim Dresdner Politologen Werner Patzelt. | |
| Bild: Werner Patzelt, Politologe und CDU-Mann | |
| Ein Protest gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ ist kein Ausweis von | |
| geistiger Frische. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus sind nichts, wofür | |
| man Verständnis haben müsste. Weshalb die mehrheitliche Reaktion dieser | |
| Tage ist: Pegida als Ganzes moralisch verdammen und gesellschaftlich | |
| ausgrenzen. | |
| „Wenn die Diagnose 'pure Ausländerfeindlichkeit' richtig wäre, dann wäre | |
| auch jene Position goldrichtig“, sagt Werner Patzelt. „Aber ich bezweifle, | |
| dass die Diagnose stimmt.“ Jedenfalls nicht bei der überwiegenden Mehrheit. | |
| Patzelt, 61, ist Professor für politische Systeme in Dresden. Ein Bayer mit | |
| einer dem Modischen trotzenden Lockenfrisur. CDU-Mitglied. Er gehört wie | |
| der Bürgerrechtler Frank Richter und die langjährige grüne | |
| Spitzenpolitikerin Antje Hermenau zu den Intellektuellen, die eine | |
| irritierend differenzierte und empathische Sichtweise auf einen großen Teil | |
| ihrer Dresdner Mitbürger haben, die unter der Flagge von Pegida | |
| demonstrieren. Gerade ist er auf dem Weg aus seinem Büro im Gerberbau der | |
| TU. Davor wartet ein Fernsehteam. Aber nun erst mal dieses Telefongespräch. | |
| Für Patzelt ist Pegida keine stumpfe Truppe mit intellektuell und moralisch | |
| indiskutablen Positionen. Er sieht eine „Repräsentationslücke“, einen vom | |
| Parteienspektrum und Meinungskorridor nicht repräsentierten Teil der | |
| Bürger, die nun ihre Sichtweisen und Ansprüche bekunden. Und aus deren | |
| Sicht das politische und kulturell hegemoniale Establishment genauso | |
| reagiert, wie man es ihm unterstellt hat: Es verhöhnt die | |
| Sprechschwierigkeiten, Wissens- und Denkleerstellen und lauert nur auf den | |
| einen Satz, der den Rassisten und Nazi entlarvt. Bachmann! Ha! Wussten wir | |
| es doch. | |
| Genau darum geht für Patzelt der Deutungshoheitskampf, wer oder was Pegida | |
| ist: ob die Protestierenden pauschal als Nazis ausgegrenzt werden, als | |
| Dresdner Sonderfall oder DDR-Nachwehen – oder ob Pegida als erste | |
| Massenbewegung, die von rechts kommt, das politische Sprech- und | |
| Repräsentationsspektrum erweitert. „Pegida ist der ostdeutsche Ausdruck | |
| eines bundesweiten Phänomens“ sagt Patzelt. | |
| ## Massenbewegung von rechts | |
| Man müsse den Leuten zuhören, um das „Unbegründete“ vom Begründeten zu | |
| unterscheiden. Dann blieben zwei zentrale Themen. Die Sorge angesichts der | |
| Entwicklung einer Einwanderungsgesellschaft ohne Einwanderungspolitik mit | |
| „Islamisierung“ als einem Unterkapitel. Das tief empfundene Sentiment, die | |
| politische Klasse (einschließlich „ihrer“ Medien) sei abgehoben und | |
| verachte sie („das Volk“). | |
| Bewegen müssten sich diejenigen, die für das Regieren bezahlt werden. | |
| Konkret politisch, indem sie in der Einwanderungs- und Integrationspolitik | |
| „über die Wirklichkeit so diskutieren, wie sie in den Augen aller | |
| Betroffenen aussieht“. Und zweitens, indem sie Gesprächsformen | |
| organisierten und über plebiszitäre Formen nachdächten, statt sich | |
| angeekelt wegzudrehen. | |
| Nun kann man argwöhnen, dass der Professor Pegida ein bisschen sehr | |
| aufbläst, positiv sieht oder für seine Zwecke nutzt. Das taten die | |
| mitfühlenden Beobachter des Protests gegen Stuttgart 21 womöglich auch | |
| (ich, zum Beispiel). Interessant ist, dass Pegidas zweiter Punkt auch dort | |
| zentral war: die „Lügenpack“-Anklagen gegen Politik und Medien. Das Gefüh… | |
| in der parlamentarischen Demokratie unrepräsentiert zu sein. | |
| Wenn es so sein sollte, dass da viele Menschen unter falscher Flagge | |
| Repräsentation einfordern, die politisch rechts sind, aber nicht jenseits | |
| unserer demokratischen Grundordnung; und man insistiert, dass sie Nazis | |
| sind, statt ihnen ein Angebot zu machen? Dann sind sie deshalb nicht weg. | |
| Aber sie sind verloren. | |
| 24 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
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