# taz.de -- Zukunft der Altenpflege: Das hausgemachte Pflegedesaster | |
> Eine steigende Zahl von Pflegebedürftigen, weniger Fachkräfte, niedrigere | |
> Renten und kaum Wohnraum: Deutschland droht eine dramatische Pflegekrise. | |
Bild: Pflegeroboter werden das Problem mit der unterfinanzierten Pflege nicht l… | |
Erinnern Sie sich noch an die Geschichten über glückliche ältere Menschen, | |
die von einer polnischen Pflegekraft, meist einer Frau, rund um die Uhr | |
versorgt wurden? Die Polin wohnte mit im Haus oder in der großzügigen | |
Wohnung und umsorgte den alten Menschen liebevoll. Diese Geschichten gibt | |
es heute immer noch, aber man hört von vielen Menschen mittlerweile eher | |
Klagen über das Pflegedesaster: kein bezahlbarer Heimplatz zu finden, zu | |
wenig und überlastetes Personal. Die [1][Pflegekrise] indes deutete sich | |
bereits vor 20 Jahren an. | |
Jetzt steuert diese Krise in eine offensichtliche Ausweglosigkeit: Eine | |
steigende Zahl von Pflegebedürftigen, die zudem immer älter werden und | |
intensiver denn je betreut werden müssen trifft auf eine sinkende Zahl von | |
Pflegekräften, die noch mehr zu tun haben und alsbald an ihre physischen | |
und psychischen Grenzen geraten. Hinzu kommen höhere Kosten durch | |
gestiegene Energie-, Lebensmittel- und Betreuungspreise. Ein Mix, der, wie | |
Pflegeökonom:innen sagen, ein „Heimsterben in Deutschland“ bewirkt. | |
Allein in diesem Jahr gingen rund 200 Pflegeeinrichtungen in die Insolvenz, | |
im vergangenen Jahr waren es mehr als doppelt so viele. Da wundert es kaum, | |
dass die Stimmung bei den Gepflegten, vor allem aber beim Pflegepersonal | |
laut des [2][Care Klima-Index des Markt- und Meinungsforschungsinstituts | |
Ipsos] auf dem Tiefpunkt angelangt ist. | |
Es dürfte noch dramatischer werden: Aus den aktuell etwa 5 Millionen | |
Pflegebedürftigen werden 2030 schon 5,75 Millionen, im Jahr 2050 könnten es | |
7,25 Millionen sein. Gleichzeitig fehlen dem Kölner Institut der deutschen | |
Wirtschaft zufolge bis 2035 rund 307.000 Pflegekräfte. Was tun? | |
## Wer soll das bezahlen? | |
Die gängige Antwort lautet meist: mehr Geld. Woher aber soll das kommen? | |
Vom Staat, der für Gesundheitswesen, Bildung, Verkehr, Sozialleistungen | |
ohnehin schon mehr als früher ausgibt? [3][Von den | |
Arbeitnehmer:innen], die dann noch weniger Netto vom Brutto haben? Zum | |
Vergleich: Eine private polnische Pflegerin kostet zwischen 2.000 und 3.000 | |
Euro monatlich, das können sich nur reichere alte Menschen leisten. Für | |
einen Pflegeheimplatz müssen Gepflegte heute trotz Pflegekassenzuschuss | |
durchschnittlich 2.400 Euro selbst bezahlen. Aber wie, wenn die | |
[4][Durchschnittsrente] bei den künftigen Senior:innen nur rund 1.300 | |
bis 1.400 Euro beträgt? | |
Und wer pflegt dann all die Alten, die mehr sein werden als die Jungen? | |
Schon jetzt geht es nicht ohne [5][eingewanderte Fachkräfte]. Aber jene, | |
die beispielsweise in den Philippinen einen Pflege-Bachelor und einen | |
Deutschkurs gemacht haben und von Deutschland gezielt angeworben worden | |
sind, verlassen das Land meist nach wenigen Jahren wieder. Sie fühlen sich | |
hier kaum integriert und noch weniger wertgeschätzt. | |
Zugewanderte Fachkräfte müssen aber auch irgendwo wohnen, doch es | |
[6][mangelt schon jetzt an bezahlbarem Wohnraum]. Ein Drama steht uns bevor | |
– allerdings ein hausgemachtes. | |
10 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Kosten-von-Pflege/!5920342 | |
[2] https://www.ipsos.com/de-de/umfrage-im-pflegemarkt-schlechte-stimmung-und-d… | |
[3] /Kommentar-Erhoehung-des-Pflegebeitrags/!5540184 | |
[4] /Studie-zu-altersgerechtem-Wohnen/!5925977 | |
[5] /Arbeitsmigration-nach-Deutschland/!5927771 | |
[6] /Politik-straft-fuer-zu-niedrige-Mieten/!5555133 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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