# taz.de -- Mietendeckel in Berlin: Bestimmt ein Streitfall | |
> Sehnsüchtiger erwartet als der BER: der Mietendeckel. Am 30. Januar soll | |
> er beschlossen werden. Und dann wird er die Gerichte beschäftigen. | |
Bild: Reparaturarbeiten in Berlin: da fehlt es nur noch am richtigen Deckel | |
Sie hoffe auf eine „schnelle Entscheidung“ der Gerichte zum Mietendeckel, | |
sagte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) Ende Dezember. | |
Die Möglichkeit zur Absenkung gebe es neun Monate nach [1][Inkrafttretten | |
des Gesetzes]. „Wir haben die Hoffnung, dass wir dann schon eine | |
gerichtliche Klärung haben“, so Lompscher. Aber momentan sollte man eher | |
darauf wetten, dass der neue Berliner Flughafen am 31. Oktober eröffnet. | |
Der Mietendeckel könnte noch in einigen Jahren die Verfassungsgerichte | |
beschäftigen. Das Gesetz soll am 30. Januar beschlossen werden. | |
Bis jetzt ist nicht einmal klar, ob zunächst das Landes- oder gleich das | |
Bundesverfassungsgericht entscheiden wird. In Berlin haben die Fraktionen | |
von CDU und FDP ein Normenkontrollverfahren vor dem | |
Landesverfassungsgericht angekündigt. Gleichzeitig will die | |
Bundestagsfraktion der FDP nach Karlsruhe ziehen, braucht aber noch eine | |
Reihe von Unionsabgeordneten dafür, damit das 25-Prozent-Quorum von | |
Abgeordneten erfüllt ist. Wie viele mitmachen, ist ebenso unklar wie die | |
Frage, ob FDP und Union eine einstweilige Anordnung beantragen. Dann könnte | |
der Mietendeckel über Jahre bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache | |
ausgesetzt werden. | |
Verfassungsgerichte sind in Deutschland nicht so stark wie etwa in den USA | |
politisiert, auch wenn die Richter von Landtagen und Bundestagen gewählt | |
werden. Dennoch ist eine der offenen Fragen, ob sich die starke | |
Polarisierung bei den juristischen Gutachten zum Mietendeckel auch in den | |
Entscheidungen der Verfassungsgerichte widerspiegeln wird. Als eher links | |
bekannte Juristen wie Andreas Fischer-Lescano hatten in ihren Gutachten die | |
Zulässigkeit eines landeseigenen Mietendeckels bejaht, der CSU-nahe frühere | |
Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, bestritt dies | |
in zwei Gutachten für die Wohnungswirtschaft. | |
Umstritten ist unter linken Juristen, ob das Gesetz möglichst „wasserdicht“ | |
gemacht werden soll – was hieße, darin nur einen Deckel zu verankern, aber | |
beispielsweise auf die Absenkung hoher Mieten zu verzichten. Möglicherweise | |
bietet aber gerade die Überfrachtung des Gesetzes mit offenen juristischen | |
Fragen den Raum für eine „Ja, aber“-Kompromisslösung der Gerichte. Am Ende | |
könnte der Deckel Bestand haben, während einzelne Teile als unzulässig | |
bewertet werden. | |
## Neuland betreten | |
Schon mit der Grundfrage, ob Berlin einen Mietendeckel beschließen darf, | |
betritt der Senat „Neuland“ (Lompscher). 2006 hatte der Bund die | |
Kompetenzen in der Wohnungspolitik weitgehend den Ländern übergeben, die | |
Regelung der Mietpreise aber nicht ausdrücklich erwähnt. Nun streiten | |
Juristen darüber, ob der Mietendeckel, eine öffentlich-rechtliche Regelung, | |
zulässig ist, obwohl der Bund schon im Zivilrecht eine Mietpreisbremse | |
verankert hat. | |
Die „wechselseitigen Respektregeln im Föderalismus“ verlangten es, die | |
„Kompetenzzuordnung des Grundgesetzes föderalismusfreundlich | |
auszulegen“, schreibt Fischer-Lescano in seinem Gutachten für die | |
Linke-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung. Papier vertritt hingegen die Meinung, | |
dass der Bund mit der Mietpreisbremse deutlich gemacht habe, dass er die | |
Miethöhen regeln wolle, und damit eine eigene Gesetzgebung der Länder | |
ausgeschlossen sei. Eine Zwischenposition formulierte Ulrich Battis: Der | |
Mietendeckel sei verfassungsrechtlich zwar zulässig, aber die | |
Mietobergrenzen, die Lompschers Entwurf vorsieht, hält Battis für | |
verfassungswidrig, weil sie ein Gegenkonzept zum Bundesrecht bilden würden. | |
Umstritten sind auch einzelne Punkte. So monierte Christoph U. Schmid (Uni | |
Bremen), der zusammen mit Fischer-Lescano das Gutachten für die | |
Luxemburg-Stiftung verfasst hatte, in der Anhörung des Abgeordnetenhauses | |
überraschenderweise, dass der Mietenstopp auch für Vermieter gelte, die | |
bisher unterhalb der gesetzlichen Obergrenze vermietet haben. Vermieter, | |
die bisher ihren Spielraum ausgeschöpft hätten, würden dagegen höchstens um | |
20 Prozent gedeckelt. Diese „Ungleichbehandlung“ sei „schwer zu | |
rechtfertigen“. | |
## Eile als Risiko | |
Zum größten Risiko für den Mietendeckel dürfte aber die Eile werden, mit | |
der das Gesetz vorangetrieben wurde. Noch vor etwas über einem Jahr hatte | |
kaum jemand die Möglichkeit geahnt, einen landeseigenen Mietendeckel | |
einzuführen. Dann schrieb der [2][Jurist Peter Weber], beruflich beim | |
Bezirksamt Pankow angestellt, in seiner Freizeit für die JuristenZeitung | |
einen Artikel. Tenor: Die Länder können eigene Mietendeckel verabschieden. | |
Getrieben von der Öffentlichkeit und der Konkurrenz zwischen den drei | |
Regierungsparteien, legte Senatorin Katrin Lompscher ihren Gesetzentwurf im | |
August vor. Das Sperrfeuer aus den Lobbyorganisationen der | |
Immobilienbranche und das Misstrauen aus der eigenen, früher SPD-geführten, | |
Senatsverwaltung machten die Sache nicht leichter. | |
Ein guter Gesetzentwurf bräuchte wohl mehr Zeit, schon um sämtliche | |
Möglichkeiten, das Gesetz zu umgehen, auszuschließen. Aber ein längerer | |
Zeitraum für ein präziseres Gesetz wäre auch zum Anheben der Mieten | |
genutzt worden. | |
Es sei „das Zeichen von totalitären Gesellschaften, Experimente nur dann | |
durchzuführen, wenn man das Ergebnis kennt“, sagte Kilian Wegner, ein | |
sozialdemokratischer Jurist, in der Anhörung des Abgeordnetenhauses. Der | |
„Kern einer freien Gesellschaft“ sei „das Risiko“, verteidigte er das | |
Vorgehen, ein Gesetz zu verabschieden, das in Karlsruhe scheitern könnte. | |
So weit ist es also nach jahrelangen Mietsteigerungen in Berlin gekommen: | |
Sogar die SPD, die Mutter aller vorsichtigen Parteien, will als | |
experimentierfreudig gelten – und sagt, um eine sozialdemokratische | |
Regulierung zu verteidigen, Sätze, die man von Liberalen erwarten würde. | |
Dieser Text ist Teil eines Schwerpunktes im Berlinteil in der Print-Ausgabe | |
der taz am wochenende vom 4./5. Januar 2020. | |
4 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Anhoerung-zum-Mietendeckel/!5645827 | |
[2] /Neue-wohnungspolitische-Offensive/!5563699 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
## TAGS | |
Mietendeckel | |
Berliner Senat | |
Katrin Lompscher | |
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
Florian Schmidt | |
Mietendeckel | |
Mietendeckel | |
Mietendeckel | |
Mietendeckel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Verfassungsklage der CDU kommt: Mietendeckel vor Gericht | |
Mehr als ein Viertel der Bundestagsabgeordneten will Verfassungsklage gegen | |
den Mietendeckel einreichen. Damit wäre der Weg nach Karlsruhe frei. | |
Baustadtrat in Berlin unter Druck: Aktivismus oder Amt? | |
Lange galt Florian Schmidt, grüner Baustadtrat in Berlin-Kreuzberg, als | |
Robin Hood der Mieter. Nun gerät er unter Druck. Wofür steht dieser Mann? | |
IHK gegen den Mietendeckel: PR-Kampagne gedeckelt | |
Auch die IHK wollte gegen den Mietendeckel mobilisieren. Doch schon der | |
Entwurf wurde ein PR-Desaster. Und an einen Erfolg glaubte die IHK auch | |
nicht. | |
Wohnungsknappheit in Großstädten: Mehr Neubau wagen | |
Gerade in Städten mit der größten Wohnungsknappheit sperren sich | |
BürgerInnen vehement gegen Bauprojekte. Dagegen hilft nur forcierter | |
Neubau. | |
Angst vor dem Mietendeckel: Jammern auf hohem Niveau | |
Ist die Mietendeckel-Angst von Vermietern und Bauwirtschaft berechtigt? | |
Nein: Die Immobilienwirtschaft kann sich vor Aufträgen nicht retten. | |
BBU-Wohnungsmarktbericht und Zuzug: Berlin hat weniger mehr | |
Die Mieten in Berlin steigen weiter, allerdings nicht mehr so stark wie in | |
den Vorjahren. Es wird mehr gebaut, weniger Menschen ziehen in die Stadt. |