# taz.de -- Die Bundeswehr-Ausbildung in Mali: Auf verlorenem Posten | |
> Die Bundesregierung will die Bundeswehrausbildung in Mali ausweiten, | |
> ignoriert dabei aber viele Probleme. | |
Bild: Soldaten der malischen Streitkräfte treten im EUTM-Ausbildungszentrum zu… | |
Schultern zurück, Brust raus. Der Militärausbilder macht sich breiter, als | |
er ohnehin schon ist. „Gibt es hier noch irgendwelche Zweifel daran, was | |
ein ‚Double Tap‘ ist?“, ruft er. „Das ist kein Präzisionszielen!“ Ei… | |
Sekunden später peitschen Feuerstöße über den Schießplatz von Koulikoro. | |
„Tak, tak … Tak, tak.“ Eine Szene aus der europäischen Ausbildungsmission | |
für die malischen Streitkräfte (EUTM), ein Sinnbild für einen stolzen | |
Erfolg? Von wegen. | |
Seit sieben Jahren bilden auch Bundeswehrsoldaten ihre Kameraden in Mali | |
aus. Nicht nur beim Schießen, auch in Topografie oder Völkerrecht. Die | |
Ausbildung wird hohen professionellen Ansprüchen gerecht, die meisten | |
malischen Soldaten haben wohl mindestens einen Kurs besucht. Doch sobald es | |
vom Schießplatz in den Einsatz geht, ist davon nichts mehr zu spüren. | |
Mitte Februar, in etwa in der Zeit, in der in Koulikoro der „Double Tap“ | |
geübt wurde, ereignete sich ein paar Hundert Kilometer nordöstlich ein | |
Desaster: Die malischen Soldaten, die das Dorf Ogossagou beschützen | |
sollten, hätten sich zurückgezogen, wurde gemeldet. Nur Stunden später | |
überfiel eine Miliz Ogossagou. Die Männer ermordeten Dutzende Bewohner, | |
zertrümmerten Häuser und fackelten Getreidespeicher ab. | |
Die malischen Sicherheitskräfte fliehen immer wieder, wenn Gefahr droht. | |
Meist sind sie gar nicht erst da. Obwohl Tag für Tag am Ausbildungsstandort | |
der Bundeswehr trainiert wird, [1][verschlechtert sich die | |
Sicherheitslage]. Allein im ersten Quartal dieses Jahres verloren | |
mindestens 300 Zivilisten das Leben. | |
## Der Einsatz ist zum Scheitern verurteilt | |
Was tun? Die Bundesregierung will die Ausbildungsmission jetzt deutlich | |
ausbauen. Der Bundestag soll den Plänen am Freitag zustimmen. Doch auch das | |
erweiterte Engagement ist zum Scheitern verurteilt. Im Mandatsentwurf zeigt | |
sich deutlich: Berlin hat aus Mängeln der bisherigen Mission gelernt, | |
drückt sich aber weiterhin davor, sich der deutschen und der malischen | |
Realität zu stellen. | |
Die Ausbildung soll künftig nicht mehr in Koulikoro stattfinden, sondern | |
dort, wo die heftigsten Kämpfe toben: in Sévaré, nur ein paar Kilometer von | |
Ogossagou entfernt. Künftig müssen die malischen Soldaten also nicht mehr | |
von der Front abgezogen werden und durchs halbe Land fahren. Das spart | |
Zeit, Geld und Energie, die besser in den Kampf gegen Terroristen | |
investiert ist. Die Ausbildung soll auch länger dauern. Statt in | |
Einzelkursen sollen die Malier in den Einheiten, in denen sie später | |
kämpfen, gedrillt werden. In Koulikoro kam bisher oft ein | |
zusammengewürfelter Haufen an. Und weil Malis Armee kein | |
Personalmanagementsystem hat, war nicht mal klar, ob Teilnehmer den Kurs | |
bereits absolviert hatten. | |
Die Bundeswehr soll künftig auch die Sicherheitskräfte [2][der | |
Nachbarländer Burkina Faso] und Niger trainieren. Bisher wurde das Mandat | |
nicht dem Umstand gerecht, dass der Konflikt grenzüberschreitend ist und | |
bewaffnete Gruppen die Rückzugsräume nutzen, die sich ihnen bieten, egal in | |
welchem Land. All das sind Schritte in die richtige Richtung. Nur gehen sie | |
nicht weit genug. Die größten Probleme bleiben. | |
Der Bundeswehr fehlt es an Landes-Expertise. Angehörige der Truppe | |
verbringen in der Regel nur vier Monate in Mali – zu wenig, um zu | |
verstehen, was im Sahel geschieht, zu wenig, um Beziehungen aufzubauen. Das | |
gilt vor allem, wenn sich die Soldaten auch noch in ihren Camps von der | |
Außenwelt abschirmen. Das wird auch in Sévaré so sein. Dort ist das Terrain | |
schließlich ungleich gefährlicher als in Koulikoro. | |
## Die Bundesregierung lässt die malischen Soldaten im Stich | |
Malische Soldaten klagen zu Recht, dass ihnen die Europäer manchmal | |
vorkommen wie Ärzte, die den Anamnesebogen nicht gelesen haben: hohes | |
militärisches Niveau, aber begrenztes Verständnis für die Situation der | |
Menschen, denen sie helfen sollen. Zugleich wollen etliche malische | |
Soldaten, die bei EUTM in die Schule gehen, gar nicht kämpfen. Sie sehen in | |
der Armee vor allem eine der wenigen sicheren Geldquellen im Lande. | |
Und dann ist da noch das offensichtlichste Problem: Den malischen | |
Streitkräften fehlt es schlicht an Material. Selbst ein perfekt | |
ausgebildeter, hoch motivierter Soldat kann nichts ausrichten, wenn ihm die | |
Munition fehlt. Der Rückzug ist viel zu oft die einzige Überlebenschance. | |
Doch auch das ignoriert die Bundesregierung. Sie lässt die malischen | |
Soldaten allein auf verlorenem Posten. | |
Die Sahelzone ist eine der ärmsten Regionen der Welt. Malis Regierung gibt | |
bereits jetzt jeden fünften Euro, den sie einnimmt, für Sicherheit und | |
Verteidigung aus. Mehr ist diesem Land kaum zuzumuten. Die Bundesregierung | |
hat mit der sogenannten Ertüchtigungsinitiative zwar durchaus geholfen. Sie | |
hat gepanzerte Wagen vom Typ Casspir bereitgestellt. Mitglieder des | |
Regiments, das sie einsetzt, berichten, jetzt in Regionen Präsenz zeigen zu | |
können, die vorher unzugänglich für sie waren. Doch Waffenlieferungen und | |
Munition sind für Berlin tabu. | |
Dafür gibt es gute Gründe. Deutschland kann solche Rüstungsgüter nicht | |
einfach in ein Krisengebiet schicken. In Mali prallt Berlins Anspruch auf | |
mehr Verantwortung in der Welt auf Deutschlands historisch gewachsene | |
militärische Zurückhaltung. Ein Dilemma? Ja, ein gesellschaftliches, für | |
das die Bundeswehr wenig kann. Doch solange es nicht aufgelöst wird, birgt | |
militärisches Engagement im Sahel wenig. | |
Mehr könnte die Bundesregierung erreichen, wenn sie sich stärker auf den | |
„Vernetzten Ansatz“ konzentrierte: Außen-, Sicherheits- und | |
Entwicklungspolitik müssen zusammenwirken. Wenn es gelingt, [3][die | |
malische Regierung] zu effizienterer Arbeit anzutreiben und die Entwicklung | |
ziviler und wirtschaftlicher Strukturen in Einklang mit der Förderung der | |
militärischen Fähigkeiten zu bringen, könnte sich der malische Staat die | |
Munition, die er für seine Streitkräfte braucht, vielleicht irgendwann | |
selbst kaufen. | |
29 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Chef-der-Wahrheitskommission-ueber-Mali/!5688709 | |
[2] /Uebergriffe-in-Mali-und-Burkina-Faso/!5688710 | |
[3] /Mali-nach-der-Parlamentswahl/!5680704 | |
## AUTOREN | |
Issio Ehrich | |
## TAGS | |
Mali | |
Bundeswehr | |
Soldaten | |
Islamisten | |
Mali | |
Mali | |
Mali | |
Mali | |
Mali | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ethnische Milizen in Mali: Auf Menschenjagd | |
In Mali bekämpft die Jägermiliz Dan Na Ambassagou „Terroristen“ – ein S… | |
im Staate. Jetzt verlangt sie von den Militärmachthabern Anerkennung. | |
Die Bundeswehr in Westafrika: Einsatz in Mali wird ausgeweitet | |
Mit großer Mehrheit stimmt der Bundestag für eine Ausweitung des | |
Bundeswehreinsatzes in Mali. Scharfe Kritik kommt von der Linksfraktion. | |
Chef der Wahrheitskommission über Mali: „Bereit für Verzeihen und Vergeben�… | |
In Mali werden Menschenrechte von ganz verschiedenen Akteuren verletzt. | |
Wichtig sei zuerst, das Leid der Opfer anzuerkennen, sagt Ousmane Sidibé. | |
Übergriffe in Mali und Burkina Faso: Kopfschüsse gegen den Terror | |
Im Krieg gegen Islamisten in Mali und Burkina Faso nehmen extralegale | |
Hinrichtungen und Armeegewalt zu. Staat und Volk trauen einander nicht. | |
Mali nach der Parlamentswahl: Oppositionsführer gesucht | |
Vor Wochen entführten Bewaffnete den Oppositionschef Soumaila Cissé. Er ist | |
immer noch weg. Spricht die Regierung nun mit den Islamisten? |