# taz.de -- Kommentar BND-Affäre: Das ist Chefinsache | |
> In der BND-Affäre werden die Namen möglicher Bauernopfer sortiert. Das | |
> darf nicht blind machen: Verantwortlich ist Angela Merkel. | |
Bild: Angela Merkel sollte im Kanzleramt den Überblick haben. | |
Zuerst, das war Ende letzter Woche, wurde ganz rasch Gerhard Schindler | |
genannt. Er wäre so ein gutes Opfer gewesen. Der Leiter des | |
Bundesnachrichtendienstes ist nicht nur als FDP-Mitglied bekannt, sondern | |
verbucht in seiner Amtszeit schon so hinreichend viele Skandälchen, dass er | |
den politischen Reifestatus überschritten hat: Einst nahm er in seinem | |
Dienstflugzeug einen unverzollten Teppich für den früheren | |
FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel aus Afghanistan mit. | |
Dann wurde bekannt, dass der BND nicht nur Mailverkehre von Deutschen an | |
die NSA weitergeleitet, sondern auch Amtshilfe für den US-Drohnenkrieg | |
geliefert haben soll. Und jetzt das: Ein aus den Fugen geratener | |
Bundesnachrichtendienst, der in Europa Wirtschaftsspionage mit der NSA | |
betreibt, unkontrollierbar dazu, schwer zu durchschauen. Wieso nicht diesen | |
Mann abservieren? | |
Alles wäre so einfach. | |
Dann, als bekannt wurde, dass das Bundeskanzleramt seit 2008 zwar davon | |
wusste, aber nichts dagegen unternahm, dass die USA im gemeinsamen Netz mit | |
dem BND europäische Unternehmen, Behörden und Politiker ausspionierte, | |
rückte ein anderer Name auf die Liste. Thomas de Maizière. Seinerzeit war | |
er als Kanzleramtsminister unter Angela Merkel für die Kontrolle des | |
Bundesnachrichtendienstes zuständig. Heute ist er ein angezählter Minister, | |
der überall Ärger hat, auch wegen des Sturmgewehrs G36. Wieso nicht diesen | |
Mann abservieren? | |
Alles wäre so einfach. | |
Seit nicht mehr nur Oppositionspolitiker, sondern auch SPD-Spitzenpolitiker | |
immer ungeduldiger mit ihrem Koalitionspartner werden und von personellen | |
Konsequenzen reden, herrscht Handlungsbedarf im Bundeskanzleramt. Denn die | |
Frage lautet: Wie lässt sich ein Problem eindämmen, für dessen Existenz es | |
keine plausible Erklärung gibt? Einiges sieht danach aus, als müssten | |
irgendwo Köpfe rollen. | |
## Systematisches Organisationsversagen | |
Doch hinter der nun bekannt gewordenen BND-Affäre steckt ein systematisches | |
Organisationsversagen des Bundeskanzleramtes. Es lag weder allein an | |
Gerhard Schindler, noch allein an Thomas de Maizière, dass sich im | |
Bundesnachrichtendienst offenbar eine eigene, genau genommen | |
staatszersetzende Spionagepraxis durchsetzen konnte. Wenn dies aber der | |
Fall ist, dann ist über Jahre hinweg gegen ganz grundlegende | |
Staatsrechtsprinzipien systematisch verstoßen worden. Die Verantwortung | |
dafür liegt bei einem Bundeskanzleramt, das es strukturell versäumt hat, | |
die eigene Rolle einer Fach- und Rechtsaufsicht effektiv wahrzunehmen. Die | |
Kanzleramtsminister wechselten dabei, eine aber blieb: Angela Merkel. | |
Nun ist es wohl wahr: Es ist in Deutschland nicht besonders populär, eine | |
Bundeskanzlerin zu attackieren, die sich anschickt, Helmut Kohl zu beerben | |
– und deren Zustimmungswerte in der Bevölkerung auch ihren ärgsten Gegnern | |
großen Respekt abverlangen. Doch geht es, nüchtern betrachtet, um | |
politische Verantwortung, so kann die Bundeskanzlerin bei der Aufarbeitung | |
dieser Affäre nicht aus Pietätsgründen geschont werden. | |
Was ganz offenbar passiert ist, hätte niemals passieren dürfen, dafür trägt | |
Angela Merkel eine sehr konkrete Verantwortung. Spätestens seit | |
Bekanntwerden der Snowden-Files 2013 musste die NSA-Affäre Chefinsache | |
sein. Und so gilt: Auch die neuerliche BND-Affäre war Chefinsache, sie ist | |
Chefinsache. Aber jetzt muss sie es auch noch werden. | |
28 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
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