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# taz.de -- Verkehrsministerkonferenz in Rostock: Redet übers Rad!
> In Rostock tagen die Verkehrsminister. Es geht mal wieder nicht ums
> Fahrrad. Eine Argumentationshilfe, falls doch noch jemand drüber reden
> will.
Bild: Alles voller Radfahrer. Geredet wird trotzdem nicht darüber.
Liebe Verkehrsminister,
bevor Sie mit Ihrer zweitägigen Verkehrsministerkonferenz in Rostock
beginnen, möchte ich Sie um einen kurzen Blick auf die Tagesordnung bitten:
Aktionsplan Güterverkehr und Logistik, Automatisiertes Fahren,
Elektromobilität, Entwurf für ein Schienenpersonenfernverkehrsgesetz,
Auswirkungen der Neufassung der Technischen Regeln für Arbeitsstätten
ASRA5.2 auf die Realisierbarkeit von Baumaßnahmen, Luftverkehr,
Schifffahrtsverwaltung, Verschiedenes. Fertig.
Fehlt da nicht was? Kleiner Tipp: Die Antwort lautet 82.
82 Prozent der Deutschen wünschen sich weniger Autos in den Städten und
mehr öffentlichen Nahverkehr, mehr Fuß-, mehr Radwege. Das hat vor zwei
Wochen eine Umfrage ergeben. Die stammt nicht von irgendwelchen
Radellobbyisten, sondern wurde von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks
(SPD) in Auftrag gegeben.
82 Prozent, das sind ziemlich genau so viel, wie CDU, CSU, SPD, Grüne und
Linke bei der letzten Bundestagswahl zusammen an Stimmen geholt haben. Also
eine ganze Menge. Mit anderen Worten: Es tut sich was da draußen im
angeblichen Autofahrerland. Nur in Ihre Tischvorlage ist das noch nicht
vorgedrungen.
## Deutlicher Zuwachs
Dabei würde ein kurzer Blick auf die Straßen einer x-beliebigen deutschen
Stadt genügen. Alles voller Radfahrer! Und das liegt nicht am gerade
beginnenden Frühling. Das ist ein jahrelanger Trend. Warum sich der in
offiziellen Statistiken noch nicht niedergeschlagen hat? Weil es die
praktisch nicht gibt. Die jüngsten öffentlich zugänglichen
Verkehrszählungsdaten für Berlin zum Beispiel stammen aus dem Jahr 2008.
Schon damals wurden dort 13 Prozent aller Wege per Rad zurückgelegt.
Stichproben lassen seither einen deutlichen Zuwachs erkennen. Experten
gehen davon aus, dass der Radleranteil in der Innenstadt bei 25 Prozent
liegt.
Auf viel mehr kommen die Autofahrer auch nicht. Von Verkehrspolitikern wird
dieser Umschwung zwar wahrgenommen – aber nur als Problem. Sie stöhnen über
Kampfradler, diskutieren über eine Helmpflicht und beklagen die stetig
steigende Unfallzahl. Tatsächlich wurden laut Polizeistatistik in Berlin
2009 nur 3,2 Prozent aller Unfälle von Radlern verursacht, fünf Jahre
später waren es schon 4,1 Prozent. Wenn ihr Anteil am Verkehrsaufkommen
aber fünf- bis sechsmal so groß ist, zeigt das nur eins: Kein Fahrzeug ist
sicherer als das ohne Motor.
## Jährlich nur ein Euro pro Berliner
Bei der letzten großen Verkehrsrevolution war Deutschland ganz vorn dabei.
1924, als die Autos die Städte eroberten, wurde auf dem Potsdamer Platz in
Berlin die erste Ampel Europas errichtet. Und 90 Jahre später? In New York
gibt es breite Radspuren, Paris trumpft mit einem kostenlosen Radverleih
auf, in Frankreich und Holland gibt es Verkehrsschilder, die Radlern das
Rechtsabbiegen und teilweise sogar das Geradeausfahren an roten Ampeln
gestatten, und in Kopenhagen wurden Schnellstraßen und Brücken exklusiv für
Radler gebaut. Die dänische Hauptstadt investiert jährlich 20 Euro pro
Einwohner in den Radverkehr, die deutsche gerade mal einen einzigen.
Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten!, haben die Ökos jahrzehntelang
gemeckert. Und Sie, liebe Verkehrsminister, haben dann stets gesagt, nein,
nein, es ist umgekehrt, wir müssen die Straßen ausbauen, damit all die
Autos, die eh schon da sind, Platz finden. Nun denn, bleiben Sie sich treu,
bauen Sie Radwege für all die Radler, die eh schon unterwegs sind. Zumal
viele von denen – anders als die konservativen Autofahrer – tatsächlich
Fahrzeuge mit Elektroantrieb kaufen. Und „Elektromobilität“ ist ja gerade
Thema bei Ihnen.
Falls Sie jetzt auch mal ausprobieren wollen, worum es geht: Ihr
Tagungshotel in Rostock verleiht Räder, unten an der Rezeption. Bis zum
Bahnhof sind es nur zwei Kilometer. Das schaffen auch Ungeübte. Oder radeln
sie heute Abend ein wenig um den Hafen. So an der frischen Ostseeluft, da
kommt man auf ganz neue Gedanken.
16 Apr 2015
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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