| # taz.de -- Vertrag mit Energiekonzernen: Kohleausstieg geht auch früher | |
| > Die Bundesregierung einigt sich mit den Konzernen: Sie bekommen viel | |
| > Geld, aber keinen Schutz vor künftigen Regelungen, die das Aus | |
| > beschleunigen. | |
| Bild: Irgendwann ist Schluss: Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde soll bis 202… | |
| Berlin taz | Der Ausstieg aus der Kohlenutzung hat eine wichtige Hürde | |
| genommen: Die Bundesregierung hat sich mit den Betreibern der | |
| Braunkohlekraftwerke und Tagebaue auf einen öffentlich-rechtlichen Vertrag | |
| geeinigt, mit dem die allmähliche Beendigung der Kohlenutzung rechtlich | |
| abgesichert wird. Am Mittwoch billigte das Bundeskabinett den | |
| Vertragsentwurf. Wenn in der nächsten Woche auch der Bundestag zustimmt, | |
| kann der Vertrag vom Wirtschaftsministerium sowie den Energiekonzernen RWE | |
| und Leag unterzeichnet werden. | |
| Die Übereinkunft setzt im Wesentlichen um, worauf sich die sogenannte | |
| Kohlekommission mit VertreterInnen aus Wissenschaft, Politik und | |
| Gesellschaft im vergangenen Jahr nach langem Ringen geeinigt hatte: Die | |
| deutschen Braunkohlekraftwerke gehen bis zum Jahr 2038 schrittweise vom | |
| Netz. Im Gegenzug bekommen die Betreiber eine hohe Entschädigung: Dem | |
| Unternehmen RWE, das die Tagebaue und Kraftwerke im Rheinland betreibt, | |
| werden 2,6 Milliarden Euro gezahlt, die Leag sowie diverse ihrer | |
| Tochterunternehmen erhalten zusammengerechnet 1,75 Milliarden. | |
| An der Höhe dieser Entschädigung hatte es im Vorfeld [1][viel Kritik | |
| gegeben]. Umweltverbände und WissenschaftlerInnen betonten, dass sich die | |
| wirtschaftliche Situation für die Braunkohle zuletzt stark verschlechtert | |
| hatte, sodass die Unternehmen mit den Kraftwerken kaum noch Geld verdienen. | |
| Trotzdem hält die Regierung an der ursprünglich zugesagten Höhe fest. | |
| Verändert werden allerdings die Auszahlungsbedingungen, um sicherzustellen, | |
| dass die Gelder nach Schließung der Tagebaue tatsächlich für die | |
| Rekultivierung der Flächen zur Verfügung stehen. Kümmern sich die | |
| Unternehmen nicht um die dafür nötigen Rückstellungen, kann die | |
| Entschädigung stattdessen direkt an die zuständigen Bergämter gezahlt | |
| werden. Im Fall einer Unternehmensinsolvenz sind diese für die | |
| Rekultivierung zuständig. | |
| Umweltministerium: Bedenken an Vertrag unbegründet | |
| KritikerInnen äußerten im Vorfeld die Sorge, dass der Vertrag einen | |
| frühzeitigen Kohleausstieg unmöglich mache, weil den Konzernen dann weitere | |
| Entschädigungen zustehen. Nach Einschätzung des Umweltministeriums sind | |
| diese Bedenken unbegründet. Zwar verpflichtet sich die Regierung, in | |
| Zukunft keine Sondervorschriften gegen die Braunkohle zu erlassen, | |
| zumindest nicht ohne Entschädigung. | |
| Regelungen, die den gesamten Energiesektor betreffen – etwa eine Erhöhung | |
| der CO2-Preise im Emissionshandel oder ein schnellerer Ausbau der | |
| erneuerbaren Energien – bleiben jedoch ausdrücklich möglich. Wenn die | |
| Braunkohle auf diese Weise schneller aus dem Markt gedrängt würde, erhalten | |
| die Betreiber keine zusätzlichen Zahlungen. | |
| Auch wenn das Abschaltdatum für einzelne Kraftwerke nachträglich um drei | |
| Jahre vorgezogen wird, gibt es kein zusätzliches Geld, sofern dies | |
| mindestens fünf Jahre vor dem neuen Stilllegungsdatum beschlossen wird. | |
| Zudem wird im Vertrag die Vereinbarung festgeschrieben, dass der [2][lange | |
| umkämpfte Hambacher Forst] dem benachbarten Tagebau nicht zum Opfer fällt. | |
| Der ebenfalls heftig umstrittene Tagebau Garzweiler II, für den noch | |
| mehrere Dörfer weichen müssten, wird dagegen ausdrücklich als | |
| „energiewirtschaftlich notwendig“ festgeschrieben. | |
| Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) zeigte sich zufrieden mit der | |
| Einigung. „Mir war wichtig, dass durch den Vertrag die umwelt- und | |
| klimapolitischen Gestaltungsmöglichkeiten erhalten bleiben“, erklärte sie. | |
| Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) lobte den Vertrag: „Damit | |
| steht fest: Wir werden das Zeitalter der Kohleverstromung planbar und | |
| wirtschaftlich vernünftig beenden.“ | |
| Greenpeace lehnt Einigung ab | |
| Von Umweltverbänden kamen gemischte Reaktionen. Kai Niebert, der als | |
| Präsident des Umwelt-Dachverbands DNR in der Kohlekommission saß, betonte | |
| auf Twitter die positiven Aspekte der Übereinkunft: „Die Braunkohle wird | |
| zwar großzügig beerdigt, aber nicht künstlich am Leben gehalten“, schrieb | |
| er. Zudem lobte Niebert, dass weitere Verschärfungen im Emissionshandel | |
| entschädigungsfrei möglich sind: „Damit wird alles viel, viel schneller | |
| gehen.“ | |
| Die Umweltorganisation Greenpeace lehnt die Einigung dagegen ab: „Die | |
| Verträge knebeln künftige Regierungen und schränken sie in ihrer | |
| Handlungsfähigkeit ein“, sagte Klimaexperte Karsten Smid. Besonders | |
| kritisch sieht er die Aussagen zum Tagebau Garzweiler II: „Seine politische | |
| Vorfestlegung als 'energiewirtschaftlich notwendig’ entbehrt jeder | |
| fachlichen Grundlage und widerspricht den Klimazielen von Paris“, so Smid. | |
| Kritik kommt auch von der Opposition. Für die Grünen erklärte Fraktionsvize | |
| Oliver Krischer: „Die Bundesregierung verpasst die Chance für einen | |
| Kohleausstieg, der dem Pariser Klimaabkommen auch nur ansatzweise gerecht | |
| würde.“ Aus Sicht des Klimaexperten der Linken, Lorenz Gösta Beutin, sind | |
| die geplanten Entschädigungen „ein großes Kohlekonzern-Geschenk der Groko | |
| auf Steuerzahlerkosten“. | |
| 24 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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