Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Spionageskandal in Polen: Flucht aus Polen nach Belarus
> Der polnische Richter Tomasz Szmydt soll für Belarus spioniert haben.
> Jetzt hat er dort Asyl beantragt. Der Skandal dürfte weitere Kreise
> ziehen.
Bild: Tomasz Szmydt nach der Ankunft in Belarus bei einer Pressekonferenz in Mi…
Warschau taz | Ein Pole, der im belarussischen Staatsfernsehen um
politisches Asyl bittet – das schien bislang unmöglich. Entsetzt und
fassungslos diskutiert nun ganz Polen, wieso Tomasz Szmydt die Seiten
wechselte und zum Spion für Belarus wurde.
Der Mann war Richter am Verwaltungsgericht in Warschau und hatte Zugang zu
Geheiminformationen, wie inzwischen bekannt wurde. Nach einem eilends
einberufenem Treffen aller Geheimdienstchefs, die über ihren Kenntnisstand
zum Einfluss von Russland und Belarus in Polens Ministerien und hohen
Ämtern berichten sollten, trat [1][Premier Donald Tusk] am Mittwoch mit
ernstem Gesicht vor die Kameras: „Es ist nicht nur Tomasz Szmydt. Das
Problem ist größer.“
Anscheinend hatte Polens Inlandsgeheimdienst Szmydt schon näher ins Visier
genommen. Doch irgendjemand muss ihn gewarnt haben, so dass er das Land
unbehelligt in Richtung Osten verlassen konnte. Schon 2023 hielt er sich
mehrere Wochen lang in Belarus auf, was darauf hindeutet, dass seine Flucht
vorbereitet war. Unklar ist bislang aber die gesamte Vorgeschichte: Wurde
er abgeworben? Wenn ja, wann und von wem? Und welche Informationen hat er
bereits an die Geheimdienste von Belarus und Russland weitergegeben?
Szmydt war schon 2019 in die Negativschlagzeilen geraten, als seine aktive
Rolle in der berüchtigten „Hass-Affäre“ aufflog. Szmydt saß damals im
Justizministerium und leitete das Rechtsbüro des Landesjustizrates (KRS),
der über die Karrieren aller rund 8.000 Richter Polens entschied –
angefangen von der Erstanstellung über Versetzungen und Beförderungen bis
hin zum Ruhestand.
## Szmydts Ex-Frau versorgte die Trollfabrik mit Gerüchten
Unter Justizminister Zbigniew Ziobro wurde im Ministerium eine geheime
Sektion gegründet, die kritische Richter verunglimpfen und damit mundtot
machen sollte. Ziobros [2][Justizreformen] waren von Anfang an umstritten.
Einige Richter, Anwälte und Juraprofessoren protestierten vehement. Ob sich
alle Mitglieder der Trollfabrik im Ministerium kannten, ist bis heute nicht
bekannt. Im Internet kommunizierten sie auf Whatsapp unter dem Codewort
„kasta“.
Emilia Szmydt, Szmydts Ex-Frau, versorgte die Trolle mit Gerüchten, wahren
und erfundenen Geschichten, gerne auch mit Details zum Intimleben der
Richter, die öffentlich diskreditiert werden sollten. Anzeigen bei der
Staatsanwaltschaft brachten aber nichts, da die Staatsanwälte ebenfalls
Ziobro unterstanden und nur selten Ermittlungen im Fall von übler Nachrede
aufnahmen.
Nachdem die im Internet als „mala Emi“ (kleine Emi) getarnte Emilia Szmydt
aufgeflogen war und dann öffentlich mehr über die Trollfabrik im polnischen
Justizministerium erzählte, bekannte sich ihr Ex-Mann 2022 in einem
Interview ebenfalls dazu, einer dieser Trolle gewesen zu sein.
Szmydt verlor daraufhin seine Stelle im Landesjustizrat, durfte auch nicht
mehr am Warschauer Verwaltungsgericht arbeiten, kehrte jedoch nach einer
gewissen Zeit dorthin zurück. Er war für die Überprüfung von Personen
zuständig, denen der Zugang zu Geheiminformationen aberkannt werden sollte.
[3][PiS]-Parteichef [4][Jarosław Kaczyński] wälzte in einer ersten
Stellungnahme alle Schuld auf Donald Tusk ab. Ziobro behauptete, er habe
nie Kontakt zu Szmydt gehabt, obwohl dieser Abteilungsleiter in seinem
Ministerium war. Seit Donnerstag ermittelt die Staatsanwaltschaft.
9 May 2024
## LINKS
[1] /100-Tage-Donald-Tusk/!5997531
[2] /Proteste-in-Polen/!5651511
[3] /Medien-in-Polen/!5978059
[4] /PiS-Chef-Jarosaw-Kaczynski/!5987815
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
Justiz
Belarus
PiS
Asyl
Trolle
Kolumne Fernsicht
Schwerpunkt Europawahl
Polen
Donald Tusk
Polen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Spionageskandal in Polen: Moskaus neue Maske
Russlands Propaganda richtet sich gegen „moralischen Verfall“, gegen
Demokratie und Freiheit. Kommunismus ist für das Marketing Moskaus passé.
Polen vor der EU-Wahl: Gegen Verräter und bezahlte Knechte
Das Entsetzen in Polen ist groß seit der Flucht eines Richters nach
Belarus. Die russische Bedrohung ist das große Wahkampfthema der
Regierungspartei.
Rechtsstaatsverfahren der EU: Kein Risiko mehr in Polen
Brüssel will das Rechtsstaatsverfahren gegen Polen einstellen.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen spricht von einem „Durchbruch“ für
das Land.
Erste Maßnahmen der Tusk-Regierung: In Polen wird aufgeräumt
Die neue Regierung unter Donald Tusk hat die Führung der
Öffentlich-Rechtlichen ausgetauscht. Es ist ein erster Schritt Richtung
Rechtsstaat.
EuGH-Urteil zu Polens Justizreform: „Maulkorbgesetz“ ist rechtswidrig
Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt: Die polnische Justizreform von
2019 ist mit dem EU-Recht nicht vereinbar.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.