# taz.de -- Medien in Polen: Ende der PiS-Propaganda | |
> Die PiS-Partei hatte die öffentlich-rechtlichen Medien für ihre Zwecke | |
> umgebaut. Nun muss sie sich von ihrem wichtigsten Parteisender trennen. | |
Bild: Protest vor dem Hauptgebäude des TVP-Senders im Dezember | |
WARSCHAU taz | Jacek Sasin, der bisherige Minister für Staatsvermögen, | |
rempelt sich durch die Menschenmenge vor dem Hauptgebäude [1][des | |
Fernsehsenders TVP]. Er schafft es ins Gebäude, wo ihm an der | |
Eingangsbarriere schon ein gutes Dutzend Journalisten die Mikrofone | |
entgegenstreckt: „Das ist ein Skandal“, legt der Abgeordnete [2][der | |
nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS)] und ehemalige | |
Minister für Staatsvermögen sofort los. | |
„Wir haben es hier mit einem Staatsstreich der neuen Regierung zu tun. Das | |
ist der Anfang vom Ende unserer Demokratie. Wir müssen für die | |
Medienfreiheit und die Achtung des geltenden Rechts kämpfen.“ Fragen lässt | |
er keine zu, nimmt wieder die Rempelpose ein, und geht dann ohne jede | |
Kontrolle durch die elektronische Sperre. Sasin hat wie die meisten | |
PiS-Politiker, die nach ihm in den Sender kommen, einen elektronischen | |
Schlüssel. | |
Tags zuvor hatte der Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, die Regierung | |
damit beauftragt, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder für „Recht, | |
Objektivität und Ehrlichkeit“ zu sogen. Das gehört zu den Wahlversprechen | |
der Koalition aus liberalkonservativer Bürgerkoalition (KO), | |
christlich-agrarischem Drittem Weg und der Neuen Linken, die am 15. Oktober | |
mit großer Mehrheit die Parlamentswahlen gewonnen hat. | |
Der Sender TVP mit zahlreichen Regional- und Spartenkanälen, der | |
24-Stunden-Nachrichtenkanal TVPInfo sowie fünf Radioprogramme, aber auch | |
die Polnische Presseagentur PAP sollten keine | |
PiS-Parteipropaganda-Schleudern mehr sein, sondern den Bürgern und | |
Bürgerinnen Polens nach acht Jahren Indoktrination wieder ein möglichst | |
objektives und ausgewogenes Programm bieten. | |
## PiS verliert ihre Medienmacht | |
Gegen den Verlust dieser gewaltigen Medienmacht sträubt sich die PiS nach | |
Kräften. Nicht nur, weil TVP in den letzten Jahren immer wieder Zuschüsse | |
von zuletzt jährlich rund zwei Milliarden Zloty (ca. 470 Millionen Euro) | |
aus dem Staatssäckel erhalten hat, sondern auch weil für 70 Prozent der | |
PiS-Anhänger TVP die Hauptinformationsquelle darstellt. | |
Schon im April 2024 stehen aber Kommunal- und Regionalwahlen in Polen an, | |
bei denen die Stimmergebnisse für die PiS – ohne die | |
PiS-Propagandamaschinen – massiv einbrechen könnten. Ähnliches gilt für die | |
Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024. Ohne die tägliche | |
Parteiindoktrination könnte die PiS hier etliche ihrer zur Zeit 24 Sitze in | |
der EU-skeptischen und rechtspopulistischen Fraktion der Europäischen | |
Konservativen und Reformer (ECR) einbüßen. | |
## Staatlicher Propagandasender | |
Die Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einen staatlichen | |
Propagandasender geht auf das Jahr 2015 zurück. Damals liquidierte die in | |
den Wahlen von 2015 siegreiche PiS den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und | |
erschuf ihn sofort wieder – unter gleichem Namen, aber in anderer | |
Rechtsform. | |
Mit ihrer damaligen Stimmenmehrheit im Sejm verabschiedete die PiS auch ein | |
Gesetz, das die Entscheidungsgewalt über den öffentlich-rechtlichen | |
Rundfunk von der Regierung und dem Nationalen Rundfunk- und Fernsehrat auf | |
einen neugegründeten „Rat Nationaler Medien“ übertrug. Zwar stufte das 20… | |
noch funktionierende Verfassungsgericht Polens dieses Gesetz als | |
verfassungswidrig ein, doch dies kümmerte weder die PiS noch | |
Staatspräsident Andrej Duda, der das Gesetz unterschrieben hatte. | |
Als der neue polnische Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz nun alle | |
Aufsichtsräte und Vorstände der Staatsmedien abberief und sich dabei auf | |
die Resolution des Sejms zur Wiederherstellung des öffentlich-rechtlichen | |
Rundfunks, das Handelsrecht (TVP ist eine Aktiengesellschaft) und das | |
Urteil des Verfassungsgerichts von 2016 berief, behauptete PiS-Parteichef | |
Jarosław Kaczyński, dass die neue Mitte-links-Regierung das geltende Recht | |
breche. Zudem sei es so, dass es in jeder Demokratie ein starkes | |
„Anti-Regierungs-Medium“ geben müsse, und das seien eben TVP, TVPInfo und | |
das Polnische Radio. | |
21 Dec 2023 | |
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[1] /Polens-neuer-englischer-Auslandssender/!5814234 | |
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## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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