# taz.de -- Steigende Spritpreise in Deutschland: „Tankrabatt“ erhitzt die … | |
> Finanzminister Lindner will den Spritpreis unter zwei Euro drücken. Das | |
> stößt bei den Grünen auf Kritik: Sie sind für Entlastungen anderswo. | |
Bild: Er steigt und steigt: Preistafel einer Tankstelle in Freiburg im Breisgau… | |
BERLIN taz | Die steigenden Kraftstoffpreise heizen die politische Debatte | |
um eine Entlastung der Autofahrer*innen weiter an. Nachdem Benzin und | |
Diesel vielerorts inzwischen über 2,20 Euro pro Liter kosten, ist es auch | |
bei Finanzminister Christian Lindner mit der Haushaltsdisziplin vorbei. Die | |
Bild-Zeitung berichtete am Montag, der FDP-Chef plane einen „Tankrabatt“, | |
mit dem der Benzinpreis wieder unter zwei Euro fallen soll. Umgesetzt | |
werden solle dies über einen Sofortrabatt an der Tankstelle, der den | |
Betreibern ersetzt werde, wenn sie die Quittungen einreichten. | |
Die genaue Höhe bestätigte das Ministerium nicht, wohl aber die | |
grundlegenden Pläne; ein „Tankrabatt“ komme „direkt bei den Menschen an�… | |
und sei ein „guter pragmatischer Vorschlag“, erklärte | |
Finanz-Staatssekretärin Katja Hessel. FDP-Fraktionschef Christian Dürr | |
nannte im Fernsehsender ntv einen Spritpreis von unter zwei Euro als Ziel, | |
was einem Rabatt von mindestens 20 Cent entsprechen würde. | |
Die Unionsfraktion, die bei anderen Preisen stets auf den Markt vertrauen | |
will, überbot diesen Vorschlag am Montag noch einmal deutlich: | |
Fraktionsvize Jens Spahn erklärte, die Preissenkung müsse „mindestens 40 | |
Cent pro Liter“ betragen. Auch von der Linkspartei bekam Lindner | |
Unterstützung. Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke, früher | |
Finanzminister in Brandenburg, ist der Auffassung, dass der „Tank-Rabatt“ | |
in die richtige Richtung geht, aber „bei weitem“ nicht reiche. „Er ist zu | |
niedrig, zu pauschal, zu bürokratisch und betrifft zu wenige | |
Energieträger“, sagte er. Görke fordert eine Mehrwertsteuersenkung auf 7 | |
Prozent. Denn wenn die Preise weiter steigen, verpuffe der starre | |
20-Cent-Rabatt. | |
Dagegen halten Ökonomen wie der Chef des Deutschen Instituts für | |
Wirtschaftsforschung (DIW) Marcel Fratscher nichts von einer Deckelung des | |
Spritpreises – aus sozialen Gründen. Das sei eine „Umverteilung von unten | |
nach oben, vor allem Besserverdiende profitieren“, schrieb er auf Twitter. | |
[1][Denn Menschen mit geringem Einkommen hätten oft kein Auto.] Die Politik | |
müsse daher bei Hilfen für Heiz- und Grundkosten sowie steigende | |
Nahrungsmittelpreise ansetzen, forderte er. | |
## Billigere Tickets für Busse und Bahnen statt Spritrabatt | |
Auch ökologisch orientierte Verbände lehnen den Vorstoß ab. „Damit wird das | |
Problem nicht gelöst, dass unser Energiedurst zu groß ist“, sagte Michael | |
Müller-Görnert vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD). | |
Gleichzeitig würden mit einer Spritpreisdämpfung die bestehenden Strukturen | |
zementiert, die auf den individuellen Autoverkehr ausgerichtet sind. „Es | |
wäre besser, das Geld in die Verkehrswende zu stecken“, sagte er. Menschen | |
mit wenig Einkommen, die von den hohen Spritpreisen überfordert werden, | |
müsse der Staat allerdings helfen, betonte Müller-Görnert. „Härtefälle | |
müssen zielgenau entlastet werden“, sagte er. Der VCD schlägt dafür ein | |
Mobilitätsgeld für alle Bürger:innen vor, das die | |
Pendler:innenpauschale ablöst. Denn von der gerade erhöhten | |
Pendler:innenpauschale profitieren vor allem Gutverdienende. | |
Der Naturschutzbund Deutschland ist ebenfalls gegen die Lindner-Idee. „Ein | |
Spritpreis-Rabatt wäre ein teures Subventionsinstrument, das höheren | |
Verbrauch fossiler Energieträger fördert, anstatt Energie einzusparen“, | |
sagte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Stattdessen plädiert er für | |
billigere Tickets für Busse und Bahnen. „Um den Menschen kurzfristig | |
günstige Alternativen zur Verfügung zu stellen, sollten temporär | |
flächendecke Ein-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr angeboten | |
werden und die Mehrwertsteuer für Bahntickets entfallen.“ Krüger fordert | |
außerdem eine Entlastung für Menschen mit geringem Einkommen und | |
kritisiert, dass sich die Bundesregierung auf Betreiben von | |
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gegen eine Verschärfung der | |
Verbrauchsgrenzwerte von Pkws gewandt hat. „Strengere CO2-Flottengrenzwerte | |
würden verhindern, dass weiter neue Spritschlucker auf die Straße kommen | |
und so Geldbeutel und Klima gleichermaßen entlasten.“ | |
Auch der Naturschutzverband BUND ist dagegen, den Spritpreis staatlich zu | |
dämpfen. „Ein Tankrabatt doktert nur an den Symptomen herum, senkt | |
kurzfristig die Preise, ohne nachhaltig zu sein“, kritisiert | |
BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. Der BUND fordert wie nahezu alle | |
Naturschutzverbände und zahlreiche NGOs von der Bundesregierung die | |
umgehende Einführung eines [2][Tempolimits auf Autobahnen von 100 | |
Stundenkilometern] sowie eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen | |
von 80 Stundenkilometern. Damit würden Autofahrer:innen nach Angaben | |
des Umweltbundsamts im Jahr zwischen 3,5 Milliarden und 4,2 Milliarden Euro | |
an Spritkosten sparen. | |
Wichtiger als die Einschätzungen aus Wissenschaft und Verbänden dürfte | |
allerdings sein, wie Lindners Koalitionspartner auf die Vorschläge zur | |
Benzinpreissenkung reagieren. Während es aus der SPD am Montag auffallend | |
still blieb, gingen die Grünen deutlich auf Distanz zum vorgeschlagenen | |
Benzinpreisrabatt. Parteichefin Ricarda Lang erklärte, der Preisanstieg bei | |
Lebensmitteln und Gas sei für viele Menschen viel problematischer als der | |
Benzinpreis. Zudem müsse sichergestellt werden, dass von Entlastungen vor | |
allem ärmere Haushalte profitieren. „All das findet sich im Moment in dem | |
Vorschlag von Herrn Lindner noch nicht wieder“, sagte Lang. Sie erneuerte | |
die Grünen-Forderung nach einem Energiegeld, das pro Kopf in gleicher Höhe | |
ausgezahlt werden soll. | |
Ein Sprecher von Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärte, dass ein | |
Entlastungspaket Strom, Wärme und Mobilität und auch Energieeffizienz und | |
marktwirtschaftliche Elemente umfassen müsse. Auch diese technisch | |
klingenden Bedinungen lassen sich eigentlich nur als klare Absage an eine | |
pauschale Benzinpreissenkung verstehen. | |
14 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
Malte Kreutzfeldt | |
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