# taz.de -- Die Grünen und das Heim: Alle an einen Tisch | |
> Bremens grüne Bürgerschaftsfraktion will Alternativen zur geschlossenen | |
> Jugendhilfe-Einrichtung ausloten – und folgt so dem Koalitionsvertrag. | |
Bild: Über den Umgang mit jugendlichen Flüchtlingen ist rot-grün uneins | |
BREMEN taz | Am Mittwoch veranstaltet die Bürgerschaftsfraktion der Bremer | |
Grünen eine öffentliche Anhörung zum Thema „Alternativen zur geschlossenen | |
Jugendhilfe-Einrichtung für kriminelle Jugendliche“. Dabei hat sich der | |
Landesverband am Wochenende erst zum Koalitionsvertrag bekannt, der | |
vorsieht, eine geschlossene Jugendhilfeeinrichtung für minderjährige | |
unbegleitete Flüchtlinge zu schaffen. | |
Der Landesmitgliederversammlung vorausgegangen war der Vorstoß von | |
ex-Fraktionschef Matthias Güldner und ex-Sozialstaatsrat Horst Frehe: Sie | |
wollten, dass sich ihre Partei gegen eine geschlossene Einrichtung | |
ausspricht. „Wir stehen zum Koalitionsvertrag“, sagt Güldners | |
Fraktionskollegin Susanne Wendland, die sich bereits im Wahlkampf gegen | |
geschlossene Jugendhilfeeinrichtungen positioniert hatte, „aber dort steht | |
auch deutlich, dass der Fokus erst einmal auf Maßnahmen gelegt werden muss, | |
die einen Freiheitsentzug verhindern.“ Dieser Passus sei noch nie in den | |
Blick genommen worden. | |
Bis zu einer geschlossenen Einrichtung ist es noch ein weiter Weg: Zwar | |
gibt es noch immer den – extra von der Stadt Hamburg gegründeten – Träger, | |
der ein Heim in Bremen betreiben würde (taz berichtete), aber weder gibt es | |
eine Immobilie noch ein Konzept. „Der Standort Blockland ist nach wie vor | |
in der Diskussion, aber da wird wohl neu gebaut werden müssen“, sagt Bernd | |
Schneider, Sprecher von Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). Mitte | |
vergangener Woche wollten sich die Sozialstaatsräte Hamburgs und Bremens | |
zum einem Gespräch über Ziele und Konzepte der Einrichtung treffen, die | |
Zusammenkunft musste aus Krankheitsgründen jedoch vertagt werden. | |
„Mindestens drei Jahre wird es dauern, bis es in Bremen eine solche | |
Jugendhilfeeinrichtung gibt“, prognostiziert Wendland. | |
Alternativen müssen also her – denn momentan landen viele der | |
Minderjährigen im Jugendgefängnis: „Es geht hier nicht nur um minderjährige | |
Flüchtlinge, sondern um Jugendhilfe-Konzepte insgesamt“, sagt Wendland. Und | |
dazu habe es noch immer keine Fachdiskussion gegeben: „Die Personen, die | |
bei der Anhörung zusammenkommen, saßen noch nie gemeinsam an einem Tisch.“ | |
Zu denen gehören Polizeipräsident Lutz Müller, Helmut Pollähne vom | |
Kriminalpolitischen Arbeitskreis, ein Vertreter des Sozialressorts sowie | |
Vertreter von Jugendhilfeträgern, unter ihnen Arnold Knigge (SPD), Sprecher | |
der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (LAG). „Wir stehen | |
einer geschlossenen Einrichtung sehr kritisch gegenüber – die Erfahrungen | |
mit den Hasenburg- und Friesenhof-Heimen haben da eine deutliche Sprache | |
gesprochen“, sagt der ex-Staatsrat. | |
Knigge könnte sich einen Kooperationspool vorstellen, wie es ihn in Hamburg | |
bereits gibt: „Da kommen festgenommene Jugendliche 24 Stunden in Haft, dann | |
für 24 Stunden in Obhutnahme, und in dieser Zeit wird entschieden, ob hier | |
eine Drogentherapie, eine psychiatrische Therapie oder Erziehungsmaßregeln | |
angezeigt sind.“ Es bräuchte auf einzelne Jugendliche zugeschnittene | |
Konzepte: „Und das ist auch machbar, denn so viele, wie stets kolportiert, | |
sind es ja gar nicht.“ | |
Zumindest nicht so viel wie Ende Oktober vom Weser-Kurier behauptet: Dort | |
hieß es, im September seien 2.823 Straftaten von Minderjährigen begangen | |
worden; verantwortlich für 1.050 Taten seien unbegleitete | |
Flüchtlingsjugendliche. Die Zahlen beziehen sich aber auf die Zeit vom 1. | |
September 2014 bis 30. September 2015 – korrigiert wurde der Fehler nicht. | |
Anhörung: 11. November, 18.30 Uhr, Wall-Saal der Stadtbibliothek | |
10 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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