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# taz.de -- Vorstoß der EU-Kommission: EU forciert Ausbau von Atomkraft
> Ein Aufschlag zur Reform des europäischen Strommarkts ist da: Staaten
> sollen AKWs genauso fördern dürfen wie erneuerbare Energien.
Bild: Bald gibt’s noch mehr Geld für Atomkraft in Frankreich: Kühltürme de…
Berlin taz | Die EU-Kommission will die staatlichen Fördermöglichkeiten für
Atomkraft mit denen für erneuerbare Energien gleichstellen. Das geht aus
den Vorschlägen für die [1][Reform des europäischen Strommarktes] hervor,
die die Kommission am Dienstag veröffentlicht hat. Gleichzeitig plant sie,
die staatlichen Instrumente für die Förderung erneuerbarer Energien
einzuschränken.
Als Reaktion auf die Energiekrise hat sich die EU eine Reform des
Strommarktes vorgenommen. Damit sollen künftig extreme Preisausschläge wie
im vergangenen Jahr verhindert, außerdem soll die Abkehr von fossilen
Energien forciert werden. Ursprünglich war eine umfassende Reform geplant.
Davon ist nicht viel übrig geblieben.
Beispielsweise will die Kommission an dem sogenannten Merit-Order-Prinzip
festhalten. Das heißt: Es gibt einen Einheitspreis für Strom im Großhandel
– und der richtet sich nach dem Erzeuger, dessen Betriebskosten aktuell am
höchsten sind. Steigt die Nachfrage nach Strom, werden nach und nach immer
teurere Kraftwerke zugeschaltet, die dann den Preis für den gesamten Markt
setzen.
So waren die hohen Gaspreise im vergangenen Jahr auf [2][den gesamten
Strommarkt] durchgeschlagen. Sobald es aufgrund hoher Nachfrage nötig war,
Gaskraftwerke zu nutzen, explodierten die Preise für Strom – obwohl sich an
den Erzeugungskosten für Kohle- und Atomkraftwerke sowie Wind- und
Solaranlagen nichts geändert hatte.
## Staatliche Förderung für Atomkraftwerke
Erklärtes Ziel der Reform laut Kommissionschefin Ursula von der Leyen: Den
Verbraucher:innen sollten die Kostenvorteile der erneuerbaren Energien
nähergebracht werden. Die Kommission schlägt dazu zwei Instrumente vor.
Das eine sind langfristige Abnahmeverträge, die bisher vor allem
industrielle Großkunden nutzen. Künftig sollen sie auch
Verbraucher:innen offen stehen. Sie können dann langfristig stabile
Preise vereinbaren. Parallel sollen Kund:innen auch Verträge mit
dynamischen Preisen schließen können, um Schwankungen für sich nutzen zu
können – um etwa das E-Auto zu laden, wenn der Strom billig ist.
Das andere, wichtigere Instrument sind sogenannte Differenzverträge. Sie
sollen künftig das einzige staatliche Förderinstrument für die
Energieerzeugung werden, also etwa die deutschen Einspeisevergütungen für
erneuerbare Energien ablösen.
Die Idee: Es gibt einen Preiskorridor oder Festpreis für den Strom. Ist der
Marktpreis niedriger, soll der Staat Geld an die Erzeuger zahlen. Ist er
höher, soll das Geld abgeschöpft und etwa an Verbraucher:innen verteilt
werden. So haben die Energieunternehmen Investitionssicherheit und die
Verbraucher:innen sind vor zu hohen Preisen geschützt.
Staaten sollen aber nicht jede Kraftwerksart so unterstützen dürfen,
sondern nur die erneuerbaren Energien – und Atomkraft. Deutschland wird
zwar aus der Atomkraft am 15. April aussteigen, andere Länder wie
Frankreich planen aber neue Meiler. Nach der Einstufung von Atomkraft als
nachhaltig bei der Bewertung von privaten Geldanlagen durch die
EU-Taxonomie ist das der nächste Schritt, mit dem Investitionen in
Atomkraft in Europa vorangetrieben werden.
„Das ist eine überraschende Herangehensweise“, findet der
Energiewissenschaftler Manfred Fischedick, Chef des [3][Wuppertal Instituts
für Klima, Umwelt, Energie]. Aus seiner Sicht steht sie dem Ziel der
Strommarktreform entgegen, die Kosten verträglich zu halten. „Für
Stromkunden in Ländern, die weiter auf Atomkraft setzen, ist das absolut
kontraproduktiv. Für sie steigen die Kosten durch Differenzverträge für
neue Atomkraftwerke, die im Vergleich zu erneuerbaren Energien
unwirtschaftlich sind“, erklärte der Experte.
Er fürchtet zudem, dass so eine Regelung in Ländern wie Frankreich den
Anreiz senken würde, erneuerbare Energien auszubauen. Und noch eine Sorge
treibt ihn um: „Ich halte es für ein fatales internationales Signal“, so
Fischedick. „Die EU macht Atomkraft hoffähig.“
## Kritik von Grünen und Linken
Auch Grüne und Linke im EU-Parlament kritisieren, dass Atomkraft und
Erneuerbare gleichgestellt werden. „Die Atomenergie wird den Erneuerbaren
als Kuckucksei ins Nest gelegt, sie bekommt massive Förderversprechen“,
sagte der grüne Europaabgeordnete Michael Bloss. Gleichzeitig schränke der
Vorschlag Fördermöglichkeiten wie die Einspeisevergütung für erneuerbare
Energien ein.
Mit Einspeisevergütungen legen Deutschland und andere europäische Staaten
einen Mindestpreis für ins Netz eingebrachten Strom fest. Mit
Differenzverträgen käme eine Art Höchstpreis hinzu.
Dass in Zukunft eine Förderung nur noch mit Differenzverträgen möglich sein
soll, sei nicht nachzuvollziehen, sagte die linke Europaabgeordnete
Cornelia Ernst. „Alle Instrumente, die dem Ausbau der Erneuerbaren dienen,
sollten genutzt werden“, sagte sie. Sie kritisiert außerdem das Fehlen
sozialpolitischer Komponenten. „Es braucht dringend ein gesetzlich
verankertes Verbot von Stromsperren für arme und vulnerable Haushalte“,
sagte sie.
Beschlossen ist die Reform noch nicht – die EU-Kommission hat lediglich
einen Aufschlag dafür geliefert. Jetzt müssen die Regierungen der
Mitgliedstaaten sowie das EU-Parlament darüber beraten und sich auf ein
Ergebnis einigen.
14 Mar 2023
## LINKS
[1] /Plaene-zur-Reform-des-EU-Strommarkts/!5874982
[2] /Preise-fuer-Strom-und-Gas/!5893298
[3] https://wupperinst.org/
## AUTOREN
Anja Krüger
Susanne Schwarz
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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Strommarkt
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