# taz.de -- Tankrabatt unbeliebt, aber wirkungsvoll: Spritpreise sinken deutlich | |
> Mit weniger Steuern auf Benzin und Diesel und 9-Euro-Ticket startet die | |
> Regierung ein riesiges Experiment. Der Rabatt steht in der Kritik – und | |
> wirkt. | |
Bild: Viel Betrieb an den Tankstellen, hier in in Frankfurt am Main am 1. Mai | |
BERLIN taz | Da startet die Bundesregierung am Mittwoch das wohl bislang | |
größte verkehrspolitische Experiment aller Zeiten – und die Deutschen? | |
Stänkerten herum, vor allem am Tankrabatt, weniger am [1][9-Euro-Ticket]. | |
Die insgesamt 5,7 Milliarden Euro teuren Maßnahmen sollen nun jeweils drei | |
Monate lang die stark angestiegenen Energiepreise abfedern – und mehr | |
Menschen in Busse und Bahnen lenken. Bei ExpertInnen kommt die Aktion aber | |
ganz schlecht weg: Die Senkung der Steuer auf Benzin und Diesel sei die | |
„falsche Maßnahme“, sagte ausgerechnet [2][Clemens Fuest, Chef des | |
konservativen Münchner Ifo-Instituts], am Mittwoch im ZDF. Die etwa 3,2 | |
Milliarden Euro teure Subvention entlaste vor allem wohlhabende Bürger mit | |
großen Autos. Außerdem setze sie den Anreiz, mehr Öl zu verbrauchen. | |
„Am Ende geht viel Steuergeld in den Rachen der Mineralölkonzerne“, sagte | |
auch Claudia Kemfert vom traditionell SPD-näheren Deutschen Institut für | |
Wirtschaftsforschung. Die sogenannte Spritpreisbremse sei „ein | |
klimaschädlicher Fehlanreiz“, kritisierte die [3][Umwelt- und | |
Entwicklungsorganisation Germanwatch]. | |
Am vergangenen Freitag noch habe die Bundesregierung „eine Einigung der G7 | |
auf ein Auslaufen klimaschädlicher Subventionen durchgesetzt, und heute, | |
fünf Tage später, startet sie selbst eine neue Subvention für fossile | |
Energieträger: den Tankrabatt“. Damit mache sich Deutschland nicht nur | |
„international unglaubwürdig“. Die Bundesregierung setze auch „die | |
Verkehrswende aufs Spiel“. | |
## Linke distanzieren sich von FDP | |
Auch in der Generaldebatte im Bundestag wurde über die Maßnahme gestritten. | |
Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali kritisierte die soziale Schieflage | |
der Maßnahmen – und forderte „eine wirksame staatliche Preisaufsicht für | |
Lebensmittel und Energie“ sowie weitere Direktzahlungen zur Abfederung der | |
Preissteigerungen. Die Grünen im Bundestag distanzierten sich indes erneut | |
vom Koalitionspartner FDP, der die Energiesteuersenkung auf Kraftstoffe in | |
der Ampel durchgedrückt hatte. | |
Fraktionschefin Katharina Dröge forderte ein neues Instrument gegen | |
„exzessive Gewinne“ der Ölkonzerne. Bundesfinanzminister Christian Lindner | |
(FDP) sei gewarnt worden, „dass eine Preissubvention für Benzin zu einem | |
relevanten Anteil bei den Mineralölkonzernen landen kann“, sagte sie der | |
Neuen Osnabrücker Zeitung. FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte | |
indes den Tankrabatt: 60 Prozent der Deutschen lebten im ländlichen Raum – | |
und seien auf ihr Auto angewiesen, sagte er im Deutschlandfunk. Die Pendler | |
hätten durch die gestiegenen Kraftstoffpreise erhebliche Mehrkosten, die | |
man ausgleichen wolle. | |
In der Nacht zum Mittwoch waren die Steuern auf Benzin um 35 und die auf | |
Diesel um 17 Cent pro Liter gesunken – und das zeigte auch Wirkung: Eine | |
Auswertung des Autoclubs ADAC ergab, dass die Spritpreise in den | |
Morgenstunden „sukzessive nachgegeben haben“. | |
Die Preise für Diesel und Benzin seien an vielen Tankstellen wieder unter 2 | |
Euro gefallen. Nach Analysen des SWR kostete Super-Benzin am Mittwoch früh | |
im Vergleich zum Dienstag im Durchschnitt 20 Cent weniger, Diesel war um 8 | |
bis 9 Cent günstiger pro Liter. Im weiteren Tagesverlauf sanken die Preise | |
zwar weiter, aber nicht alle Tankstellen beglückten ihre KundInnen mit dem | |
vollständigen Rabatt. | |
## In der Woche zuvor legten Preise zu | |
Zudem hatten laut ADAC in der Woche zuvor die Preise an den Tankstellen | |
deutlich zugelegt. Ein Grund dafür sei die gestiegene Nachfrage in den USA. | |
Der Benzinpreis stieg im Wochenvergleich bis Dienstag um 6,1 Cent auf 2,151 | |
Euro, beim Diesel betrug das Plus 5 Cent auf 2,044 Euro. | |
„Auch wenn es keine rechtliche Verpflichtung gibt, die Steuersenkung eins | |
zu eins weiterzugeben, handeln die Mineralölkonzerne hier unter dem | |
‚Brennglas‘ des Bundeskartellamtes“, kündigte Behördenchef Andreas Mundt | |
an. | |
Allerdings sind seine Möglichkeiten begrenzt. „Als Wettbewerbsbehörde | |
können wir hohe, auch sehr hohe Preise nicht einfach verbieten“, räumte er | |
ein. Kartellrechtswidriges Verhalten könne jedoch abgestellt und mit hohen | |
Bußgeldern geahndet werden, sagte Mundt. Dafür gebe es bislang keine | |
Hinweise. „Wir sehen seit Monaten eine Entkopplung von Rohölpreis und | |
Raffinerie- beziehungsweise Tankstellenpreisen“, betonte Mundt. | |
Das Monitoring der Kartellwächter sei vor dem 1. Juni mit Blick auf die | |
anstehenden Steuersenkungen intensiviert worden. Zudem habe man eine | |
Untersuchung der Raffinerien und des Großhandels eingeleitet, um | |
Transparenz für den Kraftstoffmarkt herzustellen. „Hohe Preise können viele | |
Gründe haben“, sagte Mundt, „und können auch im Wettbewerb entstehen“. | |
1 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Start-des-9-Euro-Tickets/!5854994 | |
[2] https://www.ifo.de/node/68480 | |
[3] https://www.germanwatch.org/de/85471 | |
## AUTOREN | |
Kai Schöneberg | |
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