# taz.de -- Trinkwasserversorgung für Obdachlose: Keine Selbstverständlichkeit | |
> In den Innenstädten von Hannover und Hamburg gibt es zu wenig öffentliche | |
> Zapfstellen für Obdachlose. Das ist besonders bei Hitze ein Problem. | |
Bild: Zu wenige gibt es davon in norddeutschen Großstädten: Trinkwasserbrunnen | |
BREMEN taz | Die Versorgung obdachloser Menschen mit Trinkwasser ist ein | |
Problem, vor allem im heißen Sommer – und vor allem in Hannover, sagen | |
Hilfsorganisationen. „Am Schiller-Denkmal gibt es normalerweise den | |
einzigen Trinkbrunnen im Innenstadtbereich“, sagt [1][Mario Cordes von der | |
Obdachlosenhilfe], „der funktioniert aber schon seit letztem Jahr nicht | |
mehr.“ | |
Das stimmt nicht, sagt ein Sprecher des privaten Versorgungsunternehmens | |
Enercity, das in Hannover insgesamt drei Brunnen und auch den am | |
Schiller-Denkmal betreibt. „Seit Mai läuft dieser wieder durchgehend.“ | |
Die Nachfrage bei der Wasserausgabe des Vereins sei jedenfalls stark | |
gestiegen, sagt Cordes. Die Privatleute, die abends zusätzlich zu der nur | |
wenige Stunden am Tag geöffneten Ausgabe herumgehen und Wasser verteilen, | |
seien zwar hilfreich. Aber vorrangig brauche es mehr Brunnen. | |
Nach Einschätzung der Stadt dagegen sind Obdachlose durch verschiedene | |
Einrichtungen der Wohlfahrtspflege tagsüber genügend versorgt; ebenso durch | |
Essensausgabestellen und Unterkünfte sowie die städtischen | |
Trinkwasserbrunnen. Aktuell leben rund 1.000 Obdachlose in Unterkünften im | |
Stadtgebiet Hannover. Menschen, die nicht in Unterkünften wohnen, sind hier | |
jedoch nicht inbegriffen. | |
„Es bestehen im Stadtgebiet zahlreiche Möglichkeiten, kostenlos an | |
Trinkwasser zu gelangen“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Auf einer Karte, | |
die einem Bericht der Verwaltung angehängt ist, sind 13 öffentliche Brunnen | |
eingezeichnet. Von diesen liege allerdings keiner in der Innenstadt, | |
kritisiert Cordes, wo sich viele der Obdachlosen aufhielten. | |
Dem Bericht zufolge sind weitere Brunnen geplant. Als nächstes soll eine | |
Quelle am Maschsee verfügbar gemacht werden. 20.000 Euro kostet die | |
Errichtung einer Zapfstelle; auf 750 Euro belaufen sich die jährlichen | |
Folgekosten. Enercity dagegen plant derzeit keine weiteren Brunnen. | |
Die [2][Coronapandemie verschlimmere indes die Situation], sagt Ulrich | |
Matthias. Er ist Redakteur der hannöverschen Straßenzeitung Asphalt. Denn | |
Treffpunkte, an denen auch Wasser und zusätzlich ein schattiger Ort | |
angeboten werden, seien eingeschränkt geöffnet. „Wenn man Obdachlosen | |
zurzeit eine Flasche Wasser in die Hand drückt, trinken sie diese oft in | |
einem Zug.“ Matthias fordert die Menschen dazu auf, geschwächt wirkende | |
Obdachlose anzusprechen, mit Wasser zu versorgen und ihnen falls notwendig | |
Hilfe zu rufen – Hauptsache „nicht einfach vorbeigehen“. | |
Das fordert auch der Gründer und Vorsitzende des [3][Vereins „Stimme der | |
Ungehörten“ Reinhold Fahlbusch]. „Mir wird immer wieder berichtet, dass | |
Desinteresse doch weh tut“, sagt er. Auch Fahlbusch kritisiert die prekäre | |
Versorgungslage in Hannover. Mit der Pandemie seien Strukturen | |
zusammengebrochen. „Wie in jeder Stadt gibt es hier Hotspots der | |
Obdachlosen. In deren Nähe müssen Wasserzapfstellen installiert werden“, | |
fordert er. | |
Auch öffentliche Institutionen wie Freizeitheime und die Organisation | |
Refill, die dafür sorgt, dass einige Geschäfte Wasser an Passant:innen | |
ausgeben, werden von der Stadt als Optionen genannt. In Geschäften nach | |
Wasser zu fragen, stelle für viele Obdachlose jedoch eine hohe Hürde dar, | |
sagen die Helfer:innen. „Sie wissen, dass sie eigentlich nicht gewollt | |
sind“, sagt Fahlbusch. „Und gerade in Hannover hat die Obdachlosenszene | |
einen sehr schlechten Ruf“, sagt Cordes von der Obdachlosenhilfe. „Die | |
haben da drinnen keine Chance.“ | |
Auch in Hamburg ist die Situation prekär. Normalerweise gibt es im | |
Stadtgebiet – Alster, Landungsbrücken, Rathaus, Stadtpark – fünf | |
öffentliche Wasserspender, sagt Janne Rumpelt, Sprecherin des Unternehmens | |
Hamburg Wasser. Coronabedingt sind diese aber derzeit außer Betrieb. „Zum | |
einen ist die kontaktlose Nutzung des Spenders nicht möglich; zum anderen | |
können wir nicht sicher gewährleisten, dass die Abstände an der Säule | |
eingehalten werden“, sagt Rumpelt. | |
Hamburg Wasser folge damit der Empfehlung der Gesundheitsbehörde. In | |
Hannover und auch in Bremen, wo es nach Auskunft der Gesundheitssenatorin | |
sechs öffentliche Trinkbrunnen gibt, sind die Brunnen trotz der | |
Hygienevorschriften nicht gesperrt. | |
## Wohnungen würden nicht nur Wasserversorgung verbessern | |
Die Hamburger Versorgungslage zehre an den Nerven der Menschen, sagt | |
[4][Andrea Hniopek, Leiterin des Fachbereichs Existenzsicherung bei der | |
Caritas Hamburg]. „Wir nehmen Menschen wahr, die erschöpft rumliegen und | |
vor sich hin dösen.“ Die Versorgung, auch mit Duschmöglichkeiten, habe | |
schon vor Corona nicht gereicht, berichtet Hniopek. Ihre Kolleg:innen, die | |
mit den Projekten der Caritas unterwegs sind, hätten zwar jeweils ein paar | |
Liter Wasser dabei – kompensieren könnten sie den Wegfall der Zapfstellen | |
aber nicht. | |
Die Lösung für diese und weitere Probleme seien Wohnungen, sagt Hniopek. | |
„Eine geregelte Wohnsituation würde wirklich helfen – nicht so ein | |
aufgeblähtes Hilfesystem, wie wir es momentan anbieten.“ Die Stadt bemühe | |
sich zurzeit sehr, Räume herzurichten; dies sei jedoch zäh. Die | |
Versorgungskrise durch die Pandemie werde sich im Winter weiter | |
verschlimmern, sorgt sich Redakteur Matthias. „Und das Extremwetter ist | |
zurzeit eine zusätzliche Belastung.“ | |
18 Aug 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.obdachlosenhilfe.org/ | |
[2] /Corona-und-Hilfe-fuer-Obdachlose/!5677076 | |
[3] http://stidu.de/ | |
[4] https://www.caritas-hamburg.de/hilfe-und-beratung/arme-und-obdachlose/arme-… | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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