Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Klima-Event im Olympiastadion: Repressive Toleranz 2.0
> Sind bei #12062020olympia, das vom Kondomhersteller Einhorn organisiert
> und von Luisa Neubauer unterstützt wird, wirklich alle willkommen?
Bild: Der Kondomhersteller Philip Siefer im Gespräch mit Tilo Jung
Toleranz ist doch ein schönes Wort. Tolerant kann man gegenüber vielem
sein: Menschen mit anderem Musikgeschmack, Minderheiten, Fans der
gegnerischen Fußballmannschaft oder Migranten. Man kann und sollte auch
immer tolerant gegenüber politisch Andersdenkenden sein. Denn das Objekt
der Toleranz ist sekundär. Hauptsache, man ist tolerant. Richtig?
Nein, falsch. Wie dumm und schädlich die inhaltslose Phrase der Toleranz
sein kann, das demonstrierte ein junger Kondomhersteller namens Philip
Siefer im Gespräch mit Tilo Jung in der [1][450. Folge des YouTube-Formats
„Jung und Naiv]“, die seit Sonntag online ist. Siefer und seine
Start-up-Freunde haben Geld gesammelt, mit Tickets für eine
Bürgerversammlung im Olympiastadion in Berlin.
Dort sollen im Sommer Zehntausende Weltretter über Petitionen an den
Bundestag abstimmen. Alle sind willkommen. Also alle, die sich die
Weltrettung (ab 29,95 Euro) leisten können. Es geht um die großen Fragen
unserer Zeit: Klimawandel, globale Ungleichheit und auch Rassismus.
Im Gespräch mit Jung gab Organisator Siefer nun eine Antwort, die als
zeitgenössisches Paradebeispiel für das dienen kann, was der Philosoph
Herbert Marcuse einmal als „Repressive Toleranz“ (Essay aus dem Jahr 1965)
bezeichnete: Toleranz, die von Inhalten absieht, zum Selbstzweck wird und
deshalb schlecht ist, weil sie so erlaubt, dass auch das Schlechte und die
schlechten gesellschaftlichen Verhältnisse toleriert werden.
Ob denn wirklich auch alle willkommen seien, fragte Jung den
Olympia-Organisator deshalb. „Auch Nazis?“ Siefer antwortete: „Ja, also,
wenn sie sich konstruktiv an der Lösung der Probleme, die wir genannt
haben, beteiligen möchten.“
In den sozialen Medien meldeten sich daraufhin einmal mehr die Kritiker der
geplanten Weltrettung zu Wort. Schon vor der Nazi-Einladung hatte es dort
Kritik gehagelt – weil der [2][Eintrittspreis Menschen ausschließt] oder
der [3][Umgang mit Spendern größerer Summen] nicht gerade seriös wirkte.
Die letzte Welle der Kritik passt auf tragisch-komische Weise in diese
Reihe.
Und das Unbehagen ist berechtigt. Denn Siefers Antwort zeigt: Für wen die
Weltrettung eine Ware ist, dem ist der Käufer wurscht. Was den Verkäufer
einzig interessiert, ist sein Ertrag. So gesehen ist der Kaufmann der
toleranteste Mensch der Welt.
6 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=BEBGI774TiQ
[2] /Demokratie-Event-in-Berlin-2020/!5648805
[3] https://twitter.com/lepettre/status/1209398370063863810
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
Schwerpunkt Fridays For Future
Luisa Neubauer
Jung und Naiv
Schwerpunkt Klimaproteste
Olympiastadion
Schwerpunkt Coronavirus
Job
Kolumne Habibitus
Online-Petition
Charlotte Roche
## ARTIKEL ZUM THEMA
Politikfestival „12062020 Olympia“: Klimaaktion im Stadion fällt aus
60.000 Menschen sollten kommen. Doch nun ist das Event zum Sammeln von
Unterschriften für Petitionen in Berlin wegen Corona abgesagt worden.
Fridays for Future: Neubauer lehnt Siemens-Posten ab
Siemens-Chef Joe Kaeser bietet Klimaaktivistin Luisa Neubauer eine Rolle in
seinem Unternehmen an. Die macht aber einen anderen Vorschlag – und Druck.
Demokratie-Event in Berlin 2020: Eintritt für die Revolution
Der Circus Roncalli zieht im Juni ins Olympiastadion. Glauben Sie nicht?
Fühlt sich aber so an. Geben wir die Kohle doch lieber radikal aus!
Crowdfunding für Bürgerversammlung: Linke in Shitstorm-Modus
Nach dem erfolgreichen Crowdfunding erfährt das Petitions-Event im
Olympiastadion vor allem Spott. Die Kritik ist überheblich und
unsolidarisch.
Klimaaktion vor dem Scheitern: Doch kein Hipsterevent fürs Klima
Obwohl Fridays for Future und Promis geworben hatten: Das Crowdfunding fürs
Klimaevent im Berliner Olympia-Stadion wird wohl scheitern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.