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# taz.de -- Prozess in Lüneburg: Kassenwart redet über Auschwitz
> Im Auschwitz-Verfahren schildert der Angeklagte Gröning den Dienst an der
> Rampe. Sein Lagerleben sei das eines gewöhnlichen Buchhalters gewesen.
Bild: Erlebte in Auschwitz keine Exzesse, alles sei geordnet gewesen: Oskar Gr�…
LÜNEBURG taz | Im Lüneburger Auschwitz-Prozess ist die Vernehmung des
Angeklagten Oskar Gröning am Donnerstag beendet worden. Auf die Nachfragen
des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger bestand der
93-Jährige darauf, lediglich dreimal an der Rampe des Vernichtungslagers
Auschwitz-Birkenau Dienst getan zu haben.
Gröning ist wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen angeklagt,
weil seine Tätigkeit als SS-Unterscharführer in Auschwitz die Ermordung
dieser aus Ungarn deportierten Menschen im Frühsommer 1944 ermöglicht habe.
Auf Nachfrage machte Gröning beklemmende Angaben zur Rampe des Lagers, wo
die SS unter den ankommenden Juden zwischen den sofort zu Ermordenden und
denen selektierte, die als Zwangsarbeiter zunächst am Leben bleiben
durften.
Bei Grönings Schilderung seines Alltags in der Häftlingsgeldverwaltung von
Auschwitz entstand der Eindruck, es habe sich um einen fast beliebigen Job
eines Kassenwarts gehandelt: „Wenn keine Transporte kamen, habe ich mich um
acht Uhr hingesetzt, um zwölf bis halb zwei war Mittagspause, danach blieb
ich bis um fünf.“
Als SS-Unterscharführer, zu dem er Anfang 1944 befördert worden war, sei er
vom einfachen Wachdienst befreit gewesen, sagte Gröning. Er habe deshalb
1944 als Vertretung nur dreimal an der Rampe Dienst getan, um das Gepäck
der eintreffenden Menschen zu bewachen. „Meine Arbeit war das Verhindern
von Diebstählen“, sagte er. Mit der Selektion habe er nichts zu tun gehabt,
das sei die Arbeit von zwei SS-Ärzten und weiteren SS-Offizieren gewesen.
## „Es lief ganz normal und ohne Schwierigkeiten“
Das Gepäck der Opfer wurde von Häftlingen nach „Kanada“, so der Name der
Effektenkammer, gebracht, und dort auf Wertsachen hin untersucht. „Für uns
war das Routine“, sagte Gröning, dessen Hauptaufgabe darin bestanden habe,
die gefundenen Devisen für die SS zu verwalten.
An der Rampe hätten gleichzeitig bis zu drei Züge mit Viehwagen voller
Menschen gestanden, sagte Gröning. Ein Zug umfasste etwa 45 Waggons mit
jeweils rund 80 darin eingepferchten Menschen. Es habe jedoch keine Exzesse
gegeben, alles sei relativ geordnet abgelaufen. Die SS habe die Insassen in
den Wagen so lange warten lassen, bis der vorherige Transport abgefertigt
worden war. „Die Leute sind zu Fuß gegangen, die einen in die Richtung, die
anderen in jene Richtung“, schilderte Gröning die Selektion, und: „Es lief
ganz normal und ohne Schwierigkeiten.“ Mit den Opfern habe er nicht
gesprochen. „Die Kapazität der Gaskammern und Krematorien war reichlich
begrenzt“, so begründete Gröning die gestaffelte Selektion der ankommenden
Juden.
Kaum größer hätte der Unterschied zwischen Grönings ohne Emotionen
vorgetragener und eher bürokratisch geprägter Aussage und dem Bericht von
Max Eisen ausfallen können. Der 86-jährige, heute in Kanada lebende Zeuge
schilderte am Donnerstag detailliert die Deportation seiner ungarischen
Familie nach Auschwitz.
„In der dritten Nacht hielt der Zug mit unseren Viehwagen. Ich hörte
draußen Deutsch sprechen. Die Tür wurde geöffnet. Ich habe Leute in
gestreifter Kleidung und SS-Offiziere gesehen. In der Luft war ein
furchtbarer Geruch nach verbranntem Fleisch“, so schilderte er seine
Ankunft an der Rampe. Eisen überlebte Auschwitz und überstand den
Todesmarsch im Januar 1945. Er kam ins KZ Mauthausen und wurde am 6. Mai
1945 von US-Truppen im Nebenlager Ebensee befreit. Das Verfahren ist bis
Juli 2015 angesetzt.
23 Apr 2015
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
## TAGS
Vernichtungslager
Auschwitz
Oskar Gröning
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Oskar Gröning
Oskar Gröning
SS
Oskar Gröning
John Demjanjuk
Kriegsverbrechen
Konzentrationslager
SSW
Prozess
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