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# taz.de -- Überleben in der Hitzewelle: Durststrecke für Obdachlose
> Die heißen Tage sind besonders gefährlich für Wohnungslose. In
> norddeutschen Städten gibt es jedoch nur wenige öffentliche Trinkbrunnen.
Bild: Kein Ort, wo viele Obdachlose hinkommen: Trinkwasserspender an der Hambur…
Hamburg taz | Die aktuelle Hitzewelle gefährdet [1][obdachlose Menschen]
besonders. In den norddeutschen Großstädten gibt es nur wenige öffentliche
Brunnen, an denen sie sich selbst mit Trinkwasser versorgen können. Das
muss sich nach EU-Vorgaben ändern. Bis dahin behelfen sich die Städte mit
der Trinkwasserverteilung durch Sozialarbeiter und ehrenamtliche Helfer.
Angesichts der vom Deutschen Wetterdienst für Dienstag ausgesprochenen
Hitzewarnung mangelt es nicht an Verhaltensempfehlungen: sich luftig
kleiden, direkte Sonne vermeiden, körperliche Anstrengung ebenso – und viel
trinken. Drei Liter alkoholfreie Flüssigkeit am Tag ist die Faustregel.
Doch so mancher Obdachloser kann sich weder Sonnenschutz leisten noch den
Kauf von Getränken.
Das Hamburger CaFée mit Herz, eine von privaten Spendern getragene
Tagesaufenthaltsstätte auf St. Pauli, schickt deshalb seinen für den Winter
gedachten Kältebus als Hitzebus auf Tour durch die Innenstadt.
Ehrenamtliche verteilen Sonnenschutzcreme, Hüte und Wasser an Wohnungslose.
„Da sind sehr viele Obdachlose, die sich über Wasser freuen“, sagt
Christine Pridat-Prieß vom CaFée mit Herz.
Der Hitzebus schließt aus Sicht des CaFées eine Versorgungslücke. Denn in
ganz Hamburg gibt es nur an fünf Standorten im öffentlichen Raum
Trinkwassersäulen. Zu diesen Zapfstellen des städtischen Versorgers Hamburg
Wasser kommen nach Auskunft der Umweltbehörde 22 Zapfstellen in
öffentlichen Toiletten; 26 weitere sollen in den kommenden vier Jahren
hinzukommen.
## Keine Zapfstellen, dafür Wasser aus Flaschen
Nicht viel anders sieht es in Bremen aus. Hier gibt es nach Auskunft der
Sozialsenatorin fünf öffentlich zugängliche Trinkwasserbrunnen, „die eigens
auf die Bedürfnislage von Obdachlosen eingerichtet worden sind“. Hannover
verfügt über 19 öffentliche Trinkwasserbrunnen. Zum Vergleich: Berlin
verfügt über mehr als 190 öffentliche Trinkwasserbrunnen, Wien sogar über
1.300.
Hamburg, Bremen und Hannover behelfen sich in dieser Situation mit der
Verteilung von Wasser in Flaschen. Die Hamburger Sozialbehörde verweist auf
ihre Tagesaufenthaltsstätten und die von der Stadt finanzierten
Sozialarbeiter. „Wir halten ein System vor, das nicht nur in Notlagen,
sondern generell die [2][Versorgung Obdachloser] sicherstellt“, sagt
Behördensprecher Martin Helfrich.
Aus Sicht des CaFées mit Herz reicht das nicht aus. „Die Menschen brauchen
den ganzen Tag über Wasser“, sagt Pridat-Prieß. Die Tagesaufenthaltsstätten
seien nicht dauernd geöffnet und die Trinkwasserzapfstellen nicht immer
dort, wo sich Obdachlose aufhielten. „Am Feenteich sehe ich recht wenige
Obdachlose“, bemerkt sie sarkastisch – der Teich liegt im feinen Stadtteil
Uhlenhorst.
Die Stadt Hannover hat bereits im Mai einen Sommerhilfe-Workshop unter
Beteiligung des Netzwerks für ambulante Pflege Sida und der Caritas
organisiert, um das Vorgehen angestellter und ehrenamtlicher Helfer zu
koordinieren. Dabei wurde vereinbart, Erste-Hilfe-Pakete zu verteilen mit
Wasser, Sonnencreme und Kappen. Es sollen die Kioske aus einem
Sozialprojekt des Vereins Hannover 96 in die Verteilung von Hilfsgütern
einbezogen werden und das Verkehrsunternehmen Üstra soll Obdachlosen Schutz
vor der Hitze in seinen U-Bahnstationen bieten.
## Warten auf Umsetzung der EU-Richtlinie
Wie Andreas Sylvester vom Verein „Stimme der Ungehörten“ berichtet, können
die Obdachlosen auch von dem Schwarmkunstprojekt Ob(d)acht profitieren, bei
dem Tausende geleerter PET-Flaschen zu einer Burg zusammengesteckt werden.
Hier gibt es nachmittags eine Wassertankstelle, die vom Interventionsfonds
der Stadt unterstützt wird. Trotz dieser Anstrengungen findet Sylvester:
„Es müsste mehr Brunnen geben.“
Eben das [3][sieht auch die EU in ihrer Trinkwasserrichtlinie vor], die bis
kommenden Januar in deutsches Recht umgesetzt werden muss – benachteiligte
Gruppen und Gruppen am Rand der Gesellschaft sollen besser mit Trinkwasser
versorgt werden: „Zur Förderung der Verwendung von Leitungswasser für den
menschlichen Gebrauch stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass an
öffentlichen Orten, wo dies technisch machbar ist, Außen- und Innenanlagen
installiert werden“, heißt es in der Richtlinie vom Dezember 2020.
Die Länder warten allerdings noch [4][die Umsetzung in Bundesrecht ab, die
der Bundestag gerade auf den Weg gebracht hat]. Die Hamburger Umweltbehörde
erhofft sich davon einen Schub, denn noch sei nicht gänzlich geklärt, wie
der Ausbau des öffentlichen Trinkwasserangebots finanziert werden solle,
sagt Behördensprecherin Renate Pinzke. Künftig werden die Länder zum
Handeln gezwungen sein.
Allerdings hat sich der rot-grüne Hamburger Senat schon selbst zum Handeln
verpflichtet, indem er dem internationalen Netzwerk Blue Community
beigetreten ist. Deren erster Grundsatz ist die „Anerkennung des Zugangs zu
sauberem Trinkwasser als Menschenrecht“. Das bedeute, dass gerade auch
Personen mit geringem oder fehlendem Einkommen die Möglichkeit eröffnet
werden solle, „jederzeit kostenlos auf das lebensnotwendige Trinkwasser
zugreifen zu können“, teilt die Behörde mit.
19 Jul 2022
## LINKS
[1] /Obdachlosigkeit-in-Berlin/!5865561
[2] /Trinkwasserversorgung-fuer-Obdachlose/!5702553
[3] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/TXT/?uri=CELEX%3A32020L2184
[4] https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-899800
## AUTOREN
Gernot Knödler
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