# taz.de -- Staatsstreich in Mali: Putsch nach deutscher Ertüchtigung | |
> Das Militär in Mali hat Präsident Ibrahim Boubacar Keïta gestürzt. Zuvor | |
> wurde es auch durch die Bundeswehr „ertüchtigt“. | |
Bild: Jubel in der malischen Hauptstadt Bamako nach dem Putsch | |
BERLIN taz Sieben Jahre und eine Woche, nachdem Ibrahim Boubacar Keïta mit | |
knapp 78 Prozent der Stimmen [1][zum Präsidenten von Mali gewählt] wurde, | |
hat die eigene Armee ihn unter dem Jubel der Bevölkerung abgesetzt. Der | |
75-Jährige verlas in der Nacht zu Mittwoch selbst seine Rücktrittserklärung | |
im Staatsfernsehen, nachdem meuternde Soldaten ihn in seinem Amtssitz | |
festgenommen und „zu Gesprächen“ in die Kaserne Kati am Rande der | |
Hauptstadt Bamako gebracht hatten. | |
„Habe ich wirklich die Wahl?“, fragte der verhaftete Präsident, den alle in | |
Mali nach seinen Initialen IBK nennen, in seiner Ansprache. „Für meinen | |
Verbleib im Amt darf kein Blut vergossen werden“, fuhr er fort und zog die | |
Konsequenz. | |
Was am Morgen als Meuterei unzufriedener Soldaten in Kati begonnen hatte, | |
verwandelte sich bis zum Abend in einen Militärputsch – ausgerechnet in | |
einem Land, das wie kaum ein anderes in Afrika [2][sein Militär vom Ausland | |
ausrüsten, ausbilden und unterstützen] lässt. | |
Über 12.000 UN-Soldaten, bis zu 5.000 Soldaten aus Frankreich, eine | |
regionale Sahel-Eingreiftruppe und eine EU-Ausbildungsmission arbeiten mit | |
der Armee in Mali, die darüber hinaus noch Partnerland der | |
„[3][Ertüchtigungsinitiative]“ der Bundeswehr ist. Die deutsche | |
„Ertüchtigung“ leistet laut Bericht der Bundesregierung „konzeptionelle | |
Beratung und Ausbildung“, „materielle Unterstützung“, „Erhöhung der | |
Mobilität der Streitkräfte“ und „technische Qualifizierung“. | |
## Militär sorgt sich um das Land | |
So gesehen war die Ertüchtigung ein Erfolg. Die Putschisten waren mobil, | |
gut ausgerüstet und hatten offensichtlich ein Konzept. Nachdem Präsident | |
IBK im Fernsehen zurückgetreten war, setzten sich die Generäle vor die | |
Kameras und verkündeten die Gründung eines „Nationalrats zur Rettung des | |
Volkes“ (CNSP), der das Land zu „glaubwürdigen“ freien Wahlen führen so… | |
„Wir haben beschlossen, vor dem Volk und der Geschichte Verantwortung zu | |
übernehmen“, erklärte CNSP-Sprecher Ismael Wagué. „Unser Land Mali versi… | |
jeden Tag mehr in Chaos, Anarchie und Unsicherheit.“ | |
Dieser Diagnose dürfte kaum jemand widersprechen – der Therapie vielleicht | |
schon. Schließlich tragen Malis Generäle zumindest Mitverantwortung dafür, | |
dass sich die [4][Unsicherheit in Mali] enorm ausgebreitet hat. Außerhalb | |
der Hauptstadt ist kein Landesteil mehr sicher. Die Armee ist in weiten | |
Gebieten kaum oder gar nicht präsent. Lokale Milizen gegen bewaffnete | |
Islamisten tragen Konflikte tief in die Gesellschaft hinein. | |
Mehrfach haben Armeeeinsätze zu Massakern an Zivilisten geführt. Dazu kamen | |
zuletzt Korruptionsskandale, in die unter anderem der Sohn des Präsidenten | |
verwickelt war, das Verschwinden des Führers der parlamentarischen | |
Opposition und [5][Unregelmäßigkeiten bei den Parlamentswahlen]. Proteste | |
in Bamako gegen all dies wurden seit Juni mehrfach mit Gewalt | |
niedergeschlagen. | |
Nun lassen sich die Soldaten feiern. Denn was die zivile Protestbewegung | |
nicht geschafft hat, haben sie erreicht: den Rücktritt von Präsident und | |
Regierung. Und anders als bei Malis letztem Militärputsch vor acht Jahren, | |
ein Werk niederrangiger Soldaten, ergreifen jetzt hohe Generäle die Macht. | |
Ihr Sprecher Wagué ist Vizechef der Luftwaffe. | |
## Ein Putschist war erst in Moskau | |
Neben ihm saßen Oberst Malick Diaw, Stabschef der 3. Militärregion, und | |
Oberst Sadio Camara, ehemaliger Leiter der Militärschule von Kati. Sie alle | |
sind vertraute Gesichter bei den regelmäßigen Treffen auf höchster Ebene | |
zwischen den ausländischen Militärmissionen in Mali und Malis | |
Streitkräften. Zufall oder nicht: Camara kehrte erst vor zwei Wochen von | |
einer Fortbildung aus Moskau zurück. | |
International ist der Sturz der gewählten Institutionen einhellig scharf | |
kritisiert worden – nicht nur aus Sorge um Malis Demokratie, sondern auch | |
aus Angst. Nach Malis letztem Militärputsch 2012 eroberten Rebellen der | |
aufständischen Tuareg-Minderheit das halbe Land und riefen eine unabhängige | |
Republik aus, die schnell unter Kontrolle radikaler Islamisten geriet. | |
Frankreich musste 2013 mit Tausenden Soldaten eingreifen. Der Krieg dauert | |
bis heute an. | |
Damals war nur Mali Bürgerkriegsland. Heute hat die Gewalt auch die | |
Nachbarländer Niger und Burkina Faso im Griff, auch dort herrscht ein | |
autoritärer und zugleich schwacher Staat und gibt es Misstrauen im Volk | |
gegen eine als korrupt und unfähig angesehene Regierungselite, die vom | |
Ausland gestützt wird. | |
Dazu stehen in allen südlichen Nachbarländern Malis – Guinea, | |
Elfenbeinküste, Burkina Faso und Niger – umstrittene Wahlen an. Wenn in | |
Westafrika die Zeichen auf Sturm stehen, war der Putsch in Mali ein erstes | |
Donnergrollen. | |
19 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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