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# taz.de -- Öko-Unternehmertum gegen Klimakrise: Raus aus dem Silodenken
> Die Klimawende kann im Ganzen nur durch tiefes Umdenken geschehen. Auch
> Sozialentrepreneure sind gefragt.
Bild: Wachstum darf nicht nur monetär berechnet werden
Man stelle sich vor, wir lebten in einer Gesellschaft, in der Fortschritt
am Wohlergehen möglichst vieler Menschen und des Planeten gemessen würde.
Einer Gesellschaft, die Wertschöpfung förderte und Schadschöpfung
verhinderte. In einer Gesellschaft, in der wir Unternehmen und
Organisationen gründeten und führten rund um die Idee, einen Beitrag zu
einer chancengerechten, nachhaltigen und inklusiven Welt zu leisten.
Zukunftsbilder wie diese zur Realität zu machen hieße, soziale Innovationen
zu fördern. Sie beschreiben laut dem [1][Hightech-Forum] der
Bundesregierung, einem der obersten Beratungsgremien für Zukunftsfragen,
„neue soziale Praktiken und Organisationsmodelle, die darauf abzielen, für
die Herausforderungen unserer Gesellschaft tragfähige und nachhaltige
Lösungen zu finden“. Und sie kommen in diesem Wahlkampf kaum vor.
Stattdessen hören wir immer wieder etwas von (nicht) zumutbaren Zumutungen,
von Gängelung, von möglicher Verbotskultur, von der Notwendigkeit, Freiheit
(welche eigentlich?) zu schützen. Das ist ein Versäumnis. Soziale
Innovationen gehören auf die große Bühne der Politik, aus vielen Gründen.
Auf dem Weg in Richtung Zukunft, so viel scheint uns als
wissenschaftsorientierten Bürgerinnen klar, müssen wir wilde
Anstrengungen unternehmen, um uns nicht selbst durch unsere nicht
zugemuteten Zumutungen unserer Lebensgrundlage zu entziehen. Ob Klimakrise,
demografischer Wandel, Digitalisierung, soziale Spaltung: Die
gesellschaftlichen Herausforderungen sind groß und komplex. Und sie
bedürfen, dass wir rausgehen aus den Silos, Gewohnheiten und
Zuständigkeiten, in denen wir uns heute noch viel zu stark organisieren.
Umdenken ist angesagt!
Erstes Hindernis auf dem Weg zu einer nachhaltigen und chancengerechten
Welt: Die Technologie wird es schon richten. Nein, wird sie nicht. Und erst
recht nicht, wenn wir auf dem Weg auch Bildung mitnehmen und
gesellschaftliches Miteinander neu denken. Transformation ist sozial,
immer. Daher kann auch unser Innovationsbegriff und unser
Innovationsökosystem nicht auf rein technologische Innovationen ausgelegt
sein.
## Haltung ändern
So wird uns die Ernährungswende nicht gelingen, wenn wir unsere Haltung zu
Lebensmitteln nicht verändern. Innovationen liegen auch darin, Kindern
Natur näher zu bringen, Wertschöpfungsketten für nicht genormte
Lebensmittel zu schaffen oder die öffentliche Allmende wieder zu beleben.
Die Mobilitätswende wird uns nicht gelingen, wenn wir nicht die Beziehung
von Arbeit und Leben neu denken. Soziale Innovationen stecken in der
Wiederbelebung ländlicher Strukturen durch die Stärkung von
Bürgerengagement, in regionalen Mobilitätskonzepten und in
multifunktionalen Wohn- und Arbeitsformen.
Klimaschutz wird uns nicht gelingen, wenn wir nicht Konsumalternativen
aufzeigen, Menschen für Klimaschutz begeistern und mit neuen
Landwirtschaftskonzepten schützen.
## Nachhaltigkeit im Blick
An all diesen und vielen anderen Veränderungsprozessen arbeiten heute schon
Social Entrepreneurs – Unternehmerinnen und Unternehmer, die innovativ
gesellschaftliche Herausforderungen angehen und dabei die ökonomische,
ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Blick behalten. Die bisher aber
von der Politik ausgebremst werden, da es für Sozialunternehmen keine klare
Zuständigkeit innerhalb der Bundesregierung gibt. Das zeigt sich schon bei
der Gründung – und der richtigen Rechtsform. Sozialunternehmen haben die
Gemeinwohlorientierung in der DNA verankert, bekommen aber oft keine
Gemeinnützigkeit, da ihre innovativen Geschäftstätigkeiten nicht in die
Abgabenordnung der Finanzämter passen.
Nächster Punkt: Wenn jedes politische Ressort das gut macht, was es am
besten kann, ist alles getan. Nein, ist es nicht. Wenn wir bei diesem
Silodenken bleiben, in dem das Wirtschaftsministerium Wachstum fördert, das
Umweltministerium aufräumt, was an ökologischen Schäden produziert wurde,
und das Sozialministerium sich darum bemüht, dass für alle etwas übrig
bleibt, gibt es keinen Fortschritt.
Soziale Innovationen fördern wir nur so: ressortübergreifend, mit
Technologie als Mittel zum Zweck, mit systemischem Blick auf Veränderung
und viele, vor allem Betroffene, mit einbeziehend. Deswegen brauchen
soziale Innovationen eine übergeordnete politische Zuständigkeit. Sie sind
– wie auch Digitalisierung – ein Querschnittsthema.
## Wachstum anders denken
Und noch ein zum Streit einladender Satz: Erfolg heißt Wachstum, in
monetärem Profit und Organisationsgröße. Nein, das ist schon lange zu kurz
gegriffen. Solange wir Wachstum nur monetär berechnen, verlieren wir den
Blick auf das, was zerstört wird – die sozialen und ökologischen Kosten,
die auf die Allgemeinheit umgelagert werden. Und wir erkennen nicht an, was
wir an Werten für das Gemeinwohl schaffen.
Wir erleben heute, wie [2][Social Entrepreneurs] an bestehenden Strukturen
scheitern, da wir ihren Innovationen den Zugang zu Finanzierung und
Verbreitung verwehren, weil sie nicht in unser klassisches
Innovationsverständnis passen. Dabei geht es doch bei Innovationen genau
darum – zu zeigen, was in Zukunft wünschenswert ist. Politik und Verwaltung
allein werden es nicht richten, sie müssen den Rahmen setzen für eine neue
Innovationskultur im Land. Als Bürger:innen können wir erwarten, dass
sie das tun.
Für in einer von Sorge und oft auch Angst geprägten Zeit, in der uns
buchstäblich die Zeit davonläuft, brauchen wir Bilder von Zukünften, in
denen es sich zu leben lohnt und die es mitzugestalten lohnt. Die
begeistern! Der Blick auf soziale Innovationen und diejenigen, die sich
heute schon auf den Weg machen, sie zu entwickeln, voranzutreiben, zu
verbreiten – der kann Zukunftslust machen. Gehen wir mit.
17 Sep 2021
## LINKS
[1] https://ergebniskonferenz-hightech-forum.de/
[2] https://www.social-startups.de/social-entrepreneurship/
## AUTOREN
Katrin Elsemann
Laura Haverkamp
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Nachhaltigkeit
Sozialer Zusammenhalt
Lieferdienste
Blockchain
Mietendeckel
Kapitalismus
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