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# taz.de -- Wählerwanderung in Brandenburg: Weitgehend braunes Hochwasser
> Woher hat die AfD ihre Stimmen? Woher die SPD? Wo sind Hochburgen der
> Parteien? Wo sind sie besonders schwach? Alle Grafiken zur
> Brandenburg-Wahl.
Bild: Wahlkreiskarte vor einem Bild des aktuellen Hochwassers an der Oder
Berlin taz | Die Wahl in Brandenburg war eine Wahl der Verlierer. Die AfD
hat den erträumten ersten Platz verpasst. SPD und CDU verpassen die nötige
Mehrheit zum Weiterregieren. Grüne, Linke und Freie Wähler verpassen den
Wiedereinzug ins Parlament. Und die FDP? Sie verpasst offenbar jeglichen
Zugang zu den Wähler:innen. Nur das BSW kann halbwegs zufrieden sein. Aber
ein überraschendes Highlight kann es nach den Erfolgen von Thüringen und
Sachsen auch nicht bieten.
Aber wo sind die Wähler:innen hingewandert? Wo waren die Parteien
besonders stark? Und wo besonders schwach? Welche Optionen für eine
Koalition bieten sich? Im Folgenden finden Sie eine Analyse der
Wahlergebnisse in Grafiken.
WÄHLERWANDERUNG:
## SPD und AfD punkten bei Nichtwähler:innen
Die SPD hat ihren Wahlsieg einer Begeisterung auf breiter Front zu
verdanken. Vor allem aber profitierte sie von der deutlich gestiegenen
Wahlbeteiligung. Das zeigt die Analyse der Wählerwanderung vom
Umfrageinstitut infratest dimap.
Demnach konnte die SPD vor allem bei den vorherigen Nichtwähler:innen
punkten. Von ihnen konnte sie 51.000 Stimmen gewinnen – das entspricht in
etwa einem Stimmenanteil von 3,4 Prozentpunkten. Hier hat das Versprechen,
dass man mit einer Stimme für die SPD die AfD, wenn nicht stoppen, so doch
auf Platz 2 verweisen könne, gefruchtet. Das Argument hat auch bei den
bisherigen Grünen-Wähler:innen gefruchtet. Sie switchten in Scharen zur
SPD: 47.000 wanderten rüber – was gut 3 Prozentpunkten entspricht. Das
machte 75 Prozent aller Verluste der Grünen aus und dürfte dafür gesorgt
haben, dass sie am Ende deutlich an der 5-Prozent-Hürde gescheitert sind.
Die Grünen-Klientel ist anscheinend auch nicht besonders
populismusresistent. 5.000 Wähler:innen wechselten von den Grünen zum
BSW, 3.000 gar direkt zur AfD – zusammen macht das einen weiter halben
Prozentpunkt aus. Die Grünen sind zudem die einzige Partei, die an die
Nichtwähler:innen verloren hat. Das ist wahrlich kein gutes Zeichen für
das Standing der Partei.
Von der hohen Wahlbeteiligung profitierte auch die AfD – sogar noch stärker
als die SPD. Die Rechtsextremen konnten sogar 79.000 Stimmen von bisherigen
Nichtwähler:innen gewinnen, was rund 5,3 Prozentpunkten entspricht. Das
machte schon 60 Prozent ihrer Zuwächse aus. Zudem konnte sie 21.000 Stimmen
von der CDU abziehen.
## BSW gewinnt von Linken, SPD und Nichtwähler:innen
Die Linkspartei verliert wie erwartet vor allem an das BSW. Gleich 44.000
Wähler:innen (fast 3 Prozentpunkte) wechselten zu der
Wagenknecht-Abspaltung. Aber auch bei ihrer restlichen Klientel kommt die
Linke offenbar nicht mehr an. 25.000 bisherige Wähler:innen wechselten
zur SPD – wohl auch, um Woidke im Schlussspurt gegen die AfD zu
unterstützen. Aber auch 6.000 ehemalige Linken-Wähler:innen stimmten
diesmal für die AfD.
Das BSW war aber nicht nur bei einstigen Linken erfolgreich. 26.000 Stimmen
(1,7 Prozentpunkte) konnte es auch von der SPD abziehen. Sonst wäre Woidkes
Erfolg noch größer gewesen. Und 41.000 einstige Nichtwähler konnten durch
das erstmals antretende BSW zur Stimmabgabe motiviert werden.
WELCHE KOALITIONEN MÖGLICH SIND:
## Die Sitzverteilung im neuen Landtag
Im kommenden Landtag haben die bisher Regierenden keine Mehrheit mehr.
Die SPD gewinnt 7 Sitze hinzu und hat nun 32. Die AfD bekommt ebenfalls 7
Sitze mehr und hat nun 30. Die CDU verliert 3 Sitze und hat nur noch 12.
Damit stellt sie die kleinste Fraktion im neuen Landtag. Denn das BSW kommt
gleich im ersten Anlauf auf 14 Abgeordnete.
Zum einen verlieren SPD und CDU ihren bisherigen dritten Koalitionspartner,
weil die Grünen es nicht mehr ins Parlament geschafft haben. Zum anderen
verpassen sie äußerst knapp eine absolute Mehrheit. Sie kommen auf 44 und
damit auf genau die Hälfte der Sitze.
Die anderen 44 Sitze bekommen AfD und BSW. Damit hätten die beiden zusammen
auch rechnerisch keine Mehrheit.
Das einzig mögliche Zweierbündnis mit einer rechnerischen Mehrheit wäre
eine Koalition aus SPD und BSW. Sie kämen zusammen auf 46 Sitze.
Eine Dreier-Koalition aus SPD, CDU und BSW wäre auch denkbar. Aber da
dieses Bündnis auch ohne CDU auskäme, wäre es unüblich. Zudem bliebe dann
die AfD als einzige Oppositionspartei.
Hinzu kommt, dass die AfD aufgrund des Scheiterns der kleinen Parteien im
Landtag mehr als ein Drittel der Sitze bekommen hat. Damit verfügen die
Rechtsextremen über die sogenannte Sperrminoriät. Sie können alle
Abstimmung, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig ist, blockieren.
WAHLKREISKARTE: EIN WEITGEHEND BRAUNER TEPPICH:
## Die AfD gewinnt die meisten Wahlkreise
Nach Bekanntgabe der ersten Prognosen am Wahlabend hatte sich
Ministerpräsident Woidke noch gefreut, dass Brandenburg keinen braunen
Stempel bekommen habe. Der Blick auf die Wahlkreiskarte sagt aber etwas
anderes.
Zwar konnte die SPD 19 Direktmandate gewinnen, vor allem im Westen und
Süden des Landes. Alle anderen 25 Wahlkreise aber hat die AfD gewonnen.
Besonders bitter war für Woidke der Ausgang in seinem Wahlkreis Spree-Neiße
I. Er kam genau wie AfD-Bewerber Steffen Kubitzki auf 41,5 Prozent der
Erststimmen, wie die Landeswahlleitung mitteilte. Kubitzki erhielt jedoch
11.562 Erststimmen und damit sieben mehr als Woidke.
Gleich nebenan im Wahlkreis Spree-Neiße II kam die AfD auf ihr bestes
Ergebnis. In dem vom Braunkohleabbau geprägten Gebiet südöstlich von
Cottbus stimmten 46,5 Prozent der Wähler:innen für den Kandidaten der
Rechtsextremen. Auch in vier weiteren Wahlkreisen lag die AfD bei über 40
Prozent der Erststimmen.
Auch im äußersten Nordosten des Bundeslandes, in den beiden Wahlkreisen der
Uckermark, war die AfD besonders stark, hier kam sie auf jeweils über 39
Prozent.
Der Blick auf die Karte zeigt fast durchgängig: je weiter weg von Berlin,
desto stärker die AfD. Das gilt auch für die Zweitstimmen. Hier lag die AfD
nur in den Potsdamer Wahlkreisen unter 20 Prozent. Mit Abstand am
schwächsten war die AfD in Potsdam I. Im Zentrum der Landeshauptstadt holte
sie nur 10,7 Prozent.
DIE HOCHBURGEN DER PARTEIEN:
## Den Grünen bleibt nur Potsdam
Das Wahldebakel der Grünen zeigt sich beim Blick auf die Grafik mit den
Hochburgen der Parteien. Hier bleibt der bisherigen Regierungspartei genau
eine: der Wahlkreis Potsdam I. In der Landeshauptstadt kam sie auf 17,0
Prozent der Zweitstimmen.
Das ist mit großem Abstand das beste Resultat für die Grünen. Schon in
ihrem zweitbesten Wahlkreis, Potsdam-Mittelmark III, kommen sie nur auf 9,7
Prozent.
Desaströs schnitten die Grünen an den Rändern des Bundeslandes ab. Ganz im
Süden, im Wahlkreis Elbe-Elster II, konnten sie gerade 1,0 Prozent der
Wähler:innen für sich begeistern.
## Linke nur in drei Wahlkreisen über 5 Prozent
Die Linkspartei, die einst lange in Brandenburg mitregieren konnte, kam am
Sonntag nur noch in drei Wahlkreisen über die 5-Prozent-Hürde. Ähnlich wie
die Grünen war auch sie in zwei Potsdamer Wahlkreisen stark. Dazu kommt der
Wahlkreis Barnim I mit der Stadt Eberswalde. Hier stimmten immerhin 6,2
Prozent für die Linke.
Extrem schwach war auch sie ganz im Süden Brandenburgs.
## BSW am stärksten im Nordosten
Das Bündnis Sahra Wagenknecht konnte bei seinem ersten Wahlantritt in
Brandenburg fast landesweit punkten. Am stärksten schnitt es aber im
Nordosten ab. Im Wahlkreis Märkisch-Oderland II, in dem die Stadt
Strausberg liegt, holte es mit 16,9 Prozent der Zweitstimmen das beste
Ergebnis.
Auch in Frankfurt/Oder und in der Uckermark schnitt das BSW stark ab.
## FDP ist eine kaum wahrnehmbare Splitterpartei
Die FDP wurde bei der Brandenburgwahl zur Splitterpartei degradiert. Sie
landete mit nur noch 0,8 Prozent der Zweitstimmen noch weit hinter der
Tierschutzpartei (2,0 Prozent) und sogar hinter der erstmals angetretenen
Listenverbindung Plus, die auf 0,9 Prozent kam.
Unter den Splitterparteien rangiert auch die extrem rechte CDU-Abspaltung
des einstigen Verfassungsschutzchefs Maaßen. Sie kam auf gerade 0,3
Prozent.
## Neonazipartei „Der Dritte Weg“ erfolglos
Die [1][Neonazi-Partei „Der Dritte Weg“] blieb mit 0,1 Prozent ein extremes
Randphänomen. Aber rechtsextreme Wähler:innen hatten mit der AfD ja auch
ein attraktives Angebot.
Am stärksten waren die Neonazis noch im Wahlkreis Prignitz I, in dem die
Städte Perleberg und Wittenberge liegen. Aber auch dort kamen sie nur auf
0,4 Prozent der Zweitstimmen.
In und um Potsdam waren sie am schwächsten. Im Wahlkreis Potsdam I stimmten
14 Wähler:innen für die Nazis, das sind 0,03 Prozent.
## Alte, Frauen und Briefwähler:innen schützen vor AfD
Und hier noch ein paar Ergänzungen zur Wähleranalyse. [2][Laut infrast
dimap] haben vor allem der sehr alten Wähler:innen Brandenburg vor einem
Durchmarsch der AfD gerettet. Von den Über-70-Jährigen votierten demnach
nur 17 Prozent für die Braunen. Bei allen anderen Altersgruppen kam die AfD
auf mindestens 28 Prozent.
Lieblingspartei bei der Ü70 war mit großem Abstand die SPD. Sie konnte ihr
49 Prozent verbuchen.
Die AfD war hingegen bei den jüngsten Wähler:innen weit vorn. Bei den
16- bis 24-Jährigen holte sie 31 Prozent, 13 Prozentpunkte mehr als vor
fünf Jahren. Die SPD kam in der gleichen Gruppe nur auf 19 Prozent.
Auffällig ist weiterhin auch [3][der große Unterschied bei den
Geschlechtern.] Währen 35 Prozent der Männer die AfD wählten, waren es nur
24 Prozent der Frauen.
Extrem sind auch immer noch die Unterschiede zwischen Brief- und
Urnenwähler:innen. Bei denjenigen, die am Sonntag in Wahllokalen
abstimmten, holte die AfD [4][laut Landeswahlleiter] 34,8 Prozent. Von den
Briefwähler:innen machten nur 17,5 Prozent, also knapp die Hälfte ihr
Kreuz bei der AfD.
Bei den Briefwähler:innen konnten vor allem CDU, Grüne und BSW punkten.
Sie holten hier jeweils rund 50 Prozent mehr Stimmanteile als bei den
Urnenwähler:innen. Hätten nur die Briefwahlstimmen gezählt, wären die
Grünen mit 5,2 Prozent wieder in den Landtag eingezogen.
Bei SPD und Linken war der Unterschied nicht so auffällig.
23 Sep 2024
## LINKS
[1] /Rechtsextreme-Partei-Der-Dritte-Weg/!6026210
[2] https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-22-LT-DE-BB/umfrage-alter.sht…
[3] https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-22-LT-DE-BB/umfrage-werwas.sh…
[4] https://wahlergebnisse.brandenburg.de/12/500/20240922/landtagswahl_land/erg…
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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