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# taz.de -- Pegida im Gespräch: Kummerkasten der Frustrierten
> Am Dienstag lud Sachsens Landeszentrale für politische Bildung Anhänger
> der Bewegung zum Dialog. Dabei zeigte sich, wie heterogen sie ist.
Bild: Sonst nur allein im Regen. Jetzt auch bei der Landeszentrale für politis…
DRESDEN taz | Seit sie vor zweieinhalb Monaten begannen, mit monatlichen
Demonstrationen in Dresden von sich reden zu machen, zeigten sächsische
Landespolitiker mehrfach grundsätzliche Bereitschaft zum Dialog mit den
„Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“, doch bei
diesen Ankündigungen blieb es bislang.
An diesem Montag fand erstmals unweit des Pegida-Sammelplatzes ein
öffentliches Gespräch mit einer Handvoll Sympathisanten statt. Am Dienstag
nun lud die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung zu einer
Diskussion über Pegida in ihre Räume ein.
Über 60 teils wütende Mails hatten die Landeszentrale im Vorfeld erreicht.
Ihr Direktor Frank Richter bot deren Verfassern am Dienstag einen Raum, in
dem sie sich äußern konnten. „Warum (nicht) zu Pegida gehen?“ war die sta…
besuchte Veranstaltung überschrieben. „Es gibt heute nicht die Guten und
die Bösen“, schickte der ehemalige Seelsorger, der sich 1989 als
Bürgerrechtler einen Namen gemacht hat, der „Fishbowl“-Diskussion in
Kreisform voraus.
Es waren überwiegend Pegida-nahe Bürger, ausschließlich Männer und meist in
reiferem Alter, die das Angebot eines öffentlichen Kummerkastens nutzten –
die zahlreichen Gäste im Veranstaltungssaal der Landeszentrale, in ihrer
Mehrheit Pegida-Kritiker, hörten ihnen länger als zwei Stunden geduldig zu.
Zeitweise glich die Veranstaltung deshalb eher einer Anhörung als einer
Diskussion. Deutlich wurde, dass sich hier Bürger äußerten, die sich weder
in einer der etablierten Parteien noch in den Medien repräsentiert fühlen –
offenbar Nichtwähler oder AfD-Wähler, deren Zahl in Sachsen besonders hoch
gewesen ist.
## Totalfrustration als Band
„An wen kann man sich noch halten?“, fragte etwa ein Einwohner des Dresdner
Stadtteils Klotzsche, wo es Proteste gegen ein geplantes Asylbewerberheim
gibt. Diese Totalfrustration schien das einzige einigende Band der
Pegida-Bewegung zu sein, die sich an diesem Abend als völlig heterogen
erwies.
Von einer „Vertrauenskrise in alles“ sprach ein Mitarbeiter der
Landeszentrale, der die eingegangenen Mails analysiert hatte. Unter den
Absendern seien offensichtlich auch viele Verlierer sozialer Prozesse.
Diese Bürger fühlten sich ohnmächtig und im Stich gelassen. Es herrschten
Ängste vor dem eigenen Abstieg, vor Überfremdung und einem radikalen Islam,
aber auch gegenüber anderen weltpolitischen Entwicklungen.
Für die Destabilisierung islamisch geprägter Länder wurden vielfach die USA
verantwortlich gemacht; andererseits wurden Sympathien für Russlands
Präsidenten Wladimir Putin und die russische Politik geäußert, die an die
sozialistische „Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ (DSF) erinnerten.
Konkrete und persönliche schlechte Erfahrungen wurden meist im Zusammenhang
mit der Unterbringung von Asylbewerbern berichtet.
Zur Sprache kamen aber auch positive Beispiele, wie Bürger in
Entscheidungen über Heime einbezogen wurden. Rationale Begründungen für die
eigene Distanz zum politischen System wurden hingegen kaum laut. Auffällig
war der Ruf nach einem starken Staat, der vielen Beobachtern als typisch
für Pegida gilt.
## Medienschelte bekam Beifall
Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden konstatierte
schließlich ein „Repräsentationsloch“. Offensichtlich spiele dabei auch
eine Rolle, dass sich der politische Diskurs nach seiner Meinung in den
vergangenen Jahren nach links verschoben habe. Volksparteien wie die Union
bedienten den rechten Rand nicht mehr.
Um aufklärerische Werte oder zivilgesellschaftliches, gar solidarisches
Engagement ging es dagegen so gut wie gar nicht. Der pensionierte
evangelische Pfarrer Wilfried Weißflog beließ es vielmehr bei seiner
Skepsis gegenüber dem Islam. „Die Welt im Namen des Islam ist seit vier
Jahrzehnten keine bessere geworden“, mahnte der Superintendent im
Ruhestand.
Wie schon bei den Pegida-Demonstrationen bekam aber Medienschelte den
meisten Beifall. Als der Journalist Oliver Reinhard von der Sächsischen
Zeitung ironisch bemerkte, offenbar seien Zeitungen für manche nur dann
gut, wenn sie die eigene Meinung widerspiegelten, wurde er mehrheitlich und
lautstark ausgebuht.
7 Jan 2015
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
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Dresden
Sachsen
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Schwerpunkt AfD
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