# taz.de -- IHK gegen den Mietendeckel: PR-Kampagne gedeckelt | |
> Auch die IHK wollte gegen den Mietendeckel mobilisieren. Doch schon der | |
> Entwurf wurde ein PR-Desaster. Und an einen Erfolg glaubte die IHK auch | |
> nicht. | |
Bild: Protest von oben: Vermieter, Chefs und Angestellte demonstrierten im Deze… | |
BERLIN taz | Es hätte so schön sein können: Mit schicker Instagram-Optik | |
und durchdesigntem Werberkitsch wollte mit der Berliner Industrie- und | |
Handelskammer (IHK) die [1][nächste wirtschaftsnahe Lobby-Organisation] | |
gegen den [2][Mietendeckel] und das Enteignungs-Volksbegehren mobilisieren. | |
Blöd nur, dass diese politische Kampagne der Handelskammer als PR-Desaster | |
beginnt: nämlich mit einer öffentlichen Entschuldigung. | |
Die hippen Werber:innen der Agentur Scholz & Friends hatten für einen wohl | |
internen Pitch, wie man in dieser Sphäre Vorschläge nennt, nämlich | |
kurzerhand Bilder von Berliner Start-ups und Unternehmer:innen geklaut, um | |
so bei den Entscheider:innen der Industrie- und Handelskammer (IHK) mit | |
einer schmucken State-of-the-art-Präsentation zu glänzen. | |
Zu sehen waren auf einzelnen Folien unter anderem die in sozialen Medien | |
viel gescholtenen Gründer von Einhorn Kondome sowie die Betreiber:innen des | |
offenbar bei Werber:innen angesagten Brauhaus-Biergartens Brlo Brwhouse am | |
Gleisdreieck. Abgebildet waren die erfolgreichen Jungunternehmer:innen | |
jeweils neben dem geplanten Leitspruch der Kampagne: „Berlin bleibt frei – | |
wenn wir Unternehmern nicht die Unternehmenslust nehmen“ oder „wenn der | |
Sozialismus im Museum bleibt“. Auch eine Betreiberin eines Fahrradladens in | |
Friedrichshain stand ungefragt Modell. | |
Wäre die Präsentation intern geblieben, hätte die IHK wohl auch kein | |
Problem gehabt. Richtig blöd war allerdings, dass sie frei zum Download auf | |
der eigenen Website stand. Findige [3][Menschen auf Twitter] – wie etwa | |
Fabio Reinhardt, selbst als Unternehmer Mitglied bei der IHK – | |
veröffentlichten die streng auf den [4][Terminkalender für den | |
Mietendeckel] und das Enteignungs-Volksbegehren zugeschnittene PR-Kampagne | |
nebst den Bildern der Entrepreneure aus dem Berlin-Mitte-Kosmos und dem | |
Kostenplan in Höhe von 500.000 Euro. Der taz liegt die Präsentation | |
ebenfalls vor. | |
## Testimonial wider Willen | |
Die Aufregung war vorprogrammiert: Denn laut dem Entwurf sprachen sich auch | |
die aktuellen Lieblingsfeinde der linken Blase – die Kondomhersteller | |
Einhorn, Mitinitiator:innen des [5][viel kritisierten Petitions-Events im | |
Berliner Olympiastadion] – gegen eines der größten Mobilisierungsthemen der | |
Linken aus: die Regulierung von Wohnraum. | |
Die Firma widersprach allerdings umgehend: Markus Wörner von Einhorn | |
Kondome sagte am Dienstag zur taz: „Ich war da heute Morgen ähnlich | |
überrascht wie alle anderen.“ Die Firma unterstütze weder diese Kampagne | |
noch ihr Anliegen. „Wir sind nicht Teil davon, und wenn wir gefragt worden | |
wären, hätten wir nicht mitgemacht.“ | |
Beim Brauhaus Brlo war man ähnlich überrascht: „Wir distanzieren uns | |
ausdrücklich von ‚Berlin bleibt frei‘“, heißt es auf Nachfrage. Zum | |
Mietendeckel wollten sich beide Unternehmen nicht äußern. | |
Umgehend folgten viele kleinlaute Entschuldigungen der IHK: „Die | |
abgebildeten Personen waren nur beispielhaft platziert und wurden daher | |
nicht um Zustimmung gebeten. Die Veröffentlichung war unser Fehler, und | |
dafür entschuldigen wir uns vielmals.“ Die Präsentation habe man umgehend | |
aus dem Netz genommen. | |
Claudia Engfeld, Sprecherin der IHK, sagte der taz: „Diese Bilder hätten | |
niemals das Licht der Öffentlichkeit erblicken dürfen.“ Wie es denn dazu | |
gekommen sei? Nun ja: Die Mitglieder hätten im Juni 2019 beschlossen, eine | |
Kampagne gegen Mietendeckel und Enteignungen zu machen. Man habe mehrere | |
Agenturen eingeladen und dann diese Präsentation in der IHK-Vollversammlung | |
den Mitgliedern gezeigt. Mit den Protokollunterlagen sei sie versehentlich | |
veröffentlicht worden. | |
Mittlerweile habe die IHK die PR-Kampagne allerdings wieder beerdigt, sagt | |
Engfeld – und zwar komplett. Im Oktober und November sei man im Präsidium | |
zum Ergebnis gekommen, dass die Kosten der Kampagne in keinem Verhältnis | |
zum Nutzen stehen würden. Vergangenen Freitag sei sie schließlich vollends | |
verworfen worden. | |
Mit dieser Einschätzung hat Engfeld wohl recht: Es wäre nicht die erste | |
eher wirkungslose PR-Kampagne gegen den Mietendeckel gewesen. Es gab | |
bereits das Bündnis [6][„Mut Stadt Wut“], dazu bezahlte | |
Unterschriftensammler*innen der wirtschaftsnahen Initiative „[7][Neue Wege | |
für Berlin“] und eine [8][krude Vermieter-Demo] Anfang Dezember, auf der | |
gemeinsam mit Baufirmenchefs auch deren angestellte Handwerker:innen | |
demonstrierten. | |
14 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Widerstand-gegen-den-Mietendeckel/!5641526 | |
[2] /Mietendeckel-in-Berlin/!5649943 | |
[3] https://twitter.com/Enigma424/status/1216490795445956608 | |
[4] https://twitter.com/clabauk/status/1216858927129710594 | |
[5] /Klima-Event-im-Olympiastadion/!5650366 | |
[6] /Bauwirtschaft-gegen-linke-Wohnpolitik/!5617574 | |
[7] /Initiative-Neue-Wege-fuer-Berlin/!5649089 | |
[8] /Eigentuemer-Demo-gegen-den-Mietendeckel/!5645042 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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