# taz.de -- Entspannungspolitik mit Russland: Signal ohne Echo | |
> Angela Merkel versucht Putin mit einer Friedensdividende zu locken – doch | |
> der reagiert nicht. | |
Bild: „Ja, bitte?!“ – Körpersprache, Herr Putin, Körpersprache... | |
BERLIN/MOSKAU/BRÜSSEL taz | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und | |
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) funken von Davos aus | |
Entspannungssignale Richtung Moskau. Merkel strebt einen gemeinsamen | |
Wirtschaftsraum von EU und der russisch dominierten Eurasischen Union an – | |
falls der Krieg in der Ukraine beendet wird. Danach wolle man über eine | |
Freihandelszone vom Atlantik bis zum Pazifik verhandeln. Damit könnten „die | |
Assoziierungsschwierigkeiten zwischen EU und Ukraine“ (Merkel) geklärt | |
werden. | |
Die ukrainische Wirtschaft ist mit der russischen eng verflochten. Beide | |
befinden sich wegen des Krieges und der Sanktionen gegen Moskau im | |
Sinkflug. Eine ähnliche wirtschaftliche Verbindung der EU zu Moskau und | |
Kiew, so Merkels Kalkül, wäre eine verlockende Friedensdividende. Moskau | |
reagierte indes bis Freitagnachmittag nicht auf die Offerte. | |
Den grünen Außenpolitik-Experten Jürgen Trittin überrascht diese | |
Zurückhaltung nicht. „Das durchkreuzt Putins Narrativ, dass der Westen | |
Russland wirtschaftlich kaputtmachen will“, so Trittin zur taz. Merkels | |
Vorschlag weise in die richtige Richtung. Eine West-Anbindung Russlands | |
liege „im ureigenen Interesse der EU“. Eine Öffnung der Märkte wäre eine | |
„Win-win-Situation für alle Seiten“. | |
Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der in Moskau erscheinenden Zeitschrift | |
Russia in Global Affairs, hat Verständnis für das Schweigen der russischen | |
Regierung. Bis jetzt sei die EU nicht bereit, die Eurasische Union als | |
Dialogpartner anzuerkennen. „Die EU-Haltung ist: Bevor wir reden, soll die | |
Eurasische Union erst mal ihre Lebensfähigkeit beweisen.“ Merkels Vorschlag | |
ziele offenkundig darauf, das wegen der Ukraine eingefrorene Verhältnis der | |
EU zu Moskau anzutauen. In der Eurasischen Union gebe es jedoch sehr | |
unterschiedliche Positionen zur Ukrainekrise. „Weißrussland und Kasachstan | |
haben da eine andere Haltung als Russland“, so Lukjanow. Insofern habe der | |
Vorschlag einen taktischen Beiklang. | |
## Keine neue Idee | |
Lukjanow glaubt gleichwohl, dass Russland und die Eurasische Union, der | |
zudem Armenien und Kirgistan angehören, auf das Angebot eingehen sollten. | |
„Sie wollten die Annäherung an die EU ja immer.“ Dafür sei allerdings ein | |
kompletter Neustart nötig. „Zwei so riesige Institutionen wie die EU und | |
die Eurasische Union, mit ihren komplizierten Binnenstrukturen, brauchen | |
ein neues System wechselseitiger Beziehungen.“ | |
Neu ist die Idee eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes keineswegs. Schon | |
Gorbatschow skizzierte 1989 einen Verbund vom Atlantik bis zum Ural. 2003 | |
hatten die EU und Russland beim Gipfel in Rom sogar schon ein Konzept für | |
einen gemeinsamen Wirtschaftsraum fixiert. Doch es blieb bei den Zielen. | |
In der EU trifft Merkels Anregung auf ein gemischtes Echo. Kommissionschef | |
Jean-Claude Juncker und seine Außenbeauftragte Federica Mogherini fordern | |
schon lange neue Angebote an Russland. Mogherini möchte sogar über ein Ende | |
der Sanktionen reden – allerdings sind Großbritannien und Polen strikt | |
gegen eine Lockerung der Sanktionen. Die Fronten sind verhärtet. | |
Eckhard Cordes, Chef des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft, gibt die | |
Hoffnung nicht auf. „Es ist gut, dass führende Politiker in Deutschland und | |
der EU die Idee des gemeinsamen Wirtschaftsraumes in Europa nun aktiv | |
vorantreiben“, so Cordes. Brüssel habe „sich lange dagegen gesträubt“. … | |
gebe es dort ein vorsichtiges Umdenken. | |
23 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Klaus-Helge Donath | |
Eric Bonse | |
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