# taz.de -- Durch Polizeischüsse getöteter Afghane: Demonstrant*innen wollen … | |
> In Stade wurde des von einem Polizisten erschossenen Geflüchteten Aman | |
> Alizada gedacht. Die Demonstrant*innen fordern Aufklärung. | |
Bild: Demonstrant*innen in Stade erinnern mit Fotos an Aman Alizada | |
HAMBURG taz | „Aman war ein friedlicher und hilfsbereiter Mensch“, stand | |
auf einem Transparent. Auf einem anderen: „Aman war genauso wie wir“. Unter | |
Fotos stand geschrieben: „Wir vermissen Dich.“ | |
Am Samstag haben etwa 200 Menschen in Stade demonstriert, um an den [1][vor | |
zwei Monaten getöteten Geflüchteten Aman Alizada] zu erinnern und die | |
Aufklärung seines Todes zu fordern. Der 19-jährige Afghane war von einem | |
Polizisten erschossen worden (taz berichtete). [2][Der Flüchtlingsrat | |
Niedersachsen und weitere Gruppen hatten zu der Demonstration aufgerufen]. | |
Was genau am 17. August in der Unterkunft für Geflüchtete in | |
Stade-Bützfleth passierte, wird noch ermittelt. Die Cuxhavener Polizei hat | |
den Fall übernommen, damit Polizist*innen nicht gegen einen direkten | |
Kollegen ermitteln. | |
Laut Staatsanwaltschaft Stade sei die Polizei zu der Unterkunft gerufen | |
worden, weil eine Person Angst vor ihrem Mitbewohner gehabt habe. Der | |
Mitbewohner war Aman Alizada. Weil er der Polizei bereits bekannt gewesen | |
sei, sei sie mit zwei Streifenwagen angerückt. Alizada habe zunächst nicht | |
auf Ansprache reagiert, beim Betreten der Wohnung soll er mit einer | |
Hantelstange auf die Polizist*innen losgegangen sein. Der Einsatz von | |
Pfefferspray sei wirkungslos gewesen, sodass einer der Beamten „zur | |
Unterbindung des Angriffs auf den Angreifer schoss“. | |
## Die einzigen Zeug*innen sind Polizist*innen | |
Dörthe Hinz vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat sagte in ihrem Redebeitrag | |
am Samstag, Alizada sei nach ihren Erkenntnissen durch mehrere Schüsse in | |
den Oberkörper getötet worden. Und die einzigen Zeug*innen seien die vier | |
Polizist*innen, die mit ihm allein in der Wohnung waren. | |
Es sei „alarmierend“, dass die Polizei nicht in der Lage sei, eine solche | |
Konfliktsituation anders zu regeln, so Hinz. Alizada habe sich in einer | |
psychischen Krisensituation befunden. Er sei zuvor mehrere Wochen in | |
stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen. „Er brauchte eigentlich | |
dringend Hilfe“, so Hinz. Der Polizei sollen Alizadas psychische Probleme | |
durch einen vorherigen Einsatz bekannt gewesen sein. [3][Hätten die | |
Beamt*innen deshalb nicht anders auf ihn reagieren müssen?] | |
Es gehe nicht um eine Vorverurteilung des Polizisten, sagte Barbara | |
Erhardt-Gessenharter von der [4][Bürgerinitiative Menschenwürde.] „Genauso | |
wenig wollen wir eine Vorwegfreisprechung.“ Dass der Polizist, der die | |
tödlichen Schüsse abgab, mittlerweile wieder im Dienst sei, sei aber kein | |
gutes Omen für eine ergebnisoffene Untersuchung. | |
Sowohl Hinz als auch Erhardt-Gessenharter kritisierten, dass Alizada in | |
einigen Zeitungsartikeln als gewaltbereiter junger Mann dargestellt worden | |
sei. Vorbestraft war Alizada laut Staatsanwaltschaft nicht. Er sei einmal | |
auffällig geworden, weil er mit einem Messer bewaffnet durch Stade gelaufen | |
sei und gegen einen LKW getreten habe. | |
Alizada flüchtete als 15-Jähriger alleine nach Deutschland. Er gehörte der | |
Minderheit der Hazara an, suchte in Deutschland Schutz vor Verfolgung. Die | |
ersten zwei Jahre in Stade lebte er mit etwa 70 anderen Minderjährigen in | |
einer Turnhalle. Das Leben dort verlange den Jugendlichen eine Menge ab, | |
sagte eine ehemalige Betreuerin am Samstag. | |
## Sein Asylantrag wurde abgelehnt | |
Alizada sei dennoch ehrgeizig gewesen, habe bis nachts Hausaufgaben | |
gemacht. Er schaffte den Hauptschulabschluss und begann eine Tischlerlehre. | |
Die musste er wegen seiner Erkrankung jedoch abbrechen. Die Betreuerin und | |
auch Freunde von Alizada bezeichneten ihn als höflichen, hilfsbereiten, | |
jungen Mann. „Aman funktionierte in unserem System und darauf kam es an“, | |
sagte die Betreuerin. | |
Sein Asylantrag wurde kurz vor seinem 18. Geburtstag trotzdem abgelehnt, | |
erzählte Hinz. Die fortwährende Angst, nicht in Deutschland bleiben zu | |
können, setze besonders junge Geflüchtete enorm unter Druck und mache | |
krank. | |
Und als Aman Alizada nicht mehr funktionierte und es ihm nicht gut ging? | |
Hinz sagte, ihre Gespräche vor Ort offenbaren weitere Defizite in der | |
psychosozialen Versorgung junger Geflüchteter. So habe Alizada nach seiner | |
Entlassung aus der stationären Behandlung keine Nachversorgung erhalten und | |
sei auf sich allein gestellt gewesen. Kurz nach seinem 18. Geburtstag fiel | |
er offenbar auch aus der Jugendhilfe. | |
Sowohl Dörthe Hinz als auch Barbara Erhardt-Gessenharter kündigten an, den | |
Problemen weiter nachzugehen. Auf Antrag der Grünen soll die | |
niedersächsische Landesregierung den Innenausschuss demnächst über die | |
Regelungen zu Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit psychisch Erkrankten | |
sowie Vorgaben zu Schulungen in dem Bereich unterrichten. | |
13 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Einsatz-in-einer-Fluechtlingsunterkunft/!5616099 | |
[2] https://www.nds-fluerat.org/40209/aktuelles/stadedemonstration/ | |
[3] https://taz.atavist.com/polizeitote#chapter-2274951 | |
[4] http://www.bi-menschenwuerde.de/ | |
## AUTOREN | |
Marthe Ruddat | |
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