# taz.de -- Verlängerung der Laufzeiten: Es liegt am Atom-Bedarf im Süden | |
> Macht nur der obskure Strommarkt die AKW-Reserve notwendig? Rufe nach | |
> Neuorganisierung werden laut. | |
Bild: Neckarwestheim: Der Kraftwerksbedarf in Süddeutschland“ sei „eine Sc… | |
FREIBURG taz | Die Energiekrise rückt ein altbekanntes Defizit des | |
Strommarkts ins Blickfeld – nämlich den deutschlandweiten Einheitspreis im | |
Großhandel. Die Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen und | |
Mecklenburg-Vorpommern wollen diesen kippen und treten für eine regionale | |
Auftrennung des Marktes ein. Damit würde der Strompreis in Regionen mit | |
Stromüberschuss im Mittel sinken, in anderen Regionen steigen. | |
Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) ließ sich jüngst mit den | |
Worten zitieren: „[1][Wenn ich da lebe oder produziere, wo auch die Energie | |
produziert oder angelandet wird], muss diese Energie dort auch günstiger | |
sein.“ Protest kam umgehend von der bayerischen Landesregierung, die | |
kurzerhand die hohen Einzahlungen des Freistaats in den | |
Länderfinanzausgleich gegenrechnete. | |
Aber der bayerische Einwand ändert nichts daran, dass die Organisation des | |
Strommarkts etwas bizarr ist. Wenn im Norden viel Wind weht, fallen am | |
Spotmarkt die Preise. Wegen des Einheitspreises kann dann auch ein | |
Unternehmen in Bayern oder Baden-Württemberg billig Strom einkaufen, selbst | |
wenn es keine entsprechenden Leitungen gibt. In der Branche vergleicht man | |
den Aufbau des Strommarkts gerne mit einer Kupferplatte – als könnte jede | |
Kilowattstunde jederzeit überallhin fließen. | |
So kommt es regelmäßig vor, dass der zuvor billig im ganzen Land und sogar | |
ins Ausland verkaufte Strom von der Küste im betreffenden Moment gar nicht | |
zu den Käufern gelangen kann. Dann müssen – als Wächter über die | |
Netzstabilität – die Übertragungsnetzbetreiber durch den sogenannten | |
Redispatch in den Markt eingreifen. Sie regeln dann Stromerzeuger im Norden | |
herunter und fahren dafür solche im Süden hoch und kompensieren damit | |
Netzengpässe. Dieses Manöver aber bezahlen nicht jene Stromverbraucher im | |
Süden oder im Ausland, die billigen Strom aus dem Norden gekauft haben; | |
vielmehr werden die Kosten auf die Netzentgelte umgelegt. | |
## 4 bis 5 Zonen | |
Regionale Preiszonen verhindern eine solche Fehlsteuerung. Ungewöhnlich | |
sind mehrere Marktgebiete in einem Land nicht: Norwegen hat fünf Zonen, | |
Schweden vier. Mit der Auftrennung von Marktgebieten gibt es zudem bereits | |
Erfahrung; 2018 wurde die bisher einheitliche Strompreiszone von | |
Deutschland und Österreich geteilt, nachdem sie zu immer stärkeren | |
Verwerfungen im Marktgeschehen geführt hatte. | |
Seit Jahren schon wird eine Auftrennung Deutschlands zumindest in eine | |
Nord- und eine Südzone diskutiert – aber nichts ist passiert. Nun gewinnt | |
das Thema einerseits durch die Beschwerden jener Bundesländer an Brisanz, | |
die über viel Windkraft verfügen und stärker von deren preissenkendem | |
Effekt profitieren wollen. Zudem rückt auch die Anti-Atom-Organisation | |
Ausgestrahlt den Reservebetrieb der beiden Atomkraftwerke Neckarwestheim 2 | |
und Isar 2 in den Kontext der Strommärkte. | |
Die Reaktoren sollen, so hat es Wirtschaftsminister Robert Habeck | |
angekündigt, den Winter über bereitstehen, um die Netzstabilität | |
abzusichern. [2][Nach Einschätzung von Ausgestrahlt] wäre dies nicht nötig, | |
wäre der Strommarkt anders organisiert. Der „angebliche Kraftwerksbedarf in | |
Süddeutschland“ sei „eine Schimäre“, so die Atomkraftgegner. Er ließe … | |
„in Luft auflösen“ durch eine Neuordnung des Stromhandels – indem man die | |
Verfügbarkeit von Leitungen zur Voraussetzung für jeden Stromeinkauf macht. | |
Habeck solle, so Ausgestrahlt, „den Markt der Physik anpassen“. | |
Das ist freilich bis Mitte April – so lange sollen die beiden Reaktoren | |
laufen – nicht machbar. Aber später könnte eine Aufspaltung der Gebotszonen | |
im Strommarkt tatsächlich kommen. Denn die EU macht Druck: Wenn die | |
Engpässe im Übertragungsnetz nicht bis 2025 beseitigt werden, könnte sie | |
eine Auftrennung des Marktes in zumindest eine Nord- und eine Südzone | |
anordnen. | |
28 Sep 2022 | |
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[1] https://www.haz.de/der-norden/energiekosten-kanzler-bundeskanzler-scholz-ge… | |
[2] https://www.ausgestrahlt.de/presse/uebersicht/netzsicherheit-kein-grund-fur… | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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