| # taz.de -- Jerzy Montag über Fall Oury Jalloh: „Keine zweite Anklage“ | |
| > Der Grüne Jerzy Montag ist in Sachsen-Anhalt Sonderermittler im Fall des | |
| > toten Oury Jalloh. Große Hoffnung für neue Ermittlungen hat er nicht. | |
| Bild: Gedenkdemonstration anlässlich des 13. Todestags von Oury Jalloh im Janu… | |
| taz: Herr Montag, das Oberlandesgericht Naumburg hat am Donnerstag | |
| entschieden: [1][Es wird keinen neuen Prozess im Fall Oury Jalloh geben.] | |
| Können Sie das nachvollziehen? | |
| Jerzy Montag: Die Entscheidung war zu erwarten. In mehr als 99 Prozent | |
| aller Fälle scheitern solche Klageerzwingungsanträge. | |
| Warum? | |
| Die Antragsteller müssen die gleiche Arbeit leisten wie ein Staatsanwalt, | |
| der eine Anklageschrift schreibt. In diesem Fall hieße das: Wer genau wird | |
| wegen Mordes an Oury Jalloh beschuldigt? Es muss ein Name genannt und genau | |
| dargelegt werden, wie sich die Tat abgespielt hat und wie sie bewiesen | |
| werden soll. Sie können sich vorstellen, dass das sehr schwierig ist. | |
| Es sind ja 2017 konkrete Beamte als potenziell Mordverdächtige von dem | |
| Dessauer Staatsanwalt Folker Bittmann genannt worden, bevor ihm der Fall | |
| entzogen wurde. | |
| Ich kenne die Akten noch nicht. Ein Teil der Polizisten ist aber für ein | |
| zweites Verfahren gesperrt. Sie sind ja schon in einem früheren Verfahren | |
| freigesprochen beziehungsweise verurteilt worden. | |
| Da ging es aber um andere Vorwürfe; diese Verfahren gingen davon aus, dass | |
| Jalloh sich selbst angezündet hätte. | |
| Trotzdem ist es derselbe Lebenssachverhalt. Egal [2][was zutage kommt], | |
| gegen diese Polizisten kann es keine zweite Anklage mehr geben. | |
| Halten Sie das für befriedigend? | |
| Das ist ein rechtsstaatlicher Grundsatz, den wir ansonsten auch hochhalten. | |
| Sie und der zweite Sonderermittler mussten das Naumburger Urteil abwarten, | |
| bevor Sie Ihre Arbeit für den Rechtsausschuss des sachsen-anhaltischen | |
| Landtags aufnehmen konnten. Was werden Sie jetzt tun? | |
| Zunächst mal: Was wir nicht tun werden, ist die Richtigkeit der | |
| juristischen Entscheidungen überprüfen. Denn wir dürfen nur das, was auch | |
| das Parlament darf. Und das überprüft ja nicht die Justiz, denn die ist | |
| unabhängig. Unser Job ist die Überprüfung des Handelns der Exekutive. Wir | |
| schauen, ob gegen Vorschriften verstoßen wurde oder sonstige Fehler | |
| begangen wurden. | |
| Wie gehen Sie dabei vor? | |
| Zuallererst sichten wir die gesamten Akten. Die liegen derzeit größtenteils | |
| in Magdeburg und harren darauf, dass wir uns auf sie stürzen. | |
| Haben Sie weitere Ermittlungsmöglichkeiten, außer das Studium der Akten? | |
| Ich habe Wert daraufgelegt, dass wir auch mit Auskunftspersonen sprechen | |
| können. Anfangs war das nicht vorgesehen. | |
| Und das ist nun möglich? | |
| Ja. Jetzt kann ich bei der Landesregierung den Wunsch äußern, mit | |
| bestimmten Personen eventuell zu sprechen. | |
| Eventuell? | |
| Ob das erfüllt wird, weiß ich nicht, denn es handelt sich zum Teil um | |
| Beamte, und die brauchen eine Aussagegenehmigung. Die Landesregierung kann | |
| die aber verweigern. Eine Aussage erzwingen kann nur ein parlamentarischer | |
| Untersuchungsausschuss. | |
| Den wollte die Koalition ja nicht. Einen entsprechenden Vorstoß der Linken | |
| hatten CDU, SPD und Grüne abgelehnt. | |
| So ist es. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass man uns die | |
| Arbeit so schwermacht. Ich gehe davon aus, dass unsere Gesprächswünsche | |
| erfüllt werden. | |
| Kommen für Sie nur Polizisten für eine Vernehmung in der Sache in Frage? | |
| Wer denn sonst? | |
| Zum Beispiel der Arzt, der damals Jalloh im Gewahrsam untersucht hat. | |
| Dass muss man im Einzelnen klären. Wenn das ein niedergelassener Arzt war, | |
| der von der Polizei hinzugezogen wurde, könnte er ein Gespräch ausschlagen. | |
| Aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt für solche Spezialitäten. Ich muss | |
| schauen: Wo liegen meine Arbeitsräume, wie sind sie technisch ausgestattet? | |
| Ob ich irgendeinen Arzt vernehme, entscheide ich später. | |
| Wie lange wird Ihre Untersuchung dauern? | |
| Vertraglich vereinbart sind sechs Monate. Dann erstatten wir den Bericht | |
| für den Rechtsausschuss des Landtags. | |
| Wird der öffentlich gemacht? | |
| Meines Wissens sind keine Aktenteile geheim. Heißt, dass wir den Bericht | |
| höchstwahrscheinlich auch nicht als geheim stempeln. Was der | |
| Rechtsausschuss damit macht, ist seine Sache. Ich kann mir aber vorstellen, | |
| dass dem sachsen-anhaltischen Parlament daran liegt, dass der Bericht | |
| veröffentlicht wird. | |
| 29 Oct 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
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