# taz.de -- TV-Triell der Spitzenkandidat:innen: Unentschieden mit einem Gewinn… | |
> Einen klaren Sieger gab es in der ersten TV-Debatte nicht. Das nützt wohl | |
> vor allem dem Favoriten Olaf Scholz – auch wenn der etwas verschlafen | |
> wirkt. | |
Bild: SPD-Chefin Esken und Kandidat Scholz nach der Debatte im Studio in Berlin… | |
BERLIN taz | Am Ende setzt Armin Laschet auf den Klassiker der Union. Er | |
stehe für „Stabilität und Verlässlichkeit“ in schwierigen Zeiten, sagt d… | |
Kanzlerkandidat in seinem Schlussstatement beim Fernsehtriell. Inhaltliche | |
Gründe, warum man in vier Wochen sein Kreuz bei der CDU machen soll, führt | |
Laschet da nicht mehr an. Sein Problem: Die Rolle des Staatsmannes, der in | |
der Kontinuität der Kanzlerin steht, hat auch an diesem Abend längst | |
SPD-Mann Olaf Scholz besetzt. | |
Für Laschet geht es in der ersten der insgesamt drei TV-Debatten der drei | |
Kanzlerkandidat:innen am Sonntagabend um alles: Seine persönlichen | |
Umfragewerte sind desaströs, woran allerdings nicht nur Laschet selbst, | |
sondern auch CSU-Chef Markus Söder mit seinen permanenten Querschlägen aus | |
München gehörigen Anteil hat. Die Union sackt in den Umfragen immer weiter | |
ab, seit Anfang des Jahres hat sie 15 Prozentpunkte eingebüßt. | |
Zuletzt lag die SPD gleichauf oder war bereits vorbeigezogen – mit weiter | |
sinkender Tendenz für die Union. Setzt sich der Trend fort, kann Laschet | |
das Kanzleramt abschreiben, für die Union könnte nach 16 Jahren an der | |
Regierung der Gang in die Opposition anstehen. Was in der machtverwöhnten | |
und ohnehin zerrissenen CDU zu einer Implosion führen könnte. | |
Mit den drei Triellen werde Laschet den Abwärtstrend stoppen, war zuletzt | |
mantragleich aus der CDU zu hören. In der Parteizentrale hat man nun die | |
Parole Angriff ausgegeben. Was für den jovialen Rheinländer, der sich | |
eigentlich stets integrierend gibt, eine neue, ungewohnte Rolle ist. Die | |
nicht nur die Gefahr birgt, unauthentisch zu wirken, sondern auch bei zu | |
viel Attacke aggressiv – und damit unsympathisch. Im Triell wird zwar viel | |
über Inhalte geredet, aber mitentscheidend für die Wirkung ist auch, | |
welchen persönlichen Eindruck die Kandidat:innen bei den | |
Zuschauer:innen hinterlassen. | |
[1][Laschet müht sich mit der neuen Rolle], macht das mitunter aber ganz | |
munter: Er wirft Scholz vor, die SPD sei an der schlechten Ausstattung der | |
Bundeswehr schuld, weil sie den Einsatz von bewaffneten Drohnen verzögere. | |
Kritisiert, dass SPD und Grüne mit Steuererhöhungen den | |
Wirtschaftsaufschwung gefährden. Und fordert von Scholz, eine Koalition mit | |
der Linken auszuschließen. Der SPD-Mann selbst erteilt dieser inhaltlich | |
zwar eine Absage, doch er windet sich auch, will sich nicht ganz festlegen. | |
## Angriff aus Verzweiflung | |
Da wird Laschet vehement. „Sie können nicht spielen wie Angela Merkel und | |
reden wie Saskia Esken“, sagt er. Scholz könne doch einfach sagen: „Ich | |
mach es nicht. Drei Worte.“ Dann zählt er es an den Fingern noch einmal ab. | |
Und merkt selbst, dass es vier Worte sind. Immerhin. Ansonsten wäre ihm die | |
Häme im Netz wieder sicher. Es ist der einzige richtige Patzer, der Laschet | |
an diesem Abend passiert, was nach den vergangenen Wochen für die Union | |
schon eine gute Nachricht ist. | |
Eigentlich müsste Laschet jetzt mit etwas Neuem kommen, etwas | |
Überraschendem, was dem bislang recht müden Wahlkampf der Union eine neue | |
Wendung gibt. Doch das tut er nicht. So zeigt der Angriff mit der | |
Linkspartei vor allem, wie verzweifelt die Union ist. Denn eigentlich ist | |
klar: Weder Scholz noch Baerbock streben ein Bündnis mit den Linken an. | |
Baerbock macht dies noch klarer als Scholz. Die Linke schließe sich gerade | |
selbst aus, sagt die Grüne mit Blick auf die Abstimmung im Bundestag über | |
den Evakuierungseinsatz am Kabuler Flughafen, bei dem sich die Linke | |
mehrheitlich enthielt. | |
Laschets Angriff aber dürfte vor allem dafür gedacht sein, das eigene | |
Klientel zu mobilisieren – aller Skepsis dem eigenen Kandidaten gegenüber | |
zum Trotz. Lieber einen laschen Christdemokraten als einen Sozi mit den | |
Linken im Schlepptau, das könnte noch immer [2][als Drohkulisse für manche | |
Konservative] funktionieren. Und Laschet muss ja nicht nur Unentschlossene | |
für sich gewinnen, sondern – vier Wochen vor der Wahl – auch noch viele | |
CDU-Anhänger:innen überzeugen. Ein ähnliches Kalkül dürfte auch in dem | |
Beschwören von „Verlässlichkeit und Stabilität“ in Laschets | |
Schlussstatement liegen: In Deutschland, wo die Mehrheit tendenziell | |
strukturkonservativ ist, hat man sich noch immer vor zu viel Veränderung | |
gescheut. Auch wenn sie so dringend nötig ist. | |
## „Merkel und ich“ | |
Und die anderen Kandidat:innen? Scholz tut einiges dafür, sich als | |
adäquater Nachfolger der Kanzlerin zu inszenieren. Er schafft es sogar | |
gleich mehrfach, Formulierungen wie „Angela Merkel und ich“ in seine | |
Beiträge einzuflechten. Immer wieder, wenn sich Laschet und Baerbock | |
Wortgefechte liefern, scheint es, als lehne Scholz sich entspannt zurück. | |
Das soll wohl staatsmännisch wirken, hat aber auch etwas Verschlafenes. | |
Wirkliche Fehler aber macht Scholz an diesem Abend nicht. Weil er als | |
Favorit ins Rennen gegangen ist, könnte das für ihn schon ausreichen. | |
Baerbock dagegen setzt von Beginn an auf Attacke und inszeniert sich erneut | |
als die, die für einen Neuanfang steht. Wo bei Laschet Veränderung zur | |
Gefahr wird, will Baerbock sie zur Verheißung machen. „Die Jahre des | |
Abwartens der großen Koalition von SPD und CDU haben diesem Land nicht gut | |
getan. Wir brauchen jetzt einen wirklichen Aufbruch“, sagt sie gleich zu | |
Beginn. Auch für die Grüne, die kurzzeitig als Favoritin galt und dann in | |
den Umfragen abstürzte, steht viel auf dem Spiel. Jetzt, wo sich viel auf | |
den Zweikampf zwischen Union und SPD fokussiert, muss sie verhindern, dass | |
die Grünen als Dritte aus dem Rennen fallen. | |
An diesem Abend gelingt es ihr. Die Debatte um Verbote wehrt sie ab, macht | |
Punkte beim Klimaschutz und der Bekämpfung von Kinderarmut. Sie wirft CDU | |
und SPD vor, sie hätten sich in Afghanistan weggeduckt und innenpolitische | |
Ziele vor außenpolitische Verantwortung gestellt. Und fährt Laschet an, als | |
der sie fragt, wie sie die Erhöhung des CO2-Preises sozial ausgleichen | |
wolle. „Es ist so lustig“, sagt Baerbock, da regiere Laschet schon so lange | |
und habe offensichtlich keinen Plan. „Es wäre schön, wenn Sie auch mal | |
Vorschläge und nicht immer nur Fragen hätten.“ Das sitzt. | |
Inhaltlich neue Erkenntnisse an diesem Abend gibt es kaum, die größten | |
Differenzen gibt es erwartbar in der Steuer- und der Klimapolitik. Wer die | |
Debatte am Ende gewinnt, ist nicht ganz leicht festzustellen, was | |
vermutlich beim Favoriten – also Scholz – einzahlt. Eine erste | |
Schnellerhebung von Forsa direkt im Anschluss an das Triell aber ist | |
überraschend eindeutig: 36 Prozent der Zuschauer:innen halten Scholz für | |
den Gewinner der TV-Debatte, 30 Prozent Baerbock und nur 25 Prozent | |
Laschet. Bei den Sympathiewerten sind der SPD-Mann und die Grüne fast | |
gleichauf (38/37 Prozent), Laschet ist mit 22 Prozent recht abgeschlagen. | |
Das ist für die Union nicht toll, aber hält sie im Spiel. Und: Es gibt noch | |
zwei weitere Fernsehtrielle. | |
30 Aug 2021 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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