| # taz.de -- Tödliche Radunfälle: Völlig Panne! | |
| > Radfahren auf Berlins Straßen ist gefährlich. Dass die Verkehrspolitik | |
| > trotzdem wenig tut, findet unser Autor unerträglich. | |
| Bild: Wer Rad fährt, lebt gefährlich | |
| Es ist wie ein Fluch: Immer und immer wieder geraten Radfahrerinnen und | |
| Radfahrer unter abbiegende Lkws. Schwere Unfälle, die oft tödlich ausgehen | |
| – so wie am vergangenen Mittwoch. Ein 30-Jähriger auf der Kreuzung | |
| Reichenberger/Glogauer Straße in Kreuzberg war der erste tote Radfahrer, | |
| den Berlin in diesem Jahr zu beklagen hat, und auch wenn es zynisch klingt: | |
| Er wird nicht der einzige bleiben. Die Statistik ist unerbittlich: Seit | |
| 2005 sind im Durchschnitt jedes Jahr zehn radfahrende Menschen im Verkehr | |
| gestorben. | |
| Nicht, dass man solche Unglücke vollkommen ausschließen könnte. Menschen | |
| begehen nun mal Fehler. Aber natürlich könnte die Verkehrsplanung mehr tun, | |
| um das Risiko zu minimieren. Viel mehr. Nur wird dem selbst gewählten Image | |
| der „Fahrradstadt“ zum Trotz in der Berliner Radverkehrspolitik auf | |
| reichlich kleiner Flamme gekocht. Man ist fast schon peinlich berührt, es | |
| wieder mal aufzuschreiben. | |
| ## Nur ein Euro pro BerlinerIn | |
| Die Radzeit, Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs e. V. | |
| (ADFC), hat es gerade noch einmal vorgerechnet: Fünf Euro pro Kopf und pro | |
| Jahr gelten laut Nationalem Radverkehrsplan der Bundesregierung als | |
| Zielmarke für Investitionen in den Radverkehr. Aber Rot-Schwarz an der | |
| Spree denkt gar nicht daran: Mit je sechs Millionen Euro, die im | |
| Doppelhaushalt 2014/ 2015 für die Reparatur bestehender und den Bau neuer | |
| Radverkehrsinfrastruktur vorgesehen sind, macht die Koalition bloß ein | |
| gutes Drittel der rechnerischen Summe locker – und ein großer Teil der | |
| Mittel wird dank Haushaltssperren und Personalnot in der Verwaltung am Ende | |
| gar nicht ausgegeben. 2014 war es deshalb kaum mehr als ein Euro, der pro | |
| BerlinerIn für Radwege und Co. ausgegeben wurde. Daran, was man mit den | |
| Extra-Milliarden, die der BER verschlingt, so alles auf den Straßen | |
| verbessern könnte, darf man gar nicht denken, so deprimierend ist es. | |
| Das Geld, das fehlt, würde Radfahren in Berlin komfortabler und somit | |
| populärer machen – vor allem aber auch sicherer. „Fehlende oder unsanierte | |
| Radwege und Radstreifen, unsinnige und gefährliche Radverkehrsführungen an | |
| Kreuzungen, zugeparkte Radstreifen, Radverkehrsanlagen, die im Nichts enden | |
| oder in den fließenden Autoverkehr hineingeführt werden“, all das beklagt | |
| Andreas Baum, Verkehrsexperte der Piratenfraktion, zu Recht. Aber auch die | |
| Unterausstattung außerhalb der eigentlichen Radverkehrstöpfe trägt zur | |
| Gefährdungslage bei: Baum weist darauf hin, dass sich die Lähmung der | |
| Verkehrslenkung Berlin (VLB) zwar langsam herumgesprochen hat, die Folgen | |
| für Radfahrer aber unterbelichtet sind. „Bei Baustellen steht Berlinerinnen | |
| und Berlinern, die mit dem Rad unterwegs sind, häufig nicht mal ein | |
| Mindestmaß an Raumangebot und damit Sicherheit zur Verfügung.“ | |
| Mithilfe einer schriftlichen Anfrage an die Verkehrsverwaltung haben die | |
| Piraten auch den mickrigen Stellenwert des Fahrrads dokumentiert, der sich | |
| im Personalschlüssel von Landes- und Bezirksbehörden ausdrückt. Raten Sie | |
| mit: Wie viele Planstellen sind auf Landesebene ausschließlich dem | |
| Radverkehr zugeordnet? Antwort: eine. Rechnet man alle Teilstellen, auch in | |
| den Bezirken, zusammen, kommt man mit gutem Willen auf fünf Menschen, die | |
| sich in der Millionenstadt in Vollzeit ums Rad kümmern. Einen | |
| Radfahrbeauftragten gibt es seit Jahren nicht mehr. | |
| ## Peinliche Kampagne | |
| Und was macht die Politik? Rühmt sich für eine extrem peinliche Kampagne, | |
| die nunmehr in die „vierte Saison“ geht und dieses Jahr mit 150.000 Euro | |
| ausgestattet wird. „Berlin nimmt Rücksicht“ nennt sie sich, den meisten | |
| Berlinern wird sie durch Plakate bekannt sein, auf denen Verkehrsteilnehmer | |
| dem Betrachter eine blaue Dose entgegenstrecken, die – sehr originell – | |
| einen Energydrink namens „Rücksicht“ enthält. Eine Website mit lachhaften | |
| Erklärfilmchen gehört dazu und der ein oder andere Radiospot. Ein „ganz | |
| wichtiger Baustein unserer Radverkehrsstrategie“ sei die Kampagne, ist sich | |
| der neue Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) nicht zu schade zu verkünden. | |
| Das lässt tief blicken. | |
| Ein rostiges City-Bike, das quietscht und eiert, aber dafür mit einem | |
| hübschen neuen Ledersattel ausgestattet ist – so muss man sich die | |
| „Fahrradstadt Berlin“ vorstellen. Nicht alles ist schlecht, aber wenig ist | |
| gut. Manche müssen das mit ihrem Leben bezahlen. | |
| 4 May 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prösser | |
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