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# taz.de -- Tod im Gewahrsam: Tatort Polizeistation
> Immer wieder sterben nicht weiße Menschen in Gewahrsam. Dem will die
> antirassistische Kampagne „Death in Custody“ etwas entgegensetzen.
Bild: Menschen demonstrieren in Hamburg nach dem Tod des Psychiatriepatienten W…
Berlin taz | Eine Nacht im Februar 2019: Die Polizei nimmt den 22-jährigen
Rooble Wasame, der im Ankerzentrum in Schweinfurt lebt, nach einem Streit
mit einem anderen Bewohner in Gewahrsam. Das ist um 4.45 Uhr. Um 7.30 ist
der Somalier tot. Laut Polizei handelt es sich um einen Suizid. Bekannte
und Angehörige bestreiten das.
Es ist nicht der einzige Fall, in dem eine nichtweiße Person unter
ungeklärten Umständen unter den Augen der Polizei zu Tode kommt. Und immer
wieder kämpfen Freunde, Angehörige und Initiativen für Aufklärung. Denn nur
in den seltensten Fällen werden Verantwortliche ermittelt und zur
Verantwortung gezogen. Wie im wohl bekanntesten Fall: dem [1][Tod des aus
Sierra-Leone stammenden Oury Jalloh], der im Jahr 2005 in einer
Polizeizelle in Dessau verbrannte. Suizid, sagen die Behörden. Mord, sagen
bis heute Freunde und Angehörige.
Nun hat ein breites Bündnis antirassistischer Initiativen aus Berlin die
[2][Kampagne „Death in Custody“ gestartet]. „Schwarze Menschen und People
of Color sterben in Gewahrsamsituationen, ohne, dass Polizei und
Staatsanwaltschaft ernsthaft ermitteln“, erklärte am Mittwoch die Kampagne
für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP).
September 2018: Der 26-jährige Syrer [3][Ahmed Amad stirbt an den
Verletzungen, die er sich beim Brand in einer Polizeizelle in Kleve
zugezogen hat]. Eine Zelle, in der er zweieinhalb Monate zu Unrecht saß –
die Polizei soll ihn verwechselt haben. Wieder heißt es, es handle sich um
Suizid: Amad habe den Brand selbst gelegt.
## Tod im Krankenhaus
„Mit Gewahrsam meinen wir nicht nur Zellen, sondern geschlossene Räume, die
von Institutionen verwaltet werden und die der Öffentlichkeit kaum
zugänglich sind“, sagte Johanna Mohrfeld von der KOP. „Für uns als
Öffentlichkeit gibt es kaum eine Möglichkeit, die Angaben der Behörden zu
überprüfen oder zu widerlegen“, ergänzte Bafta Sarbo von der Initiative
Schwarze Menschen in Deutschland (ISD). Das sei anders als in Fällen von
Polizeigewalt auf offener Straße, wo es Zeugen gebe oder vielleicht sogar
Videomaterial.
April 2019: In Hamburg [4][stirbt der aus Kamerun stammende William
Tonou-Mbobda] an Herzversagen, wie es heißt, nachdem Sicherheitskräfte des
Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf den Psychiatriepatienten gegen
seinen Willen brutal fixiert haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen
des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge gegen drei Mitarbeiter
des Sicherheitsdienstes und die behandelnde Ärztin.
Die Liste geht weiter. Vor drei Jahren erschoss die Polizei [5][in einer
Berliner Flüchtlingsunterkunft den Iraker Hussam Fadl Hussein]. Aus
Nothilfe, hieß es damals, der Fall wurde eingestellt. Erst im Juli diesen
Jahres und nach jahrelangem Druck der Angehörigen wurde der Fall neu
aufgerollt.
## Unabhängige Untersuchung gefordert
Der Tod im Gewahrsam sei ein „besonderes Extrem eines Problems, das weit
vorher beginnt“, erklärte Sarbo. [6][Racial Profiling sei einer der Gründe
dafür], dass Menschen überhaupt erst zu Unrecht in Gewahrsam landen. „Und
immer wieder ist von einem Fehlverhalten der Opfer die Rede, oder [7][sie
werden als psychisch krank beschrieben oder als so aggressiv, dass die
Polizei sich nicht anders zu helfen wusste]“, sagte Mohrfeldt.
Die Aktivist*innen fordern eine unabhängige Untersuchung jedes Todesfalls
im Gewahrsam. Bisher ermitteln die Behörden gegen sich selbst, und meist
wird schon nach kurzer Zeit eingestellt. Das zu verhindern, oder
eingestellte Fälle wieder neu aufzurollen, koste Angehörige und
Aktivist*innen viel Kraft – und auch Geld. „Wir hoffen, da in Zukunft
finanziell unterstützen zu können“, sagte Biplab Basu von der KOP. Vor
allem aber wolle man die eigene Expertise und Erfahrung mit den oft kleinen
und ehrenamtlich arbeitenden Initiativen überall in Deutschland teilen und
das gesellschaftliche Bewusstsein für solche Todesfälle schärfen.
Wie viel auf diesem Feld noch zu tun ist, zeigt allein die fehlende
Datenbasis. Offiziell gibt es Racial Profiling und institutionellen
Rassismus in Deutschland nicht. Wie viele Schwarze Menschen und Menschen of
Color im Polizeigewahrsam ums Leben kommen und wie die Aufklärung verläuft,
darüber gibt es keine Zahlen. Zusammen mit dem Grundrechtekomitee will die
Kampagne „Death in Custody“ diese Daten nun zusammentragen.
25 Sep 2019
## LINKS
[1] /Tod-von-Oury-Jalloh-in-Dessau/!5577147
[2] https://kop-berlin.de/veranstaltung/einladung-zur-pressekonferenz-anlasslic…
[3] /Fehler-der-Staatsanwaltschaft-Hamburg/!5565684
[4] /Fall-des-Psychiatrie-Patienten-Mbobda/!5588064
[5] /Tod-durch-Polizeischuesse/!5423212
[6] /Diskussion-zu-Polizeiwillkuer/!5548374
[7] https://taz.atavist.com/polizeitote#chapter-2336583
## AUTOREN
Dinah Riese
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