| # taz.de -- Teenage-Horror-Film aus Australien: Begegnung mit dem Totenreich | |
| > Spiel mit dem Schauder: In „Talk to Me“, dem Filmdebüt der Youtuber Danny | |
| > und Michael Philippou, kommt nicht nur der kleine Bruder in Gefahr. | |
| Bild: Vorsicht vor Dämonen: Mia (Sophie Wilde) in „Talk to Me“ | |
| Jade ist nicht begeistert, als sie erfährt, dass ihre Freundin Mia ihrem | |
| kleinen Bruder versprochen hat, dass er mit auf die Party darf. Aber das | |
| macht ohnehin kaum einen Unterschied. Die Party schleppt sich träge dahin – | |
| bis die beiden coolen Kids der Schule fragen, wer über eine Gipshand mit | |
| dem Totenreich in Kontakt treten will. Alle im Raum kennen das Video einer | |
| früheren Séance, aber die meisten sind davon ausgegangen, dass es sich um | |
| gestellte Aufnahmen handelt. Etwas zögerlich meldet sich Mia. | |
| Wie bei einem Handschlag greift ihre Hand in die Gipshand auf dem Tisch vor | |
| ihr. Nach einigen Momenten des Haderns sagt sie schließlich „Talk to Me“ | |
| („Sprich zu mir“), jenen Satz, der ihr Gegenüber aus dem Reich der Toten | |
| erscheinen lässt. Mit dem Satz „Ich lasse dich herein“ überlässt sie ihr… | |
| Körper dem Toten. | |
| Nach 90 Sekunden muss sie den Kontakt unterbrechen, sonst ergreift der Tote | |
| permanent Besitz von ihrem Körper. Zur Freude der Umsitzenden spricht eine | |
| fremde Stimme aus Mia. „Talk to Me“ der beiden Brüder Danny und Michael | |
| Philippou beginnt mit einem Partyspaß, der schon bald außer Kontrolle | |
| geraten wird. | |
| Zu Beginn sind es die sozialen Beziehungen, die dem Spaß seinen Ernst | |
| verleihen. Mia war bis vor einigen Jahren mit Daniel zusammen, der jetzt | |
| der Freund ihrer besten Freundin Jade ist. Für Jades jüngeren Bruder Riley | |
| wiederum ist Mia so etwas wie eine zweite ältere Schwester, an die er sich | |
| wenden kann, wenn Jade ihm etwas verbietet. Als die Stimme aus Mia heraus | |
| Daniel anflirtet und Jade anwütet, sorgt das entsprechend für | |
| Verstimmungen. | |
| Der australische Teenagerhorrorfilm „Talk to Me“ ist das Filmdebüt der | |
| beiden in Australien geborenen, aber in Los Angeles lebenden Youtuber Danny | |
| und Michael Philippou, die auf ihrem Kanal RackaRacka | |
| Action-Horror-Comedy-Clips veröffentlichen. Der Film feierte Anfang des | |
| Jahres Premiere auf dem Sundance Film Festival und wurde wenig später als | |
| eines der immer zahlreicheren Specials auf der Berlinale nachgespielt. | |
| ## Den Kick wiederholen | |
| Produziert wurde der Film von Causeway Films, einer Produktionsfirma, die | |
| sich seit dem Erfolg von [1][Jennifer Kents] „Der Babadook“ (2014) über | |
| eine alleinerziehende Mutter, deren Sohn sich immer seltsamer benimmt, der | |
| Produktion von Horrorfilmen widmet. | |
| Mia und Daniel können es nach der ersten Runde kaum erwarten, bis sie das | |
| nächste Mal ihre Hand in den Gipsabdruck, der angeblich eine echte | |
| einbalsamierte Hand ist, legen und den schaurigen Kick wiederholen können. | |
| Dieses Mal bettelt auch Riley darum, mitmachen zu dürfen. Als er die | |
| magischen Sätze sagt, spricht aus ihm Mias vor zwei Jahren verstorbene | |
| Mutter. In der Hoffnung auf Antworten auf Fragen, die seit dem Tod ihrer | |
| Mutter an ihr nagen, drängt Mia darauf, die Zeit zu überschreiten. Doch mit | |
| einem Mal fängt Riley an, sich selbst zu verletzen und niemand kann ihn | |
| aufhalten. | |
| Die Begegnung mit den Toten ruft in „Talk to Me“ die Geister in den | |
| Protagonist_innen wach. Mia wird nach der zweiten Sitzung die Geister nicht | |
| mehr los. Die Ärzte im Krankenhaus kämpfen unterdessen um Rileys Leben, | |
| dessen Verletzungen nicht heilen wollen. | |
| Geschickt spielen die Brüder Philippou mit der Faszination, die der | |
| Schauder auf das Leben ihrer heranwachsenden Protagonisten ausübt. | |
| Verletzungen, Unsicherheiten und Sehnsüchte werden durch die Begegnung mit | |
| dem Totenreich an die Oberfläche gebracht und erweisen sich als schwer zu | |
| bannen. | |
| Obwohl die australische Filmindustrie mit gut 600 Filmen pro Jahr eine | |
| durchaus beeindruckende Produktion vorweisen kann, dümpelt ihr Marktanteil | |
| mit etwa 5 Prozent der lokalen Kinoumsätze eher vor sich hin. Dominiert | |
| wird der australische Filmmarkt von asiatischen Produktionen, die 43 | |
| Prozent der Filmstarts ausmachen. | |
| ## Der lokale Filmmarkt | |
| „Talk to Me“ kann als Teil einer Strategie gesehen werden, dem durch | |
| populäre lokale Produktionen etwas entgegenzusetzen. Nur einer der fünf | |
| australischen Toptitel des letzten Jahres hat mehr eingespielt als das | |
| Budget von 4,5 Millionen US-Dollar, mit dem „Talk to Me“ produziert wurde. | |
| Der Film ist entsprechend auf erhebliche Einnahmen aus dem Ausland | |
| angewiesen, um sich zu refinanzieren. | |
| „Talk to Me“ wird getragen vom Gespür seiner Regisseure für das Erzeugen | |
| einer unheimlichen Atmosphäre und von einem hervorragenden Ensemble junger | |
| Schauspieler_innen. Besonders eindrücklich sind Sophie Wilde als Mia und | |
| Joe Bird als von Toten bewohnter Riley. Aber auch Nebenrollen wie Zoe | |
| Terakes als butchy cool Kid Hayley, die zusammen mit Joss (Chris Alosio) | |
| die Gipshand ins Spiel bringt, hinterlassen Eindruck. | |
| Geschickt steuern die Regisseure die Handlung weg von allzu viel | |
| Psychologie und allzu tiefen Einblicken in australische | |
| Mittelschichtsbefindlichkeiten und erhalten dem Film stattdessen eine | |
| spielerische Leichtigkeit, die ihn zu einem idealen Sommerschauder macht. | |
| 26 Jul 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabian Tietke | |
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