# taz.de -- Tarifverträge für Pflegekräfte: Unerwünschte Folgen besserer L�… | |
> Die Gehälter in der Altenpflege steigen, daher müssen viele | |
> Senior:innen mehr fürs Heim zahlen. Der Pflegerat fordert mehr | |
> staatliche Hilfen. | |
Bild: Steigende Löhne, steigende Kosten, hier in einem Pflegeheim in Stuttgart | |
BERLIN taz | Das Seniorenheim Curanum in Altötting, das zur Korian-Gruppe | |
gehört, ist schön gelegen, hat W-Lan im Haus, Haustiere sind erlaubt. 2.270 | |
Euro müssen die Pflegeheimbewohner:innen pro Monat für den | |
Aufenthalt in der Einrichtung zahlen. Doch demnächst könnten sich die | |
Preise erhöhen. „Wir gehen davon aus, dass die Eigenanteile in unseren | |
Einrichtungen um 500 bis 1.000 Euro im Monat steigen“, sagte Tanja Kurz, | |
Sprecherin der Korian-Gruppe, der taz. | |
Die Preise erhöhen sich auch weil Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste ab | |
dem 1.September [1][nach Tarifverträgen oder ähnlich der Tarifverträge | |
entlohnen müssen], um die Gehälter weiterhin mit den Pflegekassen abrechnen | |
zu können. Die gesetzliche Vorgabe dieser sogenannten Tariftreueregelung | |
war noch von der alten schwarz-roten Bundesregierung auf den Weg gebracht | |
worden, auch um [2][dringend gesuchte Pflegekräfte] im Beruf zu halten und | |
zu gewinnen. | |
Bei den Preiserhöhungen gehe es nicht nur um die höheren Löhne für die | |
Pfleger:innen. „Es steigen auch die Entgelte für die Servicemitarbeiter in | |
Küche und Haustechnik. Die Mindestlöhne erhöhen sich. Außerdem kommen | |
[3][die steigenden Preise für Energie], für Lebensmittel dazu“, schildert | |
Kurz. Die Entgelte für die Pflege, die Unterkunft und Verpflegung und die | |
Investitionskosten in Heimen werden zumeist nur einmal jährlich zwischen | |
dem Betreiber, den Landesverbänden der Pflegekassen und dem | |
Sozialhilfeträger vereinbart. Auf Preissteigerungen wird daher auch | |
rückwirkend reagiert. | |
Das Problem: Die Pflegeversicherung federt die Kostensteigerungen kaum ab. | |
„Tariftreue ist eine gute Nachricht für die Beschäftigten in der Pflege. | |
Die Kosten dafür jetzt den Pflegebedürftigen und ihren Familien anzulasten, | |
ist aber ein Skandal“, sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen | |
Gewerkschaftsbundes. | |
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wies aber daraufhin, dass | |
Pflegebedürftige in Heimen seit Januar 2022 einen Zuschuss zu ihren | |
pflegebedingten Eigenanteilen bekommen. Durchschnittlich ergeben sich zum | |
Stichtag 1. Juli 2022 Entlastungen von 368 Euro im Monat, so Lauterbach. | |
„Die Löhne der Pflegekräfte in den Heimen steigen erheblich und das ist | |
gewollt. Endlich wird ihre wichtige Arbeit besser entlohnt“, sagte der | |
Minister. | |
„Die Politik hat es versäumt, die tarifliche Bezahlung von Pflegekräften, | |
die wir natürlich begrüßen, auch vernünftig gegenzufinanzieren“, | |
kritisierte die Präsidentin des Sozialverbandes VDK, Verena Bentele. Der 1. | |
September mit der ab dann geltenden Tariftreueregelung drohe zum „Doomsday“ | |
für Pflegebedürftige zu werden. Die Preissteigerungen für Pflegeleistungen | |
seien immens, sie lägen bei 30 bis 40 Prozent, so Bentele. | |
Können Bewohner:innen die Kosten für den Heimaufenthalt nicht mehr aus | |
ihrer Rente oder ihrem Vermögen aufbringen, greift das Sozialamt mit der | |
sogenannten Hilfe zur Pflege ein und finanziert den Eigenanteil mit. | |
Allerdings müssen die Pflegebedürftigen zuvor ihr Vermögen bis auf | |
bestimmte Freibeträge aufbrauchen. | |
Bislang bezögen bis zu 40 Prozent der Pflegebedürftigen in den Heimen die | |
Hilfe vom Sozialamt, teilt Korian mit. „Wir gehen davon aus, dass dieser | |
Anteil steigen wird“, so Korian-Sprecherin Kurz. | |
Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, Christine Vogler, erklärte am | |
Donnerstag im rbb-Inforadio, „wir haben ein Riesenproblem, weil dieses | |
Gesetz nicht zu Ende gedacht ist“. In Zukunft werde man an einer | |
Steuerfinanzierung der pflegerischen Versorgung nicht mehr vorbeikommen. | |
1 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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