| # taz.de -- Verfassungsreferendum in Mali: Militärherrscher werden bald zivil | |
| > Ein Verfassungsreferendum soll in Mali den Weg ebnen, dass | |
| > Militärputschist Goita sich zum Präsidenten wählen lässt. Dann kann auch | |
| > die UN abziehen. | |
| Bild: Ein Malier liest eine staatliche Broschüre über Malis neue Verfassung. … | |
| Berlin taz | Assimi Goïta ist derzeit in Mali allgegenwärtig. Der Oberst, | |
| der [1][2020 putschte] und sich [2][2021 selbst zum Staatschef ausrief], | |
| ruft bei jeder Gelegenheit dazu auf, am Sonntag mit Ja zu stimmen, wenn | |
| Mali über eine neue Verfassung abstimmt. | |
| Am 5. Juni eröffnete Goïta die 13. Sitzung des Hohen Rates für | |
| Landwirtschaft. Am 7. Juni legte er den Grundstein für Malis erstes Zentrum | |
| für künstliche Intelligenz. Am 13. Juni leistete Goïta in der Stadt Ségou | |
| den Spatenstich für eine neue Straße. Und am 14. Juni telefonierte er mit | |
| seinem russischen Freund Wladimir Putin. Er sei mit dem Gespräch „sehr | |
| zufrieden“, [3][teilte Goïta danach mit]. | |
| Die neue Verfassung soll nach den Militärputschen von 2020 und 2021 die | |
| Rückkehr zur Demokratie ebnen. Auf ihrer Grundlage sollen im Februar 2024 | |
| Wahlen folgen, damit wieder ein gewählter Präsident regiert. Die | |
| Wahrscheinlichkeit, dass dieser Präsident Assimi Goïta heißt, ist hoch. Der | |
| Verfassungstext ermöglicht seine Kandidatur und stärkt das ohnehin schon | |
| machtvolle Präsidentenamt erheblich. | |
| Der Präsident ernennt zukünftig nicht nur den Premierminister, sondern auch | |
| alle Regierungsmitglieder. Waren bisher Minister dem Parlament gegenüber | |
| rechenschaftspflichtig und durften Gesetze ins Parlament einbringen, sind | |
| sie in Zukunft dem Präsidenten rechenschaftspflichtig und ihm obliegt die | |
| Gesetzesinitiative. Der Präsident darf auch das Parlament auflösen. | |
| ## Die Bundeswehr packt schon ihre Koffer | |
| So problematisch Malis neue Verfassung erscheint, so zentral ist sie für | |
| die Klärung der Frage, wie es mit der internationalen Militärpräsenz in | |
| Mali weitergeht, von der Malis Militär immer weniger wissen will. | |
| Frankreich, die alte Interventionsmacht gegen islamistische Terrorgruppen, | |
| ist bereits abgezogen. Mehrere westliche Länder haben sich aus der derzeit | |
| 17.430 Personen starken [4][UN-Blauhelmmission Minusma] verabschiedet. Die | |
| deutsche Bundeswehr bleibt bis 2024, aber ihre derzeit laut UN noch 617 | |
| Soldaten in Mali [5][packen bereits die Koffer]. | |
| Die restlichen UN-Soldaten tun wenig mehr als Selbstschutz; Malis Armee | |
| verlässt sich auf russische Wagner-Söldner für robuste Antiterroreinsätze. | |
| Die Handlungsfähigkeit der Minusma sei „ernsthaft beeinträchtigt“, heißt… | |
| im jüngsten [6][Quartalsbericht der Mission], auf dessen Grundlage noch | |
| diesen Monat der UN-Sicherheitsrat über die Verlängerung des UN-Mandats für | |
| Mali befinden muss. | |
| Eine Verlängerung, da sind sich alle einig, ergibt nur Sinn, wenn jetzt | |
| endlich Wahlen in Mali stattfinden. Die Wahlen eröffnen der Minusma aber | |
| auch die Möglichkeit, Mali zu verlassen, ohne dass der Eindruck entsteht, | |
| sie werde hinausgeworfen. | |
| Dem UN-Sicherheitsrat wird nun also empfohlen, das UN-Mandat für Mali um | |
| ein weiteres Jahr zu verlängern und von drei im Februar vorgelegten | |
| Szenarien zur Zukunft der Minusma – Ausbau, „Rekonfiguration“ oder Ende �… | |
| das zweite zu bevorzugen. Die Minusma-Stärke soll leicht sinken und sie | |
| soll sich unter anderem aus den Kampfgebieten in Zentralmali zurückziehen, | |
| wo Malis Armee zuletzt größere [7][Massaker an Zivilisten] verübt hat. Der | |
| UN-Bericht nennt das „eine Begrenzung der Prioritäten, um bis zum Abschluss | |
| des politischen Übergangs im März 2024 die Gesamteffektivität zu | |
| verbessern“. | |
| Der UN-Abzug aus Mali hängt also an den Wahlen, die Wahlen hängen an der | |
| Verfassung, die Verfassung hängt an der Macht für Goïta. Dies verkauft die | |
| UN in ihrem Bericht als „Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung“. | |
| Strenggenommen begrüßt sie lediglich den Termin des Verfassungsreferendums, | |
| nicht die Verfassung an sich, aber in Mali wird da kein Unterschied | |
| gemacht. „Der Text entspricht dem Geist der Verträge, findet der UN-Chef“, | |
| lautete am Mittwoch die Überschrift [8][im Regierungsblatt L’Essor]. | |
| Es gibt aber auch in Mali kritische Fragen. Bei einer staatlichen | |
| Großveranstaltung für die neue Verfassung in Bamako sei das große Stadion | |
| der Hauptstadt nur zu einem Viertel gefüllt gewesen, [9][merkt die Zeitung | |
| L’Alternance an] und weist darauf hin, dass religiöse Würdenträger viel | |
| mehr Publikum anlocken. Gerade konservativ-islamische Führer gehören zu den | |
| größten Kritikern der neuen Verfassung, da diese Mali als säkularen Staat | |
| definiert. | |
| In einer Situation des Krieges gegen islamistische Terrorgruppen ist die | |
| Entfremdung zwischen Militärmachthabern und Religion durchaus gefährlich. | |
| Politische Parteien hingegen spielen so gut wie gar keine Rolle. Die | |
| nächsten Bruchlinien in Malis Politik zeichnen sich bereits ab, und sie | |
| verheißen nichts Gutes. | |
| 15 Jun 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Staatsstreich-in-Mali/!5702846 | |
| [2] /Neuer-Umsturz-in-Mali/!5771423 | |
| [3] https://twitter.com/GoitaAssimi/status/1668923251836301312 | |
| [4] https://minusma.unmissions.org/ | |
| [5] /Pistorius-und-Schulze-in-Mali/!5924533 | |
| [6] https://minusma.unmissions.org/sites/default/files/230601_mandate_renewal_r… | |
| [7] /UN-Mission-in-Mali-vor-dem-Aus/!5931820 | |
| [8] https://journalessor.ml/posts/projet-de-constitution-le-texte-reste-dans-le… | |
| [9] http://news.abamako.com/h/283774.html | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
| ## TAGS | |
| Mali | |
| Assimi Goita | |
| MINUSMA | |
| Verfassungsreferendum | |
| UN-Blauhelme | |
| Mali | |
| Mali | |
| Mali | |
| Mali | |
| Bundeswehr | |
| Mali | |
| Sahelzone | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Heftige Kämpfe in Mali: Tuareg wieder Kriegspartei | |
| Beim Abzug der UN-Blauhelme rückt Malis Armee erstmals in einen | |
| UN-Stützpunkt im Tuareg-Autonomiegebiet vor. Es droht ein neuer | |
| Bürgerkrieg. | |
| Neue Verfassung in Mali: Zentralismus führt in den Krieg | |
| Mali bekommt eine neue Verfassung, die die Macht der herrschenden Militärs | |
| sichern soll. Die Tuareg lehnen diese ab, der Frieden steht auf dem Spiel. | |
| Malis Forderung nach UN-Abzug: Deutschland ist unwichtig | |
| Mali will den Abzug der internationalen Truppen. Die deutsche Beteiligung | |
| wird bei den wohl anstehenden Verhandlungen keine Rolle spielen. | |
| UN-Friedensmission in Mali: Mali will Abzug der Blauhelme | |
| Die Militärjunta fordert einen sofortigen Abzug. Doch Deutschland bleibt | |
| dabei, den Einsatz seiner Soldaten erst im nächsten Mai enden zu lassen. | |
| Abzug der Bundeswehr aus Mali: Wenig Hoffnung in Westafrika | |
| 2024 zieht die Bundeswehr aus Mali ab. In der Sahelzone setzt die | |
| Bundesregierung auf Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten, vor allem mit | |
| Niger. | |
| UN-Mission in Mali vor dem Aus: Mit Schüssen in den Rücken | |
| Die UNO hat Malis Armee und russischen Söldnern Massaker an Zivilisten | |
| vorgeworfen. Malis Militärregierung spricht nun von „Spionage“. | |
| Bundeswehreinsatz in der Sahel-Zone: Mali-Mandat gebilligt | |
| Das Bundeskabinett will den Bundeswehreinsatz ein letztes Mal verlängern, | |
| noch im Mai soll der Bundestag abstimmen. Angestrebt wird zudem die Leitung | |
| der Sahel-Allianz. |