# taz.de -- Straffällige Jugendliche: Hamburg sperrt in Bremen ein | |
> Ein neuer Träger, an dem die Stadt Hamburg beteiligt ist, soll in Bremen | |
> ein geschlossenes Heim einrichten. Dabei gibt es in beiden Städten | |
> erfolgreiche Alternativen. | |
Bild: Seit die Haasenburg-Heime geschlossen wurden, sucht Hamburg eine Alternat… | |
HAMBURG taz | Die Länder Hamburg und Bremen machen jetzt bei der | |
geschlossenen Unterbringung gemeinsame Sache. So hat der rot-grüne Senat in | |
Bremen hat beschlossen, dass "kurzfristig mit einem Träger aus Hamburg | |
verhandelt werden soll", um eine Kooperation für den befristeten Betrieb am | |
Standort der Vollzugsanstalt Fuchsberg zu vereinbaren. | |
Als späterer Standort ist das frühere Jugendgefängnis Blockland im | |
Gespräch. Anja Stahmann (Grüne) sei gebeten worden "eine entsprechende | |
Vereinbarung zu schließen", teilte der Senat am Freitag mit. | |
Auch die Hamburger Sozialbehörde bestätigt den Vorgang. "Da laufen | |
Gespräche", sagt der Sprecher von Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), | |
Oliver Klessmann. Er bestätigt auch, dass es sich dabei um jenen Träger | |
handelt, den die Stadt Hamburg im vorigen Jahr extra für ein geschlossenes | |
Heim gegründet hat, weil sich kein anderer Jugendhilfeträger dafür hergibt. | |
Die Gesellschaft heißt "PTJ - Pädagogisch Therapeutische Jugendhilfe GmbH" | |
und gehört zu zehn Prozent der Stadt Hamburg. Die übrigen Anteile zu je 45 | |
Prozent halten ein gewerblicher Jugendhilfeträger und die gemeinnützige | |
Grone-Schulen Niedersachsen GmbH. | |
Mit dem Deal könnten sich beide Städte aus einer Verlegenheit helfen. Denn | |
in Bremen fand sich offenbar kein Träger, der diese Aufgabe übernehmen | |
wollte. Und Hamburg wollte das Heim partout außerhalb der Stadt haben, fand | |
aber keinen Standort. Jede Nachbarkommune, die dies zulässt, hätte | |
automatisch für Heimaufsicht und Betriebserlaubnis zu sorgen - und hätte | |
damit auch die politische Verantwortung an den Hacken. "Kann sein, dass es | |
der Standort Bremen wird", sagt Klessmann nun. Im Klartext heißt das: Auch | |
Hamburger Jugendliche sollen in dieses Heim. | |
Für die Hamburger Grünen ist der Vorgang ärgerlich. Denn wenn in dieser | |
Woche im Hamburger Rathaus die Verhandlungen über eine rot-grüne Koalition | |
weitergehen, geht es um die Themen "Kinder, Jugend und Soziales" - und | |
damit auch um das Thema Geschlossene Unterbringung. Doch die Grüne | |
Jugendpolitikerin Christiane Blömeke lehnt Erziehung hinter Mauern ab. Sie | |
und ihre Partei haben das auch im im gerade abgelaufenen Wahlkampf offensiv | |
vertreten. | |
Wenn die Grünen in den Ring steigen, haben sie durchaus Argumente. In | |
Bremen liegt frisch eine Evaluation über "soziale Trainingsmaßnahmen" für | |
straffällige Jugendliche vor, [1][die sich als Alternative zum Einschließen | |
bewährten]. Und auch in Hamburg unterstützt die dortige Sozialbehörde seit | |
April 2014 eine Einrichtung, die ein solches Heim überflüssig machen | |
könnte: die "Koordinierungsstelle individuelle Unterbringung" beim | |
Paritätischen Wohlfahrtsverband. | |
Dass dieses Projekt "die Alternative" zu geschlossen Heimen sei, hört die | |
dort arbeitende Pädagogin Maren Peters allerdings nicht so gern. Sie und | |
ihre Kollegin Carolin Becker sprechen lieber von dem, was sie in einem Jahr | |
gelernt und erreicht haben: Ihre kleine Stelle hält einen "Fallverbund" von | |
Trägern zusammen, die gemeinsam die Verantwortung für schwierige Fälle | |
übernehmen. Bisher gab es 22 Anfragen an den Verbund. "15 davon haben wir | |
im Fallverbund besprochen. Alle wurden versorgt", sagt Becker. | |
Das heiße nicht, "dass man einen Jugendlichen in eine Wohngruppe steckt, so | |
wie man eine Pflanze eintopft", relativiert Maren Peters. Es gehe darum, | |
einen Prozess in Gang zu setzen, der auch scheitern könne. Vieles, was | |
schief läuft, habe nichts mit dem Kind, sondern mit dem Hilfesystem zu tun. | |
"Es ist ein Modellprojekt, um zu herauszufinden, was gelingt und was | |
nicht", sagt Geschäftsführer Joachim Speicher. "Wenn es heißt, man sei mit | |
dem Latein am Ende, machen wir mit Französisch weiter." | |
Ein 13-Jähriger, der schon einige Straftaten beging und sich allein zuhause | |
hinter seinem Computer verschanzte, lehnte es partout ab, in eine | |
Wohngruppe zu ziehen. Peters nahm sich die Akten vor und holte alle | |
beteiligten Institutionen an einen Tisch. "Wir haben geguckt, wo kann man | |
andocken, was will der", berichtet sie. "Doch es hieß, der will nichts | |
außer PC-Spielen, kiffen und chillen." Doch schließlich fand ein ambulanter | |
Betreuer heraus, dass der Junge wieder in die Schule möchte. Peters fand | |
ein Projekt, das solchen Kindern den Schul-Einstieg ermöglicht. | |
Auch ein anderer 13-Jähriger, der sogar aus einem geschlossenen Heim flog, | |
nimmt heute mit Begeisterung an diesem Schulprojekt teil. Er war eine | |
Zeitlang quasi obdachlos und nahm Drogen. Es fand sich bei der Fallanalyse | |
ein ambulanter Betreuer, den er schon als Kind kannte, und der ihm wieder | |
an die Seite gestellt wurde. Und man fand heraus, dass er gut in eine | |
Wohngruppe mit Älteren passt, in die er behutsam eingegliedert wurde, indem | |
er zunächst nur einmal pro Woche zu Besuch kam. | |
Auch für eine 16-Jährige, die lange Zeit in einer Übergangsunterkunft für | |
Straßenkinder lebte, war es schwer, eine Wohngruppe zu finden. In einer | |
durfte sie nicht rauchen und nicht nach zehn Uhr auf die Straße, deshalb | |
flog sie nach drei Woche wieder raus. | |
Nun versucht sie es in einer anderen. "Das Gute ist, dass sie jetzt eine | |
ambulante Betreuerin hat, die bleibt an ihrer Seite bis sie 18 ist", | |
berichtet Peters. Von den Kosten her sei das zwar teuer, aber niemals so | |
teuer wie ein geschlossenes Heim. | |
Insgesamt brauche man, um Jugendliche zu erreichen, mehr | |
Straßensozialarbeit, sagt Geschäftsführer Speicher. Nur sei dies in der | |
Politik gerade "nicht so en vogue". | |
Die Koordinierungsstelle ist ein Erfolg: Laut Statistik hat Hamburg 2014 | |
keine Jugendlichen mehr geschlossen untergebracht. Vor Kurzem fragte ein | |
Vormund Peters, ob sie einen geschlossenen Platz habe: Sein Mündel sei aus | |
der Psychiatrie entlassen und wolle nicht mehr leben. Doch was sein Mündel | |
sonst will, wusste er nicht. Für Peters ist das der Punkt, einzuhaken. | |
"Irgendetwas will ein Kind immer." | |
22 Mar 2015 | |
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## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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