| # taz.de -- Volksinitiative Neue Wege für Berlin: In der Höhle des Baulöwen | |
| > Die wirtschaftsnahe Volksinitiative Neue Wege für Berlin hat 40.000 | |
| > Unterschriften gesammelt. Ziele des Bündnisses sind schwammig. | |
| Bild: Wenn die Privatwirtschaft baut, wird's häufig teuer: Baustelle wächst i… | |
| Berlin taz | 40.000 Unterschriften hat die wirtschaftsnahe und selbst | |
| ernannte [1][Volksinitiative „Neue Wege für Berlin“] bislang gesammelt. Das | |
| Interesse an der Pressekonferenz des Bündnisses, das sich als Gegenpol des | |
| Volksbegehrens „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ gegründet hat, ist | |
| trotzdem gering. Gekommen sind gerade einmal drei Journalist:innen, eine | |
| davon sogar mit halbstündiger Verspätung (immerhin: nicht die taz). Das | |
| magere Interesse ist ein Sinnbild dafür, wie eigenartig diese | |
| [2][Simulation von Politik von unten] ist. So wurde die | |
| Unterschriftensammlung der Ini auch an Agenturen outgesourct, die zum Teil | |
| [3][nicht richtig über ihre Ziele aufklärten]. | |
| „Es geht um die Chance, die Debatte um fehlenden Wohnraum durch | |
| zivilgesellschaftlichen Sachverstand zu ergänzen“, sagt Peter Kurth, | |
| ehemaliger CDU-Finanzsenator und Präsident des Bundesverbandes für | |
| Rohstoffwirtschaft. Kurz darauf bezeichnete er die Politik der „arroganten“ | |
| Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) als „asozial“. | |
| Beides wirkt befremdlich: Zum einen sieht der Ort, an dem die | |
| „Volksinitiative“ ihre Forderungen verdeutlicht, so gar nicht nach | |
| Zivilgesellschaft aus. Die Pressekonferenz fand am Dienstagvormittag in den | |
| Büros einer Gesellschaft für Immobilien-Investitionen namens Bauconcept | |
| statt. Im Flur hängen Bilder von neuem Hochglanz-Berlin und altem | |
| Preußenprunk: Potsdamer Platz, Sony Center und Unter den Linden im Jahr | |
| 1820. | |
| Zum anderen hat just eine [4][Umfrage der ARD] ergeben, dass bundesweit 71 | |
| Prozent der Bevölkerung Berlins Mietendeckel befürworten. Selbst eine | |
| Mehrheit unter FDP-Anhängern ist für das Gesetz, dessen Schärfe wesentlich | |
| auch dem Hause Lompscher zuzuschreiben ist. | |
| ## Riesiger Bauüberhang | |
| Und so wirken dann auch die vom Verein vorgetragenen Ziele von einem | |
| Neubauprogramm für 100.000 zusätzliche Wohnungen etwas schwammig: Neben dem | |
| üblichen „Bauen Bauen Bauen“ bräuchte es weniger Behördenbürokratie und | |
| mehr Ausverkauf landeseigener Flächen. Wie das konkret gehen soll, bleibt | |
| offen. | |
| Denn der Senat wäre beim Bauen von preiswertem Wohnraum selbst gerne | |
| weiter. Der Neubau stockt dabei vor allem auch deshalb, weil die | |
| Kapazitäten der Bauwirtschaft [5][nicht ausreichen]. Berlin hat neben | |
| fehlendem sozialem Wohnraum laut Statistischem Bundesamt nämlich einen | |
| riesigen Bauüberhang: 64.000 genehmigte Bauvorhaben warteten 2018 etwa auf | |
| Durchführung – ähnlich viele wie in großen Flächenländern. Zu zäher | |
| Wohnungsbau liege allerdings weder am Mietendeckel noch an langsamen | |
| Genehmigungen. Laut Wirtschaftsverwaltung und IG Bau steigt die | |
| Auftragslage weiter. | |
| Thomas McGath, Sprecher der Volksinitiative „Deutsche Wohnen und Co. | |
| enteignen“, sagt zum Neubau-Mantra der Wohnungswirtschaft: „Der Bau von | |
| mehr Wohnungen wird das Problem unseres eklatant ungleichen und | |
| destruktiven Wohnungsmarktes nicht lösen.“ In der Geschichte finde sich | |
| kein Beispiel dafür, dass ein privates Unternehmen ohne Subvention eine | |
| Sozialwohnung gebaut hätte. | |
| Neubau von Bauunternehmen bedeute entweder teure Eigentumswohnungen oder | |
| teure Mietwohnungen. So stiegen Preise weiter – Bauen ohne | |
| Vergesellschaftung sei nur ein verschleiertes Mittel zur Verdrängung, sagt | |
| McGath: „Nur Enteignungen und die Erhöhung des Anteils von öffentlichen | |
| Wohnraum könnten die Mieten tatsächlich senken und ein bezahlbares Niveau | |
| halten.“ | |
| Der Senat fährt derweil mehrgleisig: Er hat mit dem Mietendeckel Erhöhungen | |
| für fünf Jahre gestoppt und will beim Bau von Wohnungen aufholen. Neue Wege | |
| für Berlin will weiter Unterschriften sammeln und diese dann im März der | |
| Verwaltung übergeben. Wenn sich mindestens 20.000 davon als gültig | |
| erweisen, muss sich das Abgeordnetenhaus mit den Forderungen der Initiative | |
| befassen. | |
| 11 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Neue-Volksinitiative/!5603428 | |
| [2] /Vermieter-Demo-gegen-Mietendeckel/!5648285 | |
| [3] /Initiative-Neue-Wege-fuer-Berlin/!5649089 | |
| [4] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/02/mietendeckel-ard-deutschlandtr… | |
| [5] /Angst-vor-dem-Mietendeckel/!5646001 | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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