# taz.de -- Atomstreit mit dem Iran: Der Deal ändert die Region | |
> Verlierer des Atomabkommens sind der IS und Saudi-Arabien. Wenn alle an | |
> einem Strang ziehen, könnte sogar der Syrien-Konflikt gelöst werden. | |
Bild: Der Atomstreit hatte auch stets wirtschafliche Konsequenzen für Iran: am… | |
KAIRO taz | Es kann getrost als die größte strategische Zäsur des | |
vergangenen Jahrzehntes bezeichnet werden. Das vergangene Woche | |
geschlossene Rahmenabkommen im Atomstreit mit dem Iran wird nachhaltige | |
Folgen für die Macht- und Kräfteverhältnisse in der Region des Nahen und | |
Mittleren Ostens nach sich ziehen. | |
Zahlreiche der anhaltenden Krisen von Syrien über den Irak bis hin zu den | |
Spannungen im Libanon und heute im Jemen waren auch Ergebnis des Versuchs, | |
mit dem Iran eine der wichtigsten Regionalmächte aus dem internationalen | |
System auszuschließen. Teheran war in der regionalen Konkurrenz mit der | |
Türkei und Saudi-Arabien dabei nie stark genug, in der gesamten Region den | |
Ton anzugeben, aber immer stark genug, jeden Versuch eines politischen | |
Ausgleichs etwa in Syrien zu torpedieren. Der Iran ist der wichtigste | |
Verbündete des Regimes von Baschar al-Assad. | |
Ein aus dem internationalen System ausgeschlossener Iran wirkt destruktiv, | |
ein eingebundener kann konstruktiv wirken. Erste Anzeichen dafür konnte man | |
im Kampf gegen die Dschihadisten des Islamistischen Staates (IS) im Irak | |
erleben. Dort kam es zu einer Koordination zwischen den USA und dem Iran, | |
meist mit der irakischen Regierung in Bagdad als Mittler. Bei der | |
Rückeroberung der irakischen Stadt Tikrit bombardierten amerikanische | |
Kampfjets von oben, während iranische Generäle offen am Boden die | |
irakischen Truppen dirigierten. | |
Keine Seite hängte diese De-facto-Zusammenarbeit an die große Glocke. Klar | |
ist: Mit dem IS haben die USA, Europa und der Iran einen gemeinsamen Feind. | |
Mit dem Nukear-Deal kann dieser gemeinsame Anti-IS-Nenner nun zu einer | |
offenen Zusammenarbeit ausgeweitet werden. Die Machtverhältnisse haben sich | |
damit zum Nachteil der Dschihadisten verschoben. Es wird aber eine wichtige | |
Aufgaben des Westens sein, auch Iraks Sunniten in den Kampf gegen den IS | |
miteinzubeziehen. Die neue Kooperation mit dem Iran darf nicht dazu führen, | |
dass der Westen als Teil eines militärisch-schiitischen Feldzuges gegen die | |
Sunniten in der Region wahrgenommen wird. | |
## Der Konkurrent Iran | |
Der zweite Verlierer neben dem IS ist Saudi-Arabien, dessen ganze | |
Außenpolitik darauf ausgerichtet ist, den Einfluss seines Konkurrenten Iran | |
einzudämmen. Dafür hat das ölreiche Königreich gerade einen Krieg im Jemen | |
begonnen. Für die Saudis bedeutet der Nuklear-Deal mit dem Iran eine Art | |
Super-GAU. | |
Das weiß auch US-Präsident Barack Obama, der gleich nach Verkündung des | |
Deals direkte Gespräche mit den Saudis und den anderen Golfstaaten suchte. | |
Es geht dabei darum, den Iran international an Bord zu holen, ohne | |
Saudi-Arabien als Partner zu verlieren. Erst nach diesen Gesprächen kam | |
Israels Premier Benjamin Netanjahu dran. Auch das neu: Israel ist eher eine | |
strategische Belastung als ein strategisches Guthaben. | |
Neben einer gemeinsamen Bekämpfung des IS eröffnen sich langfristig weitere | |
Möglichkeiten. Wenn es gelingt, dass die internationale Gemeinschaft | |
endlich einmal an einem Strang zieht, könnte sogar der Syrien-Konflikt zu | |
einem Ende gebracht werden. Auch die Medien müssen dabei umdenken und | |
sollten bei der Suche nach Lösungen, etwa für Syrien, etwas weniger nach | |
Washington, dafür aber etwas mehr nach Teheran, Istanbul oder Riad schauen. | |
Die wichtigste Lehre aus diesem Kapitel der Beziehungen des Westens mit dem | |
Iran: Die Zeiten haben sich geändert, seit die USA und Europa die Politik | |
im Nahen Osten mithilfe ein paar verbündeter arabischer Diktatoren und | |
Israels fast im Alleingang bestimmt haben. Heute lässt sich keine Politik | |
mehr gegen eine der großen Regionalmächte Iran, Türkei und Saudi-Arabien | |
durchsetzen. Das macht die Welt sichtlich komplizierter, aber vielleicht | |
ist damit auch das letzte Kapitel des Kolonialismus zu Ende geschrieben. | |
6 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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