# taz.de -- Zehn Jahre nach dem Rütli-Schul-Aufruf: Radikal reformiert | |
> Der Brief der Neuköllner Rütli-Schule machte Geschichte. Heute ist die | |
> ehemalige Hauptschule ein Vorzeigeprojekt. Doch wie sieht es an anderen | |
> Schulen aus? | |
Bild: Der Arbeitsmarkt ist ein Haifischbecken. Die Rütli-SchülerInnen sind in… | |
BERLIN taz | Ziemlich exakt zehn Jahre ist es her, als ein von LehrerInnen | |
einer Neuköllner Hauptschule verfasster Brief an die Öffentlichkeit | |
gelangte. Darin beklagten sie die Zustände im Klassenraum: „Lehrkräfte | |
werden gar nicht wahrgenommen, Gegenstände fliegen zielgerichtet gegen | |
Lehrkräfte durch die Klassen, Anweisungen werden ignoriert.“ Sie stellten | |
das gegliederte Schulsystem infrage: „Welchen Sinn macht es, dass in einer | |
Schule alle Schüler/innen gesammelt werden, die weder von den Eltern noch | |
von der Wirtschaft Perspektiven aufgezeigt bekommen, um ihr Leben sinnvoll | |
gestalten zu können.“ | |
Der Brief der Neuköllner Rütli-Schule machte Geschichte. Setzte er doch | |
einen Prozess in Bewegung, an dessen Ende die Hauptschule als | |
Verliererschule faktisch abgeschafft wurde. Heute besucht nur noch jeder | |
zehnte Schüler eine Hauptschule. | |
Doch Schulen wie die Rütli-Schule damals gibt es immer noch. Nur heißen sie | |
jetzt anders. Eine solche Schule ist die Berliner Integrierte | |
Sekundarschule Hector Peterson. Die Schule versucht aus eigener Kraft, den | |
Ruf der Verliererschule abzulegen und reformiert sich dafür radikal. Wie | |
ihr das gelingt und warum die Schulleiterin derzeit nur ein gemischtes | |
Fazit ziehen kann, lesen Sie in der taz.am wochenende. | |
Bildung ist ein Chancenbeschleuniger. Je höher der Abschluss, desto | |
leichter der Eintritt in den Arbeitsmarkt und desto höher das Einkommen. | |
Das zeigt der [1][in dieser Woche veröffentlichte Sozialbericht] des | |
Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung. | |
## Noch keine Chancengleichheit | |
Die Integration der Hauptschulen in andere Schulformen hat jedoch nicht | |
dazu geführt, dass heute Chancengleichheit herrscht. Das zeigen etwa Zahlen | |
der Berliner Senatsbehörde für Bildung, die der taz vorliegen. In Berlin | |
gibt es zwei Oberschulformen, die auf dem Papier gleichwertig sind: | |
Gymnasien und Integrierte Sekundarschulen. Doch nur jede dritte | |
Sekundarschule besitzt eine eigene Abituroberstufe. Das wirkt sich auf die | |
Schülerschaft aus. An drei von vier Sekundarschulen ohne Abiturstufe sind | |
mindestens 40 Prozent Schüler, beziehungsweise deren Familien, auf | |
staatliche Unterstützung angewiesen oder sind zugewandert. Nicht einmal | |
jedes dritte Berliner Gymnasium erreicht diese Werte. | |
Bundesweit das gleiche Bild. In Hamburg, beispielsweise, wo die | |
Schulstruktur ähnlich ist, ist fast jeder dritte Schüler einer | |
Stadtteilschule sehr niedriger oder niedriger sozialer Herkunft, ein | |
doppelt so hoher Anteil wie an den Gymnasien. | |
Warum das so ist? Weil mit der Stärkung der Institution Gymnasium, das | |
Klassensystem Schule insgesamt erhalten blieb. So die These der Geschichte | |
in der taz.am wochenende. | |
Kann es überhaupt noch einen Bildungsaufbruch geben? Muss die einzelne | |
Schule also selbst sehen, wo sie bleibt? Welche Hilfe brauchen die Schulen? | |
Und kann aus jeder Schule, auch aus der Hector-Peterson-Schule, künftig ein | |
Rütli-Campus werden? | |
Diskutieren Sie mit! | |
Die Geschichte „Projekt Kehrtwende“ lesen Sie in der taz.am wochenende vom | |
7./8. Mai 2016. | |
6 May 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/bildung-ist-entscheidend-fuer-integr… | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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