# taz.de -- Patient stirbt nach Zwangsmaßnahmen: Keine Anklage im Todesfall Mb… | |
> William Tonou-Mbobda starb in der Psychatrie unter zweifelhaften | |
> Umständen. Die Ermittlungen dazu wurden nun eingestellt. | |
Bild: William Tonou-Mbobda starb unter ungeklärten Umständen, die Ermittlunge… | |
HAMBURG taz | Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen zum Tod | |
von William Tonou-Mbobda nach knapp eineinhalb Jahren abgeschlossen – und | |
eingestellt. Das bestätigt die Staatsanwaltschaft der taz. Tonou-Mbobda | |
starb, [1][nachdem er im April vorigen Jahres im Universitätsklinikum | |
Hamburg-Eppendorf (UKE) vom Sicherheitsdienst fixiert worden war]. Gegen | |
die behandelnde Ärztin sowie drei Security-Mitarbeiter wurde deshalb wegen | |
des Vorwurfs der versuchten Zwangsmedikation sowie des Vorwurfs der | |
Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. | |
Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft hat ein Mangel an Beweisen dazu | |
geführt, gegen die drei Beschuldigten keine Anklage zu erheben. „Es konnte | |
den Beschuldigten nicht hinreichend nachgewiesen werden, den Tod | |
verschuldet zu haben“, sagt Liddy Oechtering, die Sprecherin der | |
Staatsanwaltschaft. Strafrechtlich relevant sei weder das Handeln der | |
Ärztin noch die durchgeführte Zwangsmaßnahme der Security-Mitarbeiter. | |
Tonou-Mbobda hatte am Morgen des 21. April auf einer Bank vor dem UKE | |
gesessen. Drei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes suchten ihn auf, | |
brachten ihn zu Boden und fixierten ihn, um ihn zurück auf die Station zu | |
bringen. Er hatte sich zuvor freiwillig in psychiatrische Behandlung | |
begeben und überlegte, ob er die Klinik verlassen sollte. Bei der | |
Zwangsmaßnahme kollabierte der 34-Jährige. [2][Fünf Tage später starb er.] | |
In einer Ausschusssitzung der Hamburger Bürgerschaft im Dezember 2019 hatte | |
der leitende Staatsanwalt Lars Mahnke erklärt, die Ursache für den Tod | |
Tonou-Mbobdas sei ein Kollaps und ursächlich für den Kollaps wiederum die | |
repressive Maßnahme gewesen. Der taz hatten mehrere Augenzeug*innen | |
berichtet, dass die Security-Mitarbeiter äußerst brutal vorgegangen waren | |
und Tonu-Mbobda zusammengeschlagen hatten. | |
## Handeln des Sicherheitsdienstes sei gerechtfertigt gewesen | |
Die Ermittlungen hätten diese Aussagen jedoch nicht bestätigt, heißt es | |
seitens der Staatsanwaltschaft. „Die Handlung des Sicherheitsdienstes war | |
durch allgemeine Notwehr- und Nothilfevorschriften gerechtfertigt, da eine | |
Fremd- und Eigengefahr bestand“, sagt Oechtering. Hinzu komme, dass sich | |
aus der Obduktion keine Hinweise auf ein übertrieben gewaltsames Handeln | |
ergaben hätten. | |
Dieser Hinweis ist allerdings bemerkenswert, da die Obduktion ebenfalls am | |
UKE durchgeführt wurde. Ein unabhängiges Ergebnis sieht die | |
Staatsanwaltschaft dadurch als gegeben an, dass neben dem UKE-Mitarbeiter | |
auch eine Gerichtsmedizinerin aus Rostock anwesend gewesen sei. | |
Fragen lässt auch der Verweis auf eine allgemeine Notwehr- beziehungsweise | |
Nothilfesituation offen, da laut dem Hamburger Gesetz über Hilfen und | |
Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten ein Gericht entscheiden muss, | |
ob bei einer Person überhaupt Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden dürfen. | |
In dringenden Fällen reicht auch ein Beschluss des zuständigen Bezirksamts. | |
Doch solch ein Beschluss lag nach Angaben der Polizei noch nicht vor. Aus | |
Sicht der Staatsanwaltschaft greift in diesem Fall das Hamburger Gesetz | |
nicht. | |
## Anwältin hält Notwehrlage für unwahrscheinlich | |
Die Rechtsanwältin der Schwester von Tonou-Mbobda, Gabriele Heinecke, | |
[3][stellte dies bereits vor dem jetzigen Abschluss der Ermittlungen | |
infrage.] „Eine durch William Mbobda verursachte Notwehr- oder | |
Notstandslage halte ich für sehr unwahrscheinlich“, sagt sie. | |
Zur Einstellung des Verfahrens erklärt sie nun, ein | |
Klageerzwingungsverfahren gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft | |
prüfen zu wollen. Bislang liege ihr allerdings die schriftliche Begründung | |
zur Einstellung noch nicht vor. „Die Familie will aber weiterhin eine | |
Aufklärung des Falles“, sagt Heinecke. | |
Laut der Staatsanwaltschaft ergaben die Ermittlungen auch keine Hinweise | |
auf einen rassistischen Hintergrund. Ein Mitarbeiter des UKE, der sich bei | |
der taz meldete und anonym bleiben will, sprach von rassistischen | |
Vorurteilen unter Kollegen. „Darauf gibt es im Falle der Beschuldigten | |
keine Hinweise“, sagt Oechtering. | |
Der Fall hatte bei vielen Menschen für Entsetzen gesorgt. Nach dem Tod | |
Tonou-Mbobdas hatten sich mehrere Hundert Menschen am UKE versammelt und | |
noch am Montag hatte die Gruppe „Justice for Mbobda“ zu einer „Aktionswoc… | |
gegen Verschleppung und Straflosigkeit“ im Fall Tonou-Mbobda aufgerufen. | |
Für kommenden Freitag war eine Protestaktion vor dem Gebäude der Hamburger | |
Staatsanwaltschaft geplant, die die Verschleppung der Ermittlungen | |
kritisieren sollte. | |
12 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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