# taz.de -- UN-Vollversammlung zu globalen Krisen: Guterres warnt vor „große… | |
> Bei der Vollversammlung wirft der Generalsekretär den UN-Mitgliedern | |
> Handlungs- und Kompromissunfähigkeit vor. Scholz will mehr Gewicht für | |
> Süden. | |
Bild: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (l) und UN-Generalsekretä… | |
NEW YORK taz | Die ganze Welt schaut aktuell auf New York. Zu sehen | |
bekommen die Menschen dort eine beunruhigende Wahrheit: Die Welt ist | |
zerklüftet, sie ist multipolar; gleichzeitig werden die globalen | |
Herausforderungen immer größer und immer zahlreicher. Ohne ein gemeinsames | |
Handeln werden sich diese Probleme kaum bewältigen lassen und Institutionen | |
wie die Vereinten Nationen werden mehr und mehr zum Teil des Problems als | |
zu deren Lösung. So nahm auch UN-Generalsekretär António Guterres kein | |
Blatt vor den Mund, als er am Dienstag die Staatschefs aus aller Welt in | |
New York zur alljährlichen UN-Vollversammlung begrüßte. | |
Die Welt sehe sich existenziellen Herausforderungen gegenüber, erklärte | |
Guterres und nannte den Klimawandel, Kriege oder Künstliche Intelligenz als | |
Beispiele. Was fehle, sei der gemeinsame Mut zum Handeln. Worte allein | |
reichten nicht mehr aus. „Unsere Welt wird immer weiter aus den Angeln | |
gehoben. Geopolitische Spannungen werden größer. Globale Herausforderungen | |
nehmen zu. Und wir sind allem Anschein nach nicht in der Lage, | |
zusammenzukommen, um etwas dagegen zu unternehmen“, so der Portugiese. | |
Tatsächlich ist die Fragmentierung der Welt unübersehbar. Die USA und | |
Westeuropa stellen einen, wenn auch nicht ganz homogenen, Pol dar. China | |
einen anderen. Russland einen weiteren. Und die meisten anderen Länder | |
versuchen, zwischen diesen und anderen globalen Polen zu navigieren und | |
ihre Unabhängigkeit zu bewahren. | |
## „Kein Lösung ohne Dialog“ | |
Ein Thema, bei dem dies deutlich wird, ist [1][der Ukrainekrieg]. | |
US-Präsident Joe Biden appellierte in seiner Ansprache für eine | |
geschlossene Unterstützung des angegriffenen Landes. „Russland glaubt, dass | |
die Welt irgendwann müde werde und es keine Konsequenzen für seinen Angriff | |
auf die Ukraine zu befürchten hätte“, erklärte Biden. | |
Sollte die Welt es tatsächlich zulassen, dass die Ukraine aufgeteilt werde, | |
dann müsse sich jeder in Zukunft die Frage stellen, ob die Unabhängigkeit | |
seines Landes wirklich sicher sei, so der US-Präsident. Biden erhielt für | |
seine Rede zwar Beifall, doch nicht nur in den USA mehren sich die Stimmen, | |
die sich für ein schnelles Ende des Krieges aussprechen und auch eine | |
Abgabe von ukrainischen Gebieten an Russland in Kauf nehmen würden. | |
Staaten wie Brasilien oder Südafrika sprechen sich beispielsweise offen für | |
Friedensverhandlungen aus. Beide Länder sind Teil der BRICS-Gruppe, der | |
auch Russland und China angehören. Die BRICS-Staaten haben erst kürzlich | |
[2][bei ihrem Treffen in Südafrika beschlossen, im kommenden Jahr sechs | |
neue Mitglieder aufzunehmen.] | |
Die Vereinigung will eine echte Alternative zur westlichen Wirtschafts- und | |
Geopolitik darstellen. Ein weiterer Pol also. „Wir unterschätzen nicht, wie | |
schwierig es sein wird, Frieden zu erzielen. Doch keine Lösung wird von | |
Dauer sein, wenn sie nicht auf Dialog beruht“, sagte der brasilianische | |
Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. | |
## Scholz bringt Reform des Sicherheitsrates ins Spiel | |
Der ukrainische Präsident [3][Wolodimir Selenski wiederholte hingegen, dass | |
sein Land sich nicht auf einen Friedensplan einlassen werde], der nicht den | |
vollständigen Abzug von russischen Truppen aus der Ukraine beinhaltet. „Die | |
Ukraine versucht infolge des russischen Angriffs alles, um sicherzustellen, | |
dass niemand in der Welt auch nur auf die Idee kommt, ein anderes Land | |
anzugreifen“, sagte Selenski in seiner Rede. | |
Bundeskanzler Olaf Scholz, der erst um kurz nach 21 Uhr Ortszeit die Bühne | |
betrat, sicherte der Regierung in Kyjiw die volle Unterstützung | |
Deutschlands zu. „Russland ist für diesen Krieg verantwortlich. Und es ist | |
Russlands Präsident, der ihn mit einem einzigen Befehl jederzeit beenden | |
kann“, sagte Scholz. | |
Doch wie schon der UN-Generalsekretär bemängelte auch der Kanzler, dass die | |
Vereinten Nationen über Reformen nachdenken müssten. „Nirgendwo ist das so | |
augenfällig wie bei der Zusammensetzung des Sicherheitsrats“, so Scholz. | |
Scholz beklagte, dass Afrika, Asien und Lateinamerika mehr Gewichtung | |
verdient hätten. | |
Von den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates war in diesem | |
Jahr nur der US-Präsident bei der Vollversammlung vertreten. Die | |
Staatschefs aus China, Frankreich, Großbritannien und Russland blieben dem | |
Treffen fern. Auch die Abwesenheit dieser Veto-Mächte machte es schwierig, | |
in den wichtigen Fragen über Klimaschutz und Entwicklungshilfe konkrete | |
Pläne zu formulieren. Immerhin sind es die G20-Länder, darunter | |
Deutschland, die USA und China, die für 80 Prozent der Treibhaus-Emissionen | |
verantwortlich sind. | |
Ohne eine klare Handlungs- und Kompromissbereitschaft zwischen den Nationen | |
seien die großen Probleme unserer Zeit, und dazu zählten neben Kriegen und | |
der Klimakrise auch Armut und Hunger, nicht zu bewältigen, sagte Guterres. | |
„Wir bewegen uns Stück für Stück in Richtung eines großen Bruchs in Sachen | |
Wirtschaft, Finanzsysteme und Handelsbeziehungen“, erklärte der | |
UN-Generalsekretär. | |
20 Sep 2023 | |
## LINKS | |
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[2] /BRICS-Gipfel-in-Johannesburg/!5956012 | |
[3] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5961358 | |
## AUTOREN | |
Hansjürgen Mai | |
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