# taz.de -- UN-Mission in Mali vor dem Aus: Mit Schüssen in den Rücken | |
> Die UNO hat Malis Armee und russischen Söldnern Massaker an Zivilisten | |
> vorgeworfen. Malis Militärregierung spricht nun von „Spionage“. | |
Bild: Verteidungsminister Boris Pistorius im April in Mali bei Soldaten der UN-… | |
BERLIN taz | Kurz bevor am 26. Mai der Bundestag über die Verlängerung des | |
[1][Bundeswehreinsatzes bei der UN-Mission in Mali (Minusma)] entscheidet, | |
steht die Arbeit der UN in Mali insgesamt infrage. Die | |
UN-Menschenrechtskommission legte am Freitag ihren lang erwarteten | |
[2][Bericht über „Ereignisse“ im malischen Dorf Moura im Zeitraum 27. bis | |
31. März 2022] vor. Demzufolge haben Malis Armee und russische | |
Wagner-Söldner dort mindestens 500 Zivilisten getötet. Dies seien | |
mutmaßlich Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit – ein | |
Fall für den Internationalen Strafgerichtshof, was der Bericht aber nicht | |
sagt. | |
Das Dorf Moura in der zentralmalischen Provinz Mopti beherbergt den größten | |
Wochenmarkt einer Region, in der bewaffnete Islamisten aktiv sind, und ist | |
damit ein Sammelpunkt. Am 27. März 2022, so der Bericht, wurden malische | |
und ausländische Kampftruppen aus Hubschraubern in Moura abgesetzt, | |
fliehende Dorfbewohner wurden aus der Luft beschossen, es gab 27 zivile | |
Tote. In einem dreistündigen Feuergefecht mit der islamistischen Miliz | |
Katiba Macina, bei dem zwei Soldaten starben, habe die Armee Moura erobert | |
und dann 3.000 erwachsene Männer an vier unterschiedlichen Orten | |
zusammengetrieben. | |
In den Tagen darauf fand eine Selektion statt. Aufgrund von Kleidung, | |
Bärten oder Anzeichen für das Tragen von Waffen wurden Männer als | |
„Dschihadisten“ identifiziert und zur Hinrichtung geführt. „Die | |
selektierten Personen wurden mit hinter dem Rücken gefesselten Händen in | |
kleinen Gruppen von fünf bis zehn Personen etwa 300 Meter weg von den | |
Sammelplätzen gebracht. Sie sollen von den Militärs summarisch hingerichtet | |
worden sein“, schildert der Bericht. Die Armee habe sogar behauptet, sie | |
habe eine Maschine, die herausfinden könne, ob jemand auch ohne äußere | |
Kennzeichen ein Dschihadist sei. | |
## Der Bericht zielt auf die russische Wagner-Söldnertruppe | |
Am 31. März waren die Soldaten fertig und flogen ab. Die Dorfbewohner | |
hätten dann die Leichen begraben – rund 370 Tote im Dorf, weitere | |
drumherum. Die UN-Ermittler verfügen über Namen und sagen, von den 3.000 | |
Festgenommenen seien vielleicht 30 islamistische Kämpfer gewesen, alle | |
anderen Zivilisten. | |
„Zeugen haben ausgesagt, dass die bewaffneten Weißen auswählten, wer als | |
Dschihadist galt, bevor sie die so identifizierten Opfer in die Richtung | |
lenkten, wo Soldaten der malischen Armee sie mit Schüssen in den Rücken | |
hinrichteten“, so der Bericht. Der Bericht lässt keinen Zweifel an der | |
Täterschaft der russischen Wagner-Söldnertruppe, die in Mali aktiv ist. | |
Die Armeeoperation in Moura war damals [3][kein Geheimnis]. Berichte über | |
zahlreiche Tote dabei führten dazu, dass die UN-Mission Untersuchungen | |
aufnahm – eine der zentralen Aufgaben der UNO in Mali ist die | |
Zusammenarbeit mit Malis Streitkräften zwecks Einhaltung der | |
Menschenrechte. Das UN-Team sprach mit vielen Menschen aus Moura, darunter | |
42 festgenommenen und später freigelassenen Dorfbewohnern, ebenso mit | |
zivilen und militärischen Behörden, und machte Satellitenaufnahmen. | |
Aber Moura durfte das UN-Team trotz wiederholter Anfragen nicht besuchen, | |
und als der Bericht fertig war, ließen Mali und Russland Bitten zur | |
Stellungnahme unbeantwortet. Nun gibt die UNO das explosive Dokument | |
unkommentiert frei. | |
Malis Militärregierung ist nun empört und lässt schwerstes Geschütz | |
auffahren. Regierungssprecher Oberst Abdoulaye Maiga kündigte am Wochenende | |
Ermittlungen gegen „das UN-Team und seine Komplizen“ wegen „Spionage, | |
Gefährdung der äußeren Sicherheit und militärische Verschwörung“ an. Wenn | |
das ernst gemeint ist, kann die Menschenrechtsabteilung der UN-Mission | |
Minusma – ihr Leiter Guillaume Ngefa wurde im Februar [4][ausgewiesen] – | |
die Koffer packen. | |
„Statt Malis Bemühungen im Kampf gegen Terrorbanden zu würdigen, zeigt die | |
UNO auf Malis Armee mit dem Finger“, schimpft [5][die militärtreue malische | |
Tageszeitung L’Aube]. Im prowestlichen Nachbarland Niger hingegen erkennt | |
die regierungstreue Webseite La Voix du Niger „eine neue Front zwischen der | |
bereits international isolierten malischen Militärjunta und den Vereinten | |
Nationen“. | |
Eine unveränderte Verlängerung des [6][aktuellen Minusma-Mandats], das am | |
30. Juni ausläuft, dürfte unter diesen Umständen im UN-Sicherheitsrat | |
schwierig werden. Das könnte auch Konsequenzen für Deutschland haben: Die | |
Bundesregierung will das laufende Mali-Mandat der Bundeswehr [7][am 26. Mai | |
durch den Bundestag] letztmalig bis Juni 2024 verlängern lassen. Die | |
CDU/CSU-Opposition will den Einsatz bereits im laufenden Jahr beenden. | |
15 May 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr/mali-einsaetze/minusma-bu… | |
[2] https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/05/malian-troops-foreign-milit… | |
[3] /Mehr-als-200-Tote-bei-Armeeeinsatz/!5843155 | |
[4] /Russlands-Aussenminister-in-Mali/!5914431 | |
[5] https://www.facebook.com/photo/?fbid=619594210187415&set=a.445323360947… | |
[6] https://minusma.unmissions.org/en/mandate-0 | |
[7] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw21-de-bundeswehr-minus… | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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