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# taz.de -- Werbung auf Breitbart: Nicht mit meiner Marke
> Immer mehr Unternehmen wollen ihre Anzeigen nicht mehr auf der
> ultrarechten Seite Breitbart News sehen. Und ziehen damit Hass auf sich.
Bild: Müslikrieg: Kellogg's schaltet keine Anzeigen mehr auf Breitbart News. B…
935 Unternehmen. So viele Unternehmen, die ihre Onlineanzeigen nicht mehr
auf der ultrarechten, hetzerischen US-Nachrichtenseite Breitbart News sehen
wollen – und unterbanden, dass sie dort eingeblendet werden, zählte die
Initiative Sleeping Giants am Mittwoch. Inzwischen sind noch mehrere
Dutzend Firmen hinzugekommen – Erfolge, die die anonyme Formation, die sich
Ende November gründete, auf Twitter dokumentiert.
„Wir versuchen, rassistische Webseiten zu stoppen, indem wir die
Werbegelder stoppen, die sie bekommen“, heißt es in ihrer
Twitter-Selbstbeschreibung. Derzeit konzentriert sie sich jedoch auf
Breitbart News. Sie ruft Webnutzer auf Twitter auf, Screenshots von
Anzeigen auf Breitbart News zu machen und sie den dazugehörigen Unternehmen
zu schicken – verbunden mit der Frage, ob sie das wirklich wollen: dort
Werbung schalten.
Einer ihrer ersten Erfolge war der Kellogg's-Konzern: Der
Frühstücksflocken-Hersteller stoppte Ende November seine Werbung auf
Breitbart. Darauf hin wurde auf Breitbart zum Boykott von
Kellogg's-Produkten aufgerufen. Trotzdem folgten viele andere Unternehmen
aus den USA und der ganzen Welt dem Beispiel von Kellogg's.
Wer hinter den Sleeping Giants steckt, ist unklar: Die Köpfe dahinter
bleiben anonym – weil einige der Mitglieder in der digitalen
Medienindustrie arbeiteten, [1][wie einer der Gründer der New York Times
sagt.]
## Werbetreibende wissen oft nicht, wo ihre Anzeige läuft
Hintergrund ihrer Aktion: Anders als früher werden die allermeisten
Online-Anzeigen nicht mehr direkt auf eine bestimmte Seite gebucht, sondern
über virtuelle Auktionen, die gemäß bestimmter Zielgruppenprofile erfolgt.
Steuert ein Nutzer eine Webseite an, wird über Algorithmen im Hintergrund
ausgehandelt, welche Anzeigen ausgeliefert werden – gemäß den
Zielgruppenprofilen, die ein Werbetreibender ansprechen will. Heißt: Auf
welchen Seiten ihre Anzeigen schlussendlich eingeblendet werden, wissen
Werbetreibende oft nicht.
Der Berliner Gerald Hensel startete Ende letzten Jahres die Aktion
#keinGeldfürRechts, in der er Firmen empfahl, zu prüfen, wo ihre
Onlinewerbung läuft. Hensel kennt die Branche gut – er arbeitete bei der
Berliner Werbeagentur Scholz and Friends als Strategieberater. In privater
Eigeninitiative benannte Hensel in seinem Blog Seiten und Blogs, die er als
„populistisch-konservativ“ bis „hart rechtsextrem“ begriff.
## Hensel zog sicherheitshalber in ein Hotel
Daraufhin brach ein [2][Sturm der Entrüstung in sozialen Medien] über ihn
herein, der so heftig war, dass er auch seinen Arbeitgeber in
Mitleidenschaft zog. Hensel reagierte: er kündigte und zog
sicherheitshalber erst einmal in ein Hotel um. Er habe das „komplett
unterschätzt“, antwortet Gerald Hensel heute auf die Frage, ob die heftigen
Reaktionen ihn erschrocken hätten.
„Wir sehen den Mix aus Lügen, Halbwahrheiten, theatralisch hochgejuxter Wut
und Verschwörungstheorien mittlerweile fast täglich in den sozialen Medien.
Das passiert vor allem Menschen, die ‚denen‘ ein bisschen zu frech werden
und dafür bestraft werden sollen. Als Zeichen für die schweigende Masse und
um ihnen den Mund zu stopfen. Für Unternehmen gilt das übrigens auch. Frech
sein alleine reicht aber nicht. Es muss sich auch eine profunde
Verschörungstheorie mit dem zu mobbenden Akteur aufbauen lassen.“
„Das System ist falsch“
Der Ton, in dem Aktionen wie die von Hensel oder die der Sleeping Giants
kritisiert werden, ist oft scharf. Von Denunziation, Boykott, Anschwärzen
ist dann die Rede. Die Sleeping Giants sagen, es gehe nicht um das
Beschneiden von freier Meinungsäußerung. Sondern darum, Werbern und
Konsumenten die Kontrolle darüber zu geben, wohin ihr Geld geht.
Auch Hensel betont: bei seiner Aktion gehe es nicht um Boykott – also
darum, einer Marke anzudrohen, ihre Produkte nicht mehr zu kaufen oder
Freunde aufzufordern, dies ebenfalls zu tun. „Wir haben ganz normal
nachgefragt, ob entsprechende Marken wissen, dass sie auf Breitbart werben.
Das war praktisch nirgends der Fall.“
## Darf ein Unternehmen heute noch unpolitisch sein?
Seine Kritik: das System dahinter (im Werberjargon heisst es Programatic
Advertising und meint das computerbasierte und individualisierte Verkaufen
und Ausliefern von Onlinewerbung) erlaube es Markenverantwortlichen zu
ignorieren, wo sie werben. „Das System ist falsch“, sagt Hensel. „Es muss
repariert werden.“
Technisch sei es kein Problem, Seiten zu blacklisten, erklärt er. Komplexer
sei etwas anderes: „Man kann als Unternehmen heute nicht mehr unpolitisch
sein.“ Sein Beispiel: „Wenn ein Unternehmen, das vom Europäischen
Binnenmarkt profitiert, Seiten unterstützt, die genau diesen zum Einsturz
bringen wollen, stimmt da was nicht. Schlechte Neuigkeiten für Unternehmen:
Sie werden sich Fragen müssen, welche Werte sie haben und dann
dementsprechend reagieren.“
## Rückzieher von Air Berlin
Anfang Januar kontaktierte die baden-württembergische
SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken die Fluggesellschaft Air Berlin per
Twitter: Sie postete den Screenshot einer Air Berlin-Anzeige auf Breitbart
und fragte, ob diese Werbung auf einer „Neonazi-Webseite“ gewollt sei. Tags
drauf setzte Air Berlin Breitbart auf eine Liste von Seiten, auf denen sie
explizit nicht werben möchten. Auch in diesem Fall brach ein Sturm der
Entrüstung über Esken und Air Berlin herein.
[3][Esken schrieb darüber in ihrem Blog], erschrocken von den heftigen
Reaktionen.Und Air Berlin? Gibt sich auf taz-Anfrage ziemlich schmallippig:
Bei dem Blacklisting handle es sich „um eine unabgestimmte
Einzelentscheidung, die nicht unseren üblichen unternehmensinternen
Prozessen entspricht. Wir prüfen den Vorgang“, schreibt der Pressesprecher.
„Airberlin unterstützt uneingeschränkt die Grundwerte einer demokratischen
Gesellschaft wie Meinungs- und Pressefreiheit, Toleranz und
Gleichberechtigung und ist politisch neutral.“ Klingt nach einem
Rückzieher. Unter den über 930 Unternehmen, die die Sleeping Giants in
ihrer Erfolgsliste führen, taucht Airberlin nicht auf.
## Auch Vapiano, Lufthansa und Telekom werben nicht mehr auf Breitbart
Auch die New York Times berichtet von Schwierigkeiten, klare Statements von
US-Firmen zu bekommen, die sich entschieden haben, nicht mehr auf Breitbart
werben zu wollen. Einige Unternehmen wollten sich zu dem Schritt nicht
äußern, andere ignorierten Anfragen oder wollten nicht, dass diese
Entscheidung in Zusammenhang mit der Sleeping-Giants-Aktion gebracht wird.
Diverse deutsche Firmen, die die Sleeping Giants dafür priesen, dass sie
Werbeeinblendungen auf Breitbart blockiert hätten, reagierten auf eine
taz-Anfrage nicht.
Anders der deutsche Reinigungskräfteservice Helpling. „Wir haben die
Webseite geblockt, da wir diskriminierende Inhalte oder Webseiten auf
keinen Fall durch Werbeeinnahmen unterstützen möchten“, erklärt Mitgründer
und Geschäftsführer Benedikt Franke. Die Reaktionen auf den Schritt seien
„durchweg positiv“. Auch die deutsche Restaurantkette Vapiano, die
Lufthansa und die Deutsche Telekom hatten sich in anderen Medien dazu
bekannt, auf Breitbart online nicht mehr werben zu wollen.
Gerald Hensel geht noch einen Schritt weiter. Nach seiner Kündigung bei der
Werbeagentur gründet er derzeit gemeinsam mit Mitstreitern auf Basis seiner
Erfahrungen von Dezember einen Verein. „Fearless Democracy“ soll er heißen.
Die Ziele: über populistische und neurechte Stimmungsmache in Sozialen
Netzwerken und die Prozesse dahinter aufklären. Menschen helfen, die von
derartigen Shitstorms betroffen sind. Und: Firmen und Institutionen helfen,
sich in diesem Kommunikationsumfeld zu positionieren und sich für
potentielle Angriffe zu wappnen.
13 Feb 2017
## LINKS
[1] https://www.nytimes.com/2017/01/07/opinion/sunday/how-to-destroy-the-busine…
[2] /Werber-ueber-Aktion-keingeldfuerrechts/!5363706
[3] http://www.saskiaesken.de/statements/mit-fake-news-umgehen
## AUTOREN
Meike Laaff
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