| # taz.de -- Psychiatriepatient William Tonou-Mbobda: Tödlicher Zwang | |
| > William Tonou-Mbobda suchte psychiatrische Hilfe in der Hamburger | |
| > Uniklinik – und kam dort ums Leben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. | |
| Bild: William Tonou-Mbobda studierte in Hamburg BWL im Masterstudiengang | |
| Hamburg taz | Mitte April rief William Tonou-Mbobda seinen Freund David an. | |
| William habe ihn gefragt, ob er ihn zum Frisör begleiten könne, erinnert | |
| sich David. Er sitzt an einem Nachmittag im Mai in einem Café am Hamburger | |
| Hauptbahnhof, seinen richtigen Namen möchte er nicht nennen. David stimmte | |
| dem Frisörbesuch zu, anschließend gingen die beiden Männer afrikanisch | |
| essen und fuhren dann zur Universität, ins Rechenzentrum. Dort trafen sie | |
| sich oft. | |
| „William wollte dort eine Bewerbung schreiben“, erzählt David. Wenn er von | |
| der gemeinsamen Zeit mit seinem Freund spricht, hat er ein Lächeln auf den | |
| Lippen. „Er hatte vor, ein Praktikum bei einem Wirtschaftsprüfer zu | |
| machen.“ Später kauften die Männer ein paar Biere und tranken sie auf einem | |
| Platz an der Uni. Es war das letzte Mal, das David seinen Freund sah. | |
| Wenige Tage später war [1][William Tonou-Mbobda] tot. Er starb, nachdem er | |
| am 21. April im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) vom | |
| Sicherheitsdienst fixiert worden war. Die Staatsanwaltschaft ermittelt | |
| wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge gegen drei | |
| Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes und die behandelnde Ärztin. Die | |
| Ermittlungen sollen klären, ob die Securities so gewalttätig gegen | |
| Tonou-Mbobda vorgingen, dass er daran starb. Und welche Rolle die | |
| behandelnde Ärztin dabei spielte. Schon jetzt gibt es Hinweise, dass vieles | |
| schieflief an diesem Ostersonntag. | |
| William Tonou-Mbobda wurde 34 Jahre alt. In Kamerun geboren, kam er vor | |
| etwa zehn Jahren nach Hamburg und begann ein Ingenieursstudium. Zuletzt | |
| studierte er im Master BWL. Tonou-Mbobda soll an Schizophrenie erkrankt und | |
| schon mehrfach in Behandlung gewesen sein, auch am UKE. | |
| Offenbar wusste er um seine Krankheit, im April hatte er sich freiwillig in | |
| psychiatrische Behandlung begeben, suchte Hilfe. Wie lange er schon dort | |
| war, ist der taz nicht bekannt. Am Morgen des 21. April saß er vor dem | |
| Gebäude der psychiatrischen Klinik, Haus W37, auf einer Bank. So schildern | |
| es Zeug*innen. | |
| ## „Lasst mich los, ich kriege keine Luft mehr“ | |
| „Mehrere Zeuginnen haben ausgesagt, dass Tonou-Mbobda ruhig auf einer Bank | |
| saß und vom Sicherheitsdienst dort weggezerrt wurde“, sagt Gabriele | |
| Heinecke. Sie ist die Rechtsanwältin der Schwester von Tonou-Mbobda. Diese | |
| hat sich als potenzielle Nebenklägerin dem Ermittlungsverfahren | |
| angeschlossen. Als Anwältin hat Heinecke Akteneinsicht. Die Schwester | |
| selbst möchte nicht mit der Presse sprechen. | |
| Laut Heinecke berichten mehrere Zeuginnen, dass Tonou-Mbobda von dem | |
| Sicherheitsdienst brutal auf dem Bauch liegend festgehalten wurde. Ihm soll | |
| mehrfach mit dem Knie in die Nierengegend gestoßen worden sein. „Mehrere | |
| Zeugen haben ausgesagt, dass drei Menschen auf ihm saßen und ihm der Mund | |
| zugehalten wurde“, sagt Heinecke. Tonou-Mbobda soll mehrfach gerufen haben: | |
| „Lasst mich los, ich kriege keine Luft mehr.“ | |
| Von solchen Rufen berichtete auch Dilan Balhans Mutter. Auch sie war an | |
| diesem Morgen vor dem Gebäude W37 anwesend. Ihre Mutter selbst wolle nicht | |
| über den verstörenden Vorfall sprechen, sagt Dilan Balhan. Doch sie habe | |
| ihr das Erlebte später erzählt. Demnach lehnte Tonou-Mbobda eine Tablette | |
| ab, die ihm zwei Pflegekräfte hingehalten haben. „Die Pfleger sind dann | |
| wieder abgezogen und kamen mit drei Security-Mitarbeitern zurück“, sagt | |
| Balhan. Es habe keinen weiteren Wortwechsel gegeben, Tonou-Mbobda sei | |
| sofort gepackt und auf den Boden geworfen worden. „Meine Mutter hat gesagt, | |
| sie hat immer wieder weggeguckt, weil die Situation so aggressiv und brutal | |
| war“, sagt Balhan. | |
| Dilan Balhan informierte die „Black Community Hamburg“ über den Vorfall. | |
| Kurz danach veröffentlichte diese Videos, in denen Zeug*innen das | |
| Geschehene schilderten. Ein Mann berichtete über Tritte gegen Nieren und | |
| Rücken von Tonou-Mbobda. Auch von einer Spritze, die ihm gegeben worden | |
| sein soll, war die Rede. Mittlerweile sind die Videos gelöscht. Nur in | |
| einem Artikel einer Hamburger Zeitung sind noch verfremdete Aufnahmen zu | |
| sehen. | |
| Das brachiale Vorgehen des Sicherheitsdienstes ging fließend über in die | |
| Wiederbelebung von Tonou-Mbobda. Er konnte reanimiert werden, starb jedoch | |
| fünf Tage später auf der Intensivstation. „Eigentlich ist William schon am | |
| 21. April gestorben. Danach wurde er nur künstlich am Leben gehalten“, sagt | |
| sein Freund David. | |
| Die beiden Männer lernten sich in einem Student*innenwohnheim kennen. Sie | |
| haben oft zusammen Mittag gegessen, gingen gemeinsam auf Partys, erzählt | |
| David. Dass es Tonou-Mbobda nicht gut ging und dieser Medikamente nahm, | |
| wusste er. Er nahm an, es handele sich um Schlaftabletten. „Ich dachte, das | |
| liegt einfach am Prüfungsstress, und hatte Verständnis, weil ich wusste, | |
| wie stressig das sein kann.“ | |
| ## Mahnwachen vor dem UKE | |
| Gemeinsam mit der Black Community Hamburg demonstrierte David mehrfach für | |
| die Aufklärung der Todesumstände von Tonou-Mbobda. Die Gruppe, die sich für | |
| die Rechte von People of Colour einsetzt, organisierte bis Ende Juni | |
| regelmäßig Mahnwachen vor der Psychiatrie des UKE. Mit Spendenkampagnen | |
| sammeln sie Geld, um die Rechtsbeistände der Familie und Gutachten bezahlen | |
| zu können und für die Überführung des Leichnams. Mehrere tausend Euro sind | |
| zusammengekommen. | |
| Der Tod Tonou-Mbobdas sorgte für viel Aufsehen und Solidarität in der | |
| Öffentlichkeit. Am 25. Mai gingen nach Angaben der Veranstalter*innen 3.000 | |
| Menschen unter dem Motto #JusticeforMbobda auf die Straße. Die Black | |
| Community Hamburg wirft den Verantwortlichen am UKE vor, nicht genug zur | |
| Aufklärung des Falls beizutragen. „Sie entwürdigten und kriminalisierten | |
| den Getöteten, indem sie das Bild von einem ‚gefährlichen‘ und psychisch | |
| kranken Schwarzen Mann zeichnen, der selbst die Schuld für seine Ermordung | |
| trägt“, hieß es in dem Demo-Aufruf. Struktureller und antischwarzer | |
| Rassismus sei die zentrale Ursache für den Tod Tonou-Mbobdas. Auch ein | |
| Mitarbeiter des UKE, der sich bei der taz meldete und anonym bleiben will, | |
| sprach von rassistischen Vorurteilen unter Kollegen. | |
| Drei Monate nachdem Tonou-Mbobda starb, stehen diese Vorwürfe weiterhin im | |
| Raum. Das liegt nicht nur an den noch laufenden Ermittlungen, sondern auch | |
| an Fragen, die der Fall aufwirft und die das Krankenhaus unbeantwortet | |
| lässt. | |
| Zum ersten Mal äußerte sich das UKE öffentlich, [2][als auch die taz das | |
| erste Mal über den Fall berichtete]. Das war vier Tage nach dem Übergriff. | |
| Ein Patient habe sich der „Anordnung der Unterbringung widersetzt und | |
| musste von dem zwischenzeitlich hinzugerufenen Sicherheitsdienst des UKE | |
| fixiert werden“, hieß es in einer kurzen Stellungnahme. Dabei habe er aus | |
| ungeklärten Umständen zusätzliche medizinische Hilfe benötigt. | |
| Tonou-Mbobda sollte also auf eine geschlossene Station. Aber warum? Die | |
| Klinik will nichts weiter sagen – wegen des Datenschutzes und der laufenden | |
| Ermittlungen. | |
| Eine Unterbringung ist laut dem Hamburger Gesetz über Hilfen und | |
| Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten nur zulässig, wenn die Gefahr | |
| besteht, dass jemand sich selbst oder andere erheblich schädigt und diese | |
| Gefahr nicht anders abzuwenden ist. „Die fehlende Bereitschaft, sich | |
| behandeln zu lassen, rechtfertigt für sich allein keine Unterbringung“, | |
| heißt es im Gesetzestext. | |
| Was innerhalb der Klinik passierte, bevor Tonou-Mbobda vor dem Gebäude saß, | |
| liegt im Dunkeln. Die Securities und die Ärztin konnte die taz dazu nicht | |
| befragen. Auch ob sie mittlerweile wieder an der Klinik arbeiten, bleibt | |
| unklar. Das UKE wollte diese Frage nicht beantworten. Kurz nach dem Vorfall | |
| hieß es, sie seien beurlaubt worden. | |
| Anwältin Heinecke sagt: „Selbst wenn es nachts auf der Station einen | |
| Zwischenfall gegeben haben sollte, der eine Unterbringung hätte | |
| rechtfertigen können, hatte sich William Tonou-Mbobda morgens wieder | |
| beruhigt.“ Vor der Anwendung unmittelbaren Zwangs hätte in jedem Fall die | |
| Entscheidung des Bezirksamts abgewartet müssen. | |
| Tatsächlich muss ein Gericht über eine Zwangseinweisung entscheiden. In | |
| dringenden Fällen reicht auch ein Beschluss des zuständigen Bezirksamts. | |
| Doch solch ein Beschluss lag nach Angaben der Polizei noch nicht vor. | |
| Die Polizei geht nach eigenen Angaben von einer Tat um 8.25 Uhr aus. Um | |
| 8.49 Uhr wurde sie das erste Mal angefordert. Beim Bezirksamt kam der | |
| Unterbringungsantrag um 8.39 Uhr an. Den Beschluss erhielt das UKE laut | |
| Anwältin Heinecke um 9.35 Uhr. Für sie ist klar: „Es gab keine rechtliche | |
| Grundlage und keine Gefahr im Verzug.“ | |
| Bei Gefahr in Verzug kann ein Gerichtsbeschluss entbehrlich sein, erklärt | |
| der Rechtsanwalt Oliver Tolmein. Er gründete die Hamburger Kanzlei Menschen | |
| und Rechte und vertritt unter anderem Menschen, die sich gegen | |
| Zwangsmaßnahmen wehren. Er findet, das UKE habe dringend zu erklären, warum | |
| bei Tonou-Mbobda Zwang angewendet wurde. „Und selbst wenn man zu der | |
| Einschätzung kam, dass man sofort handeln muss, stellt sich die Frage nach | |
| der Methode“, sagt Tolmein. „Warum war keine Zeit da, sich mit etwas | |
| Abstand neben den Mann zu setzen und mit ihm zu sprechen?“ | |
| Zwangsmaßnahmen treffen oft Menschen, die sich aus dem Blickwinkel der | |
| Durchschnittsbevölkerung auffällig verhalten, sagt Thomas Pollmächer. Das | |
| auffällige, unerwartete Verhalten mache anderen Angst und sei ein | |
| Schlüsselreiz für die Anwendung von Gewalt oder Zwang – „auch zum | |
| vermeintlichen Selbstschutz“. Pollmächer ist Direktor des Zentrums für | |
| psychische Gesundheit am Klinikum Ingolstadt und President Elect der | |
| Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik | |
| und Nervenheilkunde (DGPPN). Diese veröffentlichte im letzten Jahr eine | |
| Leitlinie zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen bei aggressiven Patient*innen, | |
| an der auch Pollmächer mitarbeitete. | |
| ## Außer der Presseabteilung äußert sich niemand | |
| Eine Erkenntnis der Leitlinie: Aggressives Verhalten tritt bei Menschen | |
| ethnischer Minderheiten oder mit Migrationshintergrund gleich häufig oder | |
| eher seltener auf als bei deutschen Patient*innen. Ethnische Minderheiten | |
| haben aber tendenziell ein höheres Risiko, stationär untergebracht zu | |
| werden und von Zwangsmaßnahmen betroffen zu sein. | |
| Pollmächer hält es für möglich, dass es unter Klinikpersonal Vorurteile | |
| gegen Migrant*innen gibt. „Auch in der Klinik arbeitet schließlich ein | |
| Querschnitt der Bevölkerung“, sagt er. | |
| Das UKE hingegen beteuert in einer kurzen Stellungnahme, Rassismus habe bei | |
| ihnen keinen Platz. „Wir stehen im UKE konsequent für Toleranz und eine | |
| weltoffene Gesellschaft.“ Die Vorwürfe würden sehr ernst genommen und „die | |
| Aufklärung der Ereignisse mit allen Kräften“ unterstützt. | |
| Doch in der Öffentlichkeit sprechen darf außer der Presseabteilung offenbar | |
| niemand. Alle Gesprächsanfragen der taz an Mitarbeiter*innen des UKE wurden | |
| von der Pressestelle abgelehnt. Selbst diejenigen, die, unabhängig von | |
| Tonou-Mbobdas Tod, über ihre Arbeit in der Psychiatrie sprechen wollen, | |
| dürfen nicht. | |
| Einige Mitarbeiter*innen der Klinik fanden andere Wege, sich zu äußern. An | |
| der Gedenkstelle wurde im Namen der „Mitarbeiter des UKE“ ein Kranz | |
| niedergelegt. Der Verein Irre Menschlich Hamburg, in dem auch | |
| Mitarbeiter*innen des UKE arbeiten, spendete 2.000 Euro für die Überführung | |
| von Tonou-Mbobdas Leiche nach Kamerun. | |
| „Im Aufklärungsprozess nimmt das UKE leider keine konstruktive Rolle ein“, | |
| findet Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Hamburger | |
| Linksfraktion. Er stellte, so wie andere Politiker*innen, mehrere | |
| schriftliche Kleine Anfragen, um herauszufinden, welche Strukturen in der | |
| Uniklinik den Tod Tonou-Mbobdas begünstigt haben könnten. | |
| ## Wie gut sind die Securities ausgebildet? | |
| Für Celik zeigen die Antworten, dass die Erwachsenen-Psychiatrien in | |
| Hamburg überlastet sind. 43 Gefährdungsanzeigen im letzten Jahr durch die | |
| Mitarbeiter*innen der Erwachsenen-Psychiatrie am UKE seien ein starkes | |
| Indiz dafür. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden dort 19 | |
| dieser Anzeigen gestellt, die auf eine gefährliche Lage für Patient*innen | |
| und Mitarbeiter*innen hinweisen. | |
| Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie die Securities, die bei einer | |
| Tochterfirma des UKE angestellt sind, überhaupt ausgebildet sind. In ihren | |
| Antworten auf die Kleinen Anfragen berichtet die Klinik: Das | |
| Sicherheitspersonal erhalte Schulungen speziell zum deeskalierenden Umgang | |
| mit psychisch kranken Menschen. Detailfragen wollte die Klinik nicht | |
| beantworten. Erst nachdem die taz die Hamburger Wissenschaftsbehörde, die | |
| die Aufsicht über das Krankenhaus hat, einschaltete, gab das UKE | |
| schließlich an: Dieses „strukturierte Fortbildungscurriculum“ wurde erst | |
| Mitte April „implementiert“. Also kurz vor Tonou-Mbobdas Tod. | |
| Bereits seit 2016 bekommen die Securities laut UKE zweimal wöchentlich ein | |
| „internes körperliches Deeskalations- und Verhaltenstraining durch eine | |
| Ausbilderin oder einen Ausbilder der Polizei“. Ein Sprecher der Polizei | |
| sagte der taz, dass sie solche Trainings weder durchführten noch dafür | |
| inhaltlich verantwortlich seien. Erst daraufhin räumte das UKE ein, dass | |
| die Ausbilderin oder der Ausbilder die Trainings „ohne Bezug zu ihrer | |
| dienstlichen Tätigkeit“ durchführen. Das heißt: Das UKE hat einfach nur ein | |
| Unternehmen beauftragt. Was körperliches Training genau meint, bleibt | |
| weiterhin unbeantwortet. Das UKE sagt, es sei ein modulares Training mit | |
| den Inhalten „Kontrolle, Selbstschutz und Teamwork“. | |
| Das Sicherheitspersonal erhält also seit drei Jahren zweimal in der Woche | |
| körperliches Training. Systematische Informationen darüber, mit welchen | |
| Menschen sie es in einer Psychiatrie zu tun haben und wie ein sensibler | |
| Umgang damit aussieht, bekommen sie seit drei Monaten. | |
| Sicherheitspersonal sollte keine Zwangsmaßnahmen durchführen, findet | |
| Experte Thomas Pollmächer. Psychiatrisches Personal sei minutiös darin | |
| geschult, freiheitsentziehende Maßnahmen so schonend wie möglich | |
| durchzuführen. „Sollte ein Sicherheitsdienst tatsächlich gleichwertig | |
| ausgebildet sein, dann kann man ja auch gleich spezialisiertes | |
| Pflegepersonal einstellen“, sagt er. | |
| Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und | |
| Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde gibt klare Empfehlungen | |
| dafür, wie ein Mensch wenn nötig festgehalten werden sollte: im Stehen oder | |
| Sitzen, im Liegen nur ausnahmsweise. Und selbst dann mit dem Gesicht nach | |
| oben und unbedingt ohne Druck auf Brustkorb und Bauch. Der Grad der | |
| Empfehlung wurde sogar hochgestuft. Die Begründung: „hoher Expertenkonsens, | |
| sicherheitsrelevant“. | |
| Den Aussagen der Zeug*innen zufolge ist all das im Umgang mit Tonou-Mbobda | |
| nicht eingehalten worden. | |
| ## Sauerstoffmangel als Todesursache | |
| Für Anwältin Heinecke beweist die rechtsmedizinische Untersuchung von | |
| Tonou-Mbobda, dass es Gewalteinwirkung bei ihm gab. „Eine gebrochene Rippe, | |
| ein angebrochenes Brustbein, Schürfwunden und zahlreiche Hämatome sind | |
| festgestellt worden“, sagt sie. „Es wird zu klären sein, was auf die | |
| Misshandlung durch die Security und was auf Reanimationsmaßnahmen | |
| zurückzuführen ist.“ Als Todesursache sei eine Sauerstoffmangelschädigung | |
| des Gehirns angegeben, die durch plötzliches Herzversagen herbeigeführt | |
| worden sein soll. „Ob dies eine valide Feststellung oder eine | |
| Ausschlussdiagnose ist, wird weiter zu diskutieren sein“, sagt Heinecke. | |
| Tonou-Mbobdas Herz sei nicht krank gewesen und die Diagnose des | |
| Herzstillstandes kläre nichts. „Man könnte sagen, wir alle sterben | |
| irgendwann am Herzstillstand.“ | |
| Nach Angaben der Hamburger Staatsanwaltschaft litt Tonou-Mbobda an einer | |
| Herzvorerkrankung. Sie will klären, was genau am 21. April vor dem | |
| Krankenhaus passiert ist und was die Ursache für seinen Tod war. Nachdem | |
| alle Zeug*innen befragt wurden, sollen diese Ergebnisse mit dem | |
| Obduktionsbericht an einen Rechtsmediziner geschickt werden, um zu einer | |
| abschließenden Bewertung zu kommen. | |
| Welcher Rechtsmediziner das sein wird, ist laut Staatsanwaltschaft noch | |
| nicht klar. Von der Antwort auf diese Frage dürfte viel abhängen, denn | |
| Zweifel an der Unabhängigkeit des Obduktionsergebnisses gibt es schon | |
| jetzt. Der Grund: Die Obduktion wurde am UKE selbst durchgeführt, von einem | |
| Mitarbeiter des Krankenhauses. Genauer gesagt: von Klaus Püschel. Er ist | |
| Leiter der dortigen Rechtsmedizin und war das auch schon, als dem | |
| Nigerianer Achidi John dort 2001 unter Zwang Brechmittel eingeflößt wurde. | |
| John starb. Püschel sprach sich auch immer wieder dafür aus, Geflüchtete zu | |
| röntgen, um ihr Alter feststellen zu können. Die Methode ist | |
| medizin-ethisch und wissenschaftlich höchst fragwürdig. | |
| Laut Hamburger Staatsanwaltschaft besteht trotzdem kein Zweifel an der | |
| Unabhängigkeit Püschels. Ihm sei ein zweiter Rechtsmediziner aus Rostock | |
| beigeordnet worden, um Zweifeln keine Grundlage zu geben, sagt Sprecherin | |
| Nana Frombach. | |
| Tonou-Mbobdas Freund David ist überzeugt, dass es im Fall seines Freundes | |
| zu einem Prozess kommen wird. „Die Frage ist, ob das Urteil gerecht sein | |
| wird.“ | |
| William Tonou-Mbobda wurde in Kamerun beigesetzt. Wann die Ermittlungen | |
| abgeschlossen sein werden, ist noch nicht klar. | |
| 22 Jul 2019 | |
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