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# taz.de -- Verunreinigtes Trinkwasser: Duschen auf Termin
> In Langenhagen haben 2000 Haushalte seit einer Woche kein sauberes
> Wasser. Schuld ist vermutlich ein Betrieb, aus dem Reinigungsmittel ins
> Netz floß.
Bild: Enercity und THW haben Wasserwagen aufgestellt, um die Leute mit Trinkwas…
Hannover taz | In 2.000 Haushalten im niedersächsischen Langenhagen taugt
das Wasser, das aus den Leitungen kommt, nur noch für die
Toilettenspülung. Am Mittwoch vergangener Woche kam bei vielen plötzlich
schäumendes, chemisch riechendes Wasser aus dem Hahn. Den Betroffenen
beschert das einen beschwerlichen Alltag: Wasser zum Trinken, Kochen,
Waschen und Abwaschen muss vom Wasserwagen geholt werden. Wer duschen
möchte, kann über das „Duschtelefon“ der Stadt einen Termin machen und da…
die Dusche in der Turnhalle des Schulzentrums nutzen.
Der [1][zuständige Versorger Enercity] fahndet derweil fieberhaft nach dem
Verursacher. Im Verdacht steht ein Gewerbebetrieb, der – vermutlich
aufgrund von fehlerhaften oder veralteten Rücklaufventilen – größere Mengen
eines Reinigungsmittels in das Trinkwassernetz zurückgepumpt haben soll.
Der Kreis der Verdächtigen ist schon deshalb nicht sehr groß, weil in
dessen System ein höherer Druck herrschen muss als im Trinkwassernetz, um
einen solchen Eintrag von außen überhaupt möglich zu machen. Konkreter will
es Enercity aber lieber nicht sagen – immerhin geht es hier auch um
mögliche Haftungsfragen – und man will keine Vorverurteilungen in Umlauf
bringen.
Zuallererst war Enercity ohnehin damit beschäftigt, den Schaden zu
begrenzen: Die Techniker stellten fest, in welchem Teil des Netzes der
unerwünschte Stoff unterwegs war und riegelten es vom Rest ab, um eine
weitere Ausbreitung zu verhindern. Betroffen sind trotzdem etliche
Straßenzüge in der Stadt nahe des Hannoverschen Flughafens.
Einige der Anwohner kritisierten, dass die Warnungen vor dem verunreinigten
Wasser vor allem bei älteren Nachbarn erst spät ankamen. Enercity hatte die
Meldung zuerst [2][über die sozialen Medien verbreitet], dann aber auch
einen Lautsprecherwagen herumgeschickt und Flugblätter drucken lassen, die
an die betroffenen Haushalte verteilt wurden.
Noch in der Nacht zum Donnerstag begann man außerdem, die Rohre
durchzuspülen, in den Tagen darauf folgten die Hausleitungen der
Mehrfamilienhäuser, Hausbesitzer wurden aufgerufen, ihre Leitungen
ebenfalls durchzuspülen. Und obwohl das in fast allen Haushalten
mittlerweile passiert ist, Schaum und Geruch verschwunden sind, kann das
Wasser noch nicht wieder freigegeben werden.
„Ich weiß, das ist schwer nachzuvollziehen, aber wir müssen erst absolut
sicher sein, dass das Wasser wieder Trinkwasserqualität hat“, sagt
Enercity-Sprecher Dirk Haushalter. „Vorher wird das Gesundheitsamt uns auch
kein grünes Licht geben.“
Dazu müssen über mehrere Tage an unterschiedlichen Stellen Proben entnommen
und an verschiedene Labore im ganzen Land verschickt werden. Die Auswertung
auf verschiedene Schadstoffe dauert zum Teil mehrere Tage, weil die Proben
erst angesetzt und „bebrütet“ werden müssen. Möglicherweise werden damit
noch einmal zwei Wochen ins Land gehen.
In der Zwischenzeit bemüht sich ein Krisenstab mit Vertretern von Enercity,
der Stadt Langenhagen, dem Gesundheitsamt der Region, der Feuerwehr, dem
Technische Hilfswerk und den Johannitern, die Versorgung der Menschen
sicherzustellen.
Sechs Wasserwagen stehen an verschiedenen Stellen bereit, an denen die
Menschen kostenlos Trinkwasser holen können.
Die Stadt hat eine Telefonhotline geschaltet und eine Infoseite ins Netz
gestellt. Bei ihr können sich auch diejenigen melden, die selbst nicht in
der Lage sind, das Wasser kanisterweise nach Hause zu schleppen – das
übernehmen dann die Ehrenamtlichen von den Johannitern, die nach Feierabend
und am Wochenende im Einsatz sind.
Außerdem gibt es extra ein Duschtelefon – dort kann man anrufen, wenn man
zwischen 15.30 Uhr und 21 Uhr die Wasch- und Umkleideräume in der Turnhalle
des Schulzentrums nutzen möchte. Von 14 bis 15 Uhr sind die Duschen
denjenigen vorbehalten, die eigentlich in Quarantäne sind – danach werden
sie gründlich gereinigt. Ein Sicherheitsdienst weist Leute ohne Termin ab.
Enercity bemüht sich derweil, die Betriebe im betroffenen Gebiet zu
versorgen – Arztpraxen, Friseure und Bäcker werden mit Kanistern beliefert,
dem örtlichen Edeka-Markt hat man einen 1.000-Liter-Tank auf den Hof
gestellt – damit der seine Gänge wischen kann. Nur die Wurstproduktion in
der hauseigenen Fleischerei habe man vorübergehend eingestellt, hat der
Kaufmann [3][der Hannoverschen Allgemeinen Zei]tung erzählt – das dazu
benötigte Wasser in Eimern ranschleppen zu müssen, erschien ihm nicht sehr
praktikabel.
5 Nov 2020
## LINKS
[1] /Trinkwasserversorgung-fuer-Obdachlose/!5702553&s=enercity/
[2] https://www.facebook.com/enercity
[3] https://www.haz.de/Umland/Langenhagen/Verschmutztes-Trinkwasser-in-Langenha…
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Trinkwasser
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