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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Bitte Warten
> Die Reihe „Grenzen“ im Kino Krokodil zeigt osteuropäische
> Dokumentarfilme, die sich mit Grenzregionen, Grenzzäunen und Grenzen im
> Denken beschäftigen.
Bild: Läuft ab 10. 8.: Pavel Cuzuiocs „Bitte Warten“ (AT 2020)
„Hühner! Hühner!“, hallt eine Frauenstimme durch die leere Dorfstraße la…
bevor der Pick-up mit den Hühnerkäfigen auf der Ladefläche gemächlich
durchs Bild rollt. Oben auf einem Mast über der Straße steht ein
Fernmeldetechniker auf einer Leiter mit einer Standschlinge gesichert und
testet die Leitung. Ein paar Meter weiter im Dorf verschwindet ein Kollege
hinter einer Wäscheleine voller Babykleidung in einer Art Schrank, stöpselt
Stecker in ein Relais, vor dem ein Kabelknäuel flach gedrückt ist und wählt
ein paar Nummern mit der Wählscheibe, die direkt am Hörer befestigt ist:
„Klingt schlecht, oder?“
Auf dem Rücken der Jacke des Mitarbeiters steht Ukrtelecom. 2019 begleitete
Regisseur Pavel Cuzuioc in seinem Dokumentarfilm „Așteptați răspunsul
operatorului“ („Bitte Warten“) Fernmeldetechniker in der Ukraine, in
Moldau, Rumänien und Bulgarien – „vom streng strukturierten Serverpark bis
zum Kabelsalat im Hinterhof“ (Katalogtext der Diagonale). Ab Donnerstag
läuft der Film einige Male im Berliner [1][Kino Krokodil], im Rahmen der
Reihe „Grenzen“.
Die Techniker in „Bitte Warten“ werden von ihren Kund_innen sehnsüchtig
erwartet, verbinden Telefonanschlüsse, Internetrouter und Fernseher wieder
mit der Welt. Die Servicebesuche der Mitarbeiter der jeweiligen
Telekommunikationsunternehmen sind wie eine Sonde in das Leben auf dem Land
in Osteuropa.
## Am Zaun entlang
Cuzuiocs Dokumentarfilmkollege Nikolaus Geyrhalter verfährt sehr ähnlich in
seinem Film „Die bauliche Maßnahme“ – nur dass Geyrhalter die „Sonde�…
der österreichischen Regierung gestellt bekommt. Sie hat die Form eines
langen Zauns, von dem ein Polizeisprecher bei einer Pressekonferenz
wiederholt betont, dass es sich aber nun wirklich um Maschendraht und nicht
um Stacheldraht handele, und von einer Reihe temporärer Bauten. Geyrhalters
Film begleitet den Aufbau einer Grenzanlage auf der österreichischen Seite
des Brennerpasses Ende 2015, Anfang 2016. Geyrhalter spricht mit
Polizisten, mit österreichischen Anwohner_innen, mit Arbeitern aus dem
Senegal, die für eine italienische Firma Probebohrungen für den
Brennerbasistunnel vornehmen.
Bei Geyrhalter verlaufen die Gespräche oft anders als man das als Zuschauer
so erwartet: Ein halbwegs empathischer Polizist führt durch die Container,
von denen aus das „Grenzmanagement“ erfolgen soll, eine junge
Mautangestellte lässt ihrem Rassismus freien Lauf und ein Bauer steht vor
seinen Gänsen, die auf der Wiese gackern und freut sich später im Film,
dass der Zaun verhindert ist und dass die Kontakte über die Grenze nach
Italien ein Gegengewicht zur trachtenseligen Untätigkeit der
österreichischen Politik bilden. „Die bauliche Maßnahme“ ist eine
sehenswerte filmische Debatte über die Sinnhaftigkeit von Grenzzäunen im
Allgemeinen und des bis heute anhaltenden Ressentimenttaumels nach 2015 im
Speziellen.
Die Filme von Geyrhalter und Cuzuioc sind ein eindrucksvoller Auftakt zur
Reihe „Grenzen“. Im weiteren Verlauf des August und im September wird die
Reihe in loser Folge fortgesetzt. Ende des Monats folgen Lucia Tauts
„Maluri“ („Riverbanks“, 2021) und Salomé Lamas’ „Extinction“ (20…
einige von vielen Gründen das Programm des Krokodil regelmäßig und
aufmerksam zu studieren.
10 Aug 2023
## LINKS
[1] https://kino-krokodil.de/
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
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