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# taz.de -- Braunkohle-Blockaden in NRW: Nach der Straße das Loch
> Um Braunkohle abzubauen, sollen fünf bewohnte Dörfer weichen. An einer
> Landstraße haben Anwohner*innen und Aktivist*innen Abrissarbeiten
> blockiert.
Bild: Demonstranten blockieren die Straße L277, um deren Abriss zu verhindern
BERVERATH taz | Etwa 60 Menschen sitzen auf der Erde und den Hügeln aus
Betonstücken, wo am Wochenende noch Landstraße war. Sie blockieren die
Abrissarbeiten von RWE. Die Polizei ist vor Ort, die Arbeiten ruhen. Der
Schaufelbagger schaufelt nicht mehr: Er dreht sich unablässig um sich
selbst wie eine im eigenen Schwung gefangene Ballerina. Niemand soll
hinaufklettern und den Bagger besetzen können. Nicht schon wieder.
Seit Montag, den 20. Juli, laufen die Abrissarbeiten von RWE an der L277 in
Nordrhein-Westfalen. Seit Sonntag gibt es jeden Tag Proteste, Blockaden,
besetzte Maschinen. Am Mittwoch, den 22. Juli, beteiligen sich erstmals
auch Anwohner*innen der betroffenen Dörfer an der Blockade. Für sie alle
sei die L277 die rote Linie, sagt Tina Dresen. Sie wohnt mit ihrer Familie
im Dorf Kuckum auf einem denkmalgeschützten Bauernhof. Am Mittwoch ist sie
als Zuschauerin dabei. „Die L277 ist die einzige Grenze, die wir noch
haben, zwischen Tagebau und Dörfern“, sagt sie. „Die einzige Mauer
sozusagen, die unsere Heimat von diesem Loch trennt.“
In den nächsten Jahren soll der Braunkohle-Tagebau Garzweiler erweitert
werden: Die fünf Dörfer Berverath, Ober- und Unterwestrich, Keyenberg und
Kuckum sollen dafür weichen. Nur wollen viele nicht weg. Im Dorf Kuckum
sind es etwa zwei Drittel, die bleiben wollen. Dass ihnen Zwangsenteignung
droht, damit Braunkohle abgebaut werden kann – das sei vor allem in der
heutigen Zeit nicht nachzuvollziehen, sagt Dresen. „Es ist schwierig zu
verkraften.“ Aber die Unterstützung gebe ihr Hoffnung. „Mittlerweile haben
wir von Fridays for Future bis zu Ende Gelände alle Leute hinter uns
stehen. Alle setzen sich für die Dörfer ein.“
## Es geht um Solidarität
Die Pressesprecherin der Mittwochsaktion „Keinen Meter der Kohle“ nennt
sich Mira. „Wenn die L277 weg ist, graben die Tagebau-Bagger direkt vor den
Dörfern“, sagt sie. Bei der Aktion gehe es vor allem um Solidarität. „Wir
wollen ein klares Zeichen setzen, dass alle Dörfer bleiben und dass wir an
der Seite der Menschen hier vor Ort stehen.“ Außerdem sei Ziel, auf Unrecht
aufmerksam zu machen. „RWE plant, dass das hier mal Tagebaugelände wird“,
sagt Mira und schaut auf die Felder, die bis zum Horizont reichen. „Wir
sehen das anders. Dieser Protest wird sich ziemlich sicher zuspitzen.“
Die Polizei Aachen zeigt an diesem Tag viel Ausdauer. Gegen 8 Uhr beginnt
die Blockade, gegen 14 Uhr ist sie geräumt. Dazwischen liegen unzählige
Gespräche, Ansagen, Bitten, Vermittlungen. Beamt*innen in Uniformen
schwitzen sich stundenlang durch die Mittagssonne. Die Polizei Aachen tut,
was eine Polizei macht, wenn sie mit gewaltlosem Protest umzugehen hat, und
unnötige Gewalt vermeiden möchte: Kommunikation statt Schlagstock, Geduld
statt Pfefferspray.
Tina Dresen sagt, ihr Verhältnis zur Polizei habe sich in den letzten
Jahren eher negativ geändert. Aber vor allem die Politik habe sie verloren.
Ihre Heimat sei für die Bundes- wie Landesregierung bedeutungslos, sagt
Dresen. „Wir haben mit so vielen Leuten gesprochen, mit so vielen
Politikern. Keiner interessiert sich wirklich für die Heimat. Hinterrücks
planen sie weiter den Abriss und versuchen uns rauszudrängen.“ Aber Dresen
sagt auch: Es gehe weiter. „Wir werden alles dafür tun, um nicht
umgesiedelt zu werden“, sagt sie. „Wir sind fest überzeugt, dass wir das
schaffen.“
22 Jul 2020
## AUTOREN
Anett Selle
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